Mercedes-Benz ging zwar nicht k.o., aber wenigstens einmal gelang der Marke mit dem Blitz unmöglich Geglaubtes in der automobilen Championsleague: Der Opel Diplomat wurde Deutschlands führendes Flaggschiff vor dem Mercedes 300 SE. Das neue Opel-Oberklasse-Triumvirat mit den traditionsreichen Modellnamen Kapitän (seit 1938) und Admiral (mit Unterbrechung seit 1937) sowie Diplomat avancierte zum Bestseller in der „Prominentenklasse“, wie Rüsselsheim das profitable Prestigesegment nannte. Opel hatte geschafft, was in diesem Volumen bis heute kein anderer deutscher Nichtpremium-Hersteller wiederholen konnte: Mit ihren elegant gezeichneten Sechs- und Achtzylinder-Spitzenmodellen positionierten die Rüsselsheimer sich auf Vorstandsparkplätzen oder Vorfahrten von Luxushotels und als allgemein anerkannter Erfolgsausweis für Geschäftsleute und Prominente. Besonders der neue Diplomat wurde seinem Werbespruch als „Star der starken Wagen“ gerecht. Mit bis zu 230 PS entwickelnden V8-Maschinen von Chevrolet bot der Diplomat sogar fast ebenso viel Leistung wie die drei Mal so teure Staatslimousine Mercedes-Benz 600. Nur 17.500 Mark berechnete Opel anfangs für sein 4,95 Meter langes Flaggschiff mit serienmäßiger Zweigang-Wandlerautomatik und damit rund ein Drittel weniger als Mercedes-Benz für den konkurrierenden 300 SE mit 160 PS starkem Sechszylinder.
Stolze V8-Ansagen
Kein Wunder, dass Opel auch die etwas einfacher ausgestatteten Sechszylinder-Limousinen Kapitän und Admiral schon bald auf Wunsch mit den imageträchtigen V8-Maschinen anbot. Dies allerdings nur mit 4,6-Liter-Hubraum, während es den Diplomat auch mit größerer 5,4-Liter-Maschine gab. Ein V8-Bestseller wurde aber allein der Diplomat, dessen Programm ab Dezember 1964 von einem exklusiven Hardtop-Coupé gekrönt wurde. Der Karossier Karmann baute den eleganten Zweitürer mit fast endlos langer Motorhaube und riesigem Kofferraum.
Welche Ausnahmestellung das Diplomat V8 Coupé damals besaß, beschrieb in ihrem eigenen Stil die Opel-Werbung: „Ein Diplomat V8 Coupé befindet sich meistens in Gesellschaft, jedenfalls solange es parkt. Ständig ist es von Bewunderern umringt. Nehmen Sie's gelassen schmunzelnd hin. Schließlich bietet sich für viele nur auf dem Parkplatz die Gelegenheit, ein Diplomat V8 Coupé eingehend zu betrachten. Wenn dieser rassige Wagen erst einmal im 200-Stundenkilometer-Tempo über die Autobahn huscht...wer wollte (und vor allem: wer könnte) ihm dann auf die Dauer noch Gesellschaft leisten?“
Nur der Quattroporte war schneller
Damals durchaus berechtigte Feststellungen und Fragen. 206 km/h Vmax erreichte kein anderes Luxuscoupé und abgesehen vom Maserati Quattroporte auch keine Limousine. Eine rare Pretiose auf Parkplätzen blieb der zweitürige und mit Preisen ab 25.500 Mark kostspieligste Diplomat schon durch seine Mini-Auflage: Insgesamt verkaufte Opel nur 304 der elitären V8-Coupés, dabei waren Konkurrenten wie BMW 3200 CS oder Mercedes-Benz 300 SE Coupé deutlich teurer und weniger luxuriös ausgestattet. Tatsächlich ließ sich der Glanz oder Charme faszinierender Limousinen wie der sogenannten K-A-D-Klasse (Kapitän, Admiral, Diplomat) jedoch nicht einfach aufs Ultraluxus-Segment der Coupés übertragen. Eine bittere Erfahrung, die etwa ab 1966 auch der neue Diplomat-Coupé-Rivale Glas mit seinem V8 Coupé machen musste, kurz bevor BMW den Dingolfinger Autobauer übernahm. Der mäßige Erfolg des Opel Coupés war auch mit verantwortlich, dass ein ebenfalls bei Karmann karossiertes Diplomat V8 Cabriolet ein Einzelstück blieb.
