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Bericht: 30 Jahre Audi 100 – Siegertyp und US-Flopp

Damit hatte damals keiner gerechnet: Ausgerechnet Audi präsentierte vor 30 Jahren mit dem Modell 100 (C3) einen stromlinienförmigen Aerodynamik-Weltmeister, der mit einem Füllhorn neuer Antriebstechniken die Bastion der meist noch backsteinförmigen Businessclass stürmte.

Galt doch der Audi 100 trotz Vorderradantrieb und früher Fünfzylinderbenziner bis dahin als Inbegriff der biederen Beamtenlimousine, für die auf vielen Firmen- und Vorstandsparkplätzen ein Vorfahrverbot galt. Erst die dritte, dynamisch gezeichnete Audi-100-Generation konnte 1982 die deutsche Trutzburg aus konservativen und kantigen Mercedes-Benz W123 sowie BMW 5ern sprengen und neue Importlimousinen wie Volvo 760 oder Talbot Tagora ins Abseits stellen. Verstärkung auf dem Weg nach oben erhielt der Audi 100 durch die luxuriösen und leistungsstärkeren Schwestermodelle Audi 200 (ab 1983) und 300 (ab 1988), wobei letztgenannter kurz vor der Premiere die prestigeträchtigere Bezeichnung Audi V8 verpasst bekam.

Nicht zu vergessen der Avant (ab 1983), der als erster großer Lifestylekombi eines neues Segment begründete. Mit einem großzügig verglastem Heck, das manche Betrachter entfernt an Shooting Brakes wie den Volvo 1800 ES erinnerte und das Mercedes T-Modell betagt und betulich wirken ließ, erzielten die Typen 100 und 200 Avant sogar Überraschungserfolge auf traditionellen Kombimärkten wie Frankreich und Schweden.

Vorsprung durch Technik

"Ein Kombiwagen zum Transport von Diamantenkoffern und Kaviardosen", lautete eine Schlagzeile zur Vorstellung des Audi 100 Avant. Kostbar und seiner Zeit voraus konnte das Innenleben des Kombis durchaus sein wie der 1989 präsentierte Prototyp Audi Duo demonstrierte. Bei dem hybriden Pionier trieb ein 136-PS-Benziner die Vorderräder und 13-PS-Elektromotor die Hinterräder an.

"Vorsprung durch Technik" war das Werbecredo von Audi, das einst mit dem NSU Ro 80 eingeführt worden war. Mit dieser Wankelmotor-Limousine teilte sich der Audi 100 nicht nur das Designmerkmal der drei Seitenfenster, sondern auch den Anspruch zu den technisch innovativsten Limousinen der Welt zu zählen.

Der Innovationstreiber

Ferdinand Piëch, seit 1974 Leiter der technischen Entwicklung, vollzog damals den Wandel von Audi zum ingenieurgetriebenen Unternehmen. Zunächst mit Fünfzylinderbenzinern (1976), Turboladertechnik (1979) und Allradantrieb Quattro (1980), die 1982 in die weltweit strömungsgünstigste (cW-Wert 0,30) Großserienlimousine, den Audi 100 (C3) übernommen wurden. Dann mit Rostschutz durch vollverzinkte Karosserien (ab 1985) und direkt einspritzenden Dieselmotoren mit Turboaufladung (ab 1989), die im Audi 100 TDI als weltweit zweitem Serienauto nach dem Fiat Croma debütierten. Schließlich mit Achtzylindermotoren und Allradantrieb im Über-Audi-100, dem V8, der ab 1988 den Weg in die höchste Premiumklasse vorbereitete und zumindest durch Meistertitel in der DTM 1990 und 1991 den Erzrivalen Mercedes-Benz deutlich deklassierte.

In den Zulassungsstatistiken spielte er allerdings kaum eine Rolle, dies gelang erst seinem Nachfolger, dem Audi A8. Der Schock über die neue Konkurrenz aus Ingolstadt kam also mit Vorankündigung in die Münchner und Stuttgarter Konzernzentralen, zumal Audi-Chefdesigner Hartmut Warkuß bereits auf der IAA 1981 durch ein Forschungsauto die Designlinien des künftigen Flaggschiffs gezeigt hatte. Dennoch hatte keiner der deutschen Rivalen mit einem so großen Ehrgeiz und Erfolg der Ingolstädter beim Aufstieg in die Premiumliga gerechnet.

Gewinnertyp und Filmstar

Der Audi 100 gewann den Medientitel "Auto des Jahres 1983", wurde ausgezeichnet mit dem "Goldenen Lenkrad" und eroberte als prestigeträchtiger Audi 200 Filmrollen, die zuvor anderen Nobelmarken vorbehalten waren. In der TV-Kultserie "Schwarzwaldklinik" nutzte Hauptdarsteller Klausjürgen Wussow alias Professor Brinkmann den Allradler, im James-Bond-Streifen "Der Hauch des Todes" setzte "007"-Schauspieler Timothy Dalton auf das Verfolgungspotential der schnellen Limousine und im exterrestrischen Hollywoodstreifen "E.T." übernahm die US-Version "Audi 5000" die automobile Hauptrolle. Allerdings lagen in den USA Triumph und Tragödie für den Audi 5000 dicht beieinander. Zunächst erlebte der frisch gekürte Audi-Chef Ferdinand Piëch einen kometenhaften Aufstieg im Premiumsegment wie er wenige Jahre später nur von Lexus übertroffen wurde, dann folgte ein ebenso jäher Absturz.

Ursache waren vermeintliche Sicherheitsmängel am Audi 5000 durch unbeabsichtigte Beschleunigung der Automatikwagen beim Einlegen eines Gangs. Um auszuschließen, dass die Amerikaner Gas- und Bremspedal verwechseln, entwickelte Piëch eine Sperre. Eine Fahrstufe konnte jetzt nur noch eingelegt werden, wenn der Fahrer die Bremse betätigte. Außerdem rüstete Audi rund 130.000 Fahrzeuge nachträglich mit der neuen Sperre aus, nannte den Audi 5000 fortan Audi 100 und gewährte üppige Neuwagenrabatte.

Absturz in den USA

Nichts half gegen die fatalen Folgen. Die Audi-Verkaufszahlen stürzten von 74.000 Einheiten im Jahr 1985 auf 12.000 im Jahr 1991. Den Imageschaden konnte erst der Audi 100 C4 abschütteln. Der Konkurrenz diente das Krisenmanagement fortan als Lehrstück, auf das zuletzt Toyota zurückgreifen musste als 2010 dem Prius unkontrollierte Beschleunigung vorgeworfen wurde.

Eigenständige Modellbezeichnungen erhielten die Ingolstädter Spitzenmodelle auch in anderen Ländern. In Südafrika wurde der Audi 100 als Typ 500 montiert und in China dienten die bei FAW produzierten Limousinen unter dem Traditionsnamen Hongqi ("Rote Fahne") sogar als staatliche Repräsentationslimousinen.

1981: Auf der Frankfurter IAA präsentiert Audi ein Forschungsauto, das die Formensprache des Audi 100 (C3 bzw. Typ 44) vorwegnimmt

1982: Mit dem Ende der Werksferien beginnt am 23. August die Produktion der dritten Audi-100-Generation

1983: Im Juni wird die zweite Generation des Audi 200 eingeführt. Als erster deutscher Hersteller erhält Audi die allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) für Katalysatortechnik. Vorstellung und Einführung des Audi 100 Avant im August. In den USA wird die Limousine Audi 5000 eingeführt

1984: Ab Januar ist der Audi 100 mit 2,1-Liter-Motor mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator lieferbar. Im November wird der 100 Quattro eingeführt

1985: Vollverzinkte Karosserien für Audi 100 und 200

1988: Facelift für Audi 100 und 200, neue Cockpitgestaltung und modifizierte Exterieurdetails wie Stoßstangen und Rückleuchten. Auf dem Pariser Salon debütiert der Audi V8, der vom Audi 100 abgeleitet ist und sich nur in optischen Details vom kleinen Schwestermodell unterscheidet. Umbenennung des Audi 5000 in Audi 100 auf dem US-Markt

1989: Auf dem Genfer Salon debütiert der 200 Quattro 20V als neues Spitzenmodell der Baureihe. Auf der Frankfurter IAA feiert der Audi 100 TDI mit dem ersten deutschen Diesel-Direkteinspritzer Weltpremiere. Außerdem debütiert auf der IAA der Audi Duo mit Hybridantrieb

1990: Im November debütiert der Audi 100 C4. Der Audi V8 gewinnt den Meistertitel in der DTM

1991: Im Juni läuft die Produktion des Audi 200 aus. Im November endet in Japan die Montage des Audi 100, im Juli 1992 die des Audi 200. Erneuter Titelgewinn in der DTM für den Audi V8

1994: Der Audi A8 tritt die Nachfolge des Audi V8 an

              Audi 100 (C3, Typ 44) insgesamt (1982 bis 1991): rund 980.000 Einheiten. Davon u.a. 100 (75 und 90 PS Benziner) 249.934 Einheiten, 100 Avant (75 und 90 PS Benziner) 27.093 Einheiten, 100 (100 PS Benziner) 38.209 Einheiten, 100 2.2 E (136 PS Benziner) 380.338 Einheiten, 100 2.2 E Avant (136 PS Benziner) 40.564 Einheiten, 100 2.3 E (138 PS Benziner) 122.270 Einheiten, 100 2.3 E Avant (138 PS Benziner) 26.655 Einheiten, 100 Turbo 8.051 Einheiten, 100 Turbo Avant 2.034 Einheiten, 100 Diesel 37.006 Einheiten, 100 Avant Diesel 23.898 Einheiten, 100 Turbodiesel 9.097 Einheiten, 100 Avant Turbodiesel 6.374 Einheiten, 100 TDI 2.891 Einheiten, 100 TDI Avant 1.873 Einheiten.