Kommen wir also zur spannendsten Frage: Womit faszinierte die „Großwagenklasse“ von Opel ihre Käufer? Anders als etwa bei Mercedes-Benz war es wohl weniger das Markenimage als das Prestige der Modellreihen. Insbesondere der Kauf eines Kapitäns zeugte bereits seit der Vorkriegszeit von beruflichem und gesellschaftlichem Erfolg, während der Admiral ab 1964 die Rolle der Luxusausführung übernahm. Der neue Diplomat war ein Geniestreich, differenzierte er sich doch durch Seriendetails wie Vinyldach, V8-Maschinen und Servolenkung oder optionale Lederfauteuils schon ausreichend von seinen Geschwistern, um als Chauffeurlimousine sogar im Regierungsviertel der Bundeshauptstadt Bonn ernst genommen zu werden. Dagegen waren die Käufer von Kapitän und Admiral anfangs durchaus nicht immer zufrieden mit der gebotenen Leistung: Die bis zu 1.850 Kilogramm schweren Sechszylinder entwickelten zunächst nur 100 PS mit der Folge mäßigen Temperaments. 16 Sekunden (mit Automatik 18 Sekunden) für den Sprint auf Tempo 100 waren vielen Opel-Kunden zu wenig, zumal im Vergleich mit den V8-Typen, die sich im Bestfall nur 9,5 Sekunden gönnten.
- Chronik
- Ausgewählte Produktionszahlen
- Motorisierungen
1963: Im November Produktionsende des Vorgängers Kapitän P-LV nach 145.618 Einheiten
1964: Die neue Opel-Oberklasse kommt mit der internen Bezeichnung Kapitän A, Admiral A und Diplomat A. Presse-Präsentation im Februar und Vorserienanlauf im Februar. Produktionsstart Admiral im Mai und Diplomat V8 mit 4,6-Liter-Benziner von Chevrolet im August. Im Dezember wird das Diplomat V8 Coupé mit 5,4-Liter-Maschine von Chevrolet vorgestellt, Produktion der Coupé-Karosserie bei Karmann in Rheine. Insgesamt werden in diesem Jahr 30.571 Einheiten der großen Opel produziert. Die Oberklasse-Konkurrenz von BMW („Barockengel“ 2600 und V8) wird im März ersatzlos eingestellt. Dafür gibt es weiterhin die Mercedes-Benz-Modelle 220 S bis 300 SE (W 111/112) als Wettbewerber
1965: Ab März sind auch Kapitän und Admiral mit der 4,6-Liter-V8-Motorisierung bestellbar. Im September ersetzt ein neuer 2,8-Liter-Sechszylinder-Motor den bis dahin angebotenen 2,6-Liter-Sechszylinder. Insgesamt werden in diesem Jahr 29.262 Einheiten der großen Opel-Baureihe gefertigt. Seit August gibt es die neuen Mercedes-Benz 250 S bis 300 SEL als Konkurrenten, allerdings nur mit Sechszylinder-Motoren. Dennoch wird der Diplomat V8 noch einmal meistverkaufte deutsche Oberklasselimousine vor dem Mercedes 300 SE
1966: Ab September ist die Diplomat V8 Limousine auch mit der 5,4-Liter-Motorisierung lieferbar, die bis dahin dem Coupé vorbehalten war. Breitere Spur für die alle Sechszylinder. Nur noch 18.473 Einheiten werden in diesem Jahr von den großen Opel produziert
1967: Im Frühjahr läuft nach nur 304 Einheiten die Fertigung des Diplomat V8 Coupé aus. Im September erhält die gesamte Baureihe der „Großen Drei“ eine umfassende Modellpflege. Äußeres Kennzeichen ist eine seitliche Zierleiste. Kapitän und Admiral sind jetzt optional mit leistungsgesteigertem Sechszylinder lieferbar. Sicherheitslenksäule und für Kapitän und Admiral neue Lenkung. Insgesamt werden in diesem Jahr noch 6.091 Einheiten der großen Opel produziert
1968: Ab Januar heizbare Heckscheibe statt Entfeuchter. Zum Jahresende Produktionsauslauf. 4.880 Einheiten der Opel-Flaggschiffe entstanden im letzten Jahr
1969: Im März werden die Nachfolger Kapitän B, Admiral B und Diplomat B eingeführt. Das erste Jahr ist mit 17.777 Einheiten bereits das beste Resultat dieser Baureihe, die bis 1977 produziert wird
insgesamt 89.277 Einheiten von 1964 bis 1968, davon 24.249 Kapitän A (15.030 Kapitän 2,6; 203 Kapitän 2,5 für den österreichischen Markt, 8.903 Kapitän 2,8, 113 Kapitän 4,6 V8), 55.876 Admiral A (31.318 Admiral 2,6, 377 Admiral 2,5 für den österreichischen Markt, 23.558 Admiral 2,8, 623 Admiral 4,6 V8); 9.152 Diplomat A (8.518 Diplomat 4,6 V8, 330 Diplomat 5,4 V8), 304 Diplomat 5,4 V8 Coupé, 1 Diplomat 5,4 V8 Cabriolet
Opel Kapitän A mit 2,6-Liter-(74 kW/100 PS)-Sechszylinder-Benziner;
Opel Kapitän A 2800 S mit 2,8-Liter-(92 kW/125 PS)-Sechszylinder-Benziner;
Opel Kapitän A 2800 HL mit 2,8-Liter-(103 kW/140 PS)-Sechszylinder-Benziner;
Opel Kapitän A V8 mit 4,6-Liter-(140 kW/190 PS)-V8-Benziner;
Opel Admiral A mit 2,6-Liter-(74 kW/100 PS)-Sechszylinder-Benziner;
Opel Admiral