Audi 200 (1983-1991): 93.550 Einheiten Audi V8 (1988-1994): 16.648 Einheiten

Audi 100 (1982 bis 1988) mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS) Audi 100 (1984 bis 1990) mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (66 kW/90 PS) Audi 100 (1983 bis 1984) mit 2,0-Liter-Fünfzylinder-Benziner (74 kW/100 PS) Audi 100 (1985 bis 1991) mit 2,0-Liter-Fünfzylinder-Benziner (85 kW/115 PS) Audi 100 (1983 bis 1985) mit 2,1-Liter-Fünfzylinder-Benziner (100 kW/136 PS) Audi 100 (1985 bis 1991) mit 2,2-Liter-Fünfzylinder-Benziner (101 kW/138 PS bzw. 121 kW/165 PS) Audi 100 (1984 bis 1988) mit 2,0-Liter-Fünfzylinder-Diesel (51 kW/70 PS bzw. 64 kW/87 PS) Audi 100 (1989 bis 1991) mit 2,0-Liter-Fünfzylinder-Diesel (60 kW/82 PS bzw. 74 kW/100 PS) Audi 100 (1989 bis 1991) mit 2,5-Liter-Fünfzylinder-Diesel (88 kW/120 PS) Audi 200 (1983 bis 1985) mit 2,1-Liter-Fünfzylinder-Benziner (100 kW/136 PS bzw. 104 kW/141 PS bzw. 134 kW/182 PS) Audi 200 (1984 bis 1991) mit 2,2-Liter-Fünfzylinder-Benziner (101 kW/138 PS bzw. 121 kW/165 PS bzw. bzw. 140 kW/190 PS bzw. 147 kW/200 PS bzw. 162 kW/220 PS) Audi V8 (1988 bis 1994) mit 3,6-Liter-V8-Benziner (184 kW/250 PS bzw. 206 kW/280 PS) Audi V8 (1991 bis 1994) mit 4,2-Liter-V8-Benziner (206 kW/280 PS)

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Schanzen-Stürmer

Aufsehenerregend waren auch manche europäischen Auftritte des größten Audi. In einem Werbespot fuhr der 100 Quattro eine schneebedeckte finnische Skisprungschanze aus eigener Kraft hinauf, unsichtbar gesichert durch ein Stahlseil. Auch die inoffiziellen Temporekorde der windschnittigen Audis sorgten für Diskussionen. Der erste deutsche Diesel-Direkteinspritzer leistete 120 PS und machte den Audi 100 Avant TDI zum weltweit ersten 200-km/h-Kombi mit Selbstzünder, der Audi 200 Avant Quattro 20V mit 220 PS leistendem Fünfzylinder erreichte als erster Großserienkombi die 240-km/h-Marke und sogar mit 75 PS-Basismotor setzte die Audi-100-Limousine einen Bestwert. In Relation zur Motorleistung war die Spitze von 165 km/h rekordverdächtig, so benötigte etwa der Mercedes 200 im Jahr 1982 über 50 Prozent mehr Leistung für das gleiche Tempo.

Einen ganz anderen Weltrekord errang der Audi 100 TDI sieben Jahre später bei einer Sparfahrt auf dem Hockenheimring: 1,7 Liter Diesel auf 100 Kilometer galten viele Jahre als unschlagbar niedriger Verbrauchswert. Vorreiter war der Audi 100 auch bei der Abgasentgiftung. Als erstes deutsches Serienfahrzeug wurde der 115 PS starke 2,2-Liter-Benziner ab Januar 1984 mit einem geregelten Drei-Wege-Katalysator lieferbar.

Bei so viel Avantgardismus begnügte sich der Audi 100 mit einem einzigen nennenswerten Facelift zum sechsten Geburtstag, das durch Details wie neue Rückleuchten oder andere Türgriffe erkennbar war. Die Langzeitqualitäten des Langstreckenläufers – Laufleistungen von über 300.000 Kilometer sind üblich, der Rost hat kaum Chancen – spiegeln sich imGebrauchtwagenmarkt, in dem der Audi 100 (C3) auch nach 30 Jahren und mit H-Kennzeichen-Anwartschaft noch zu haben ist. (sp-x)

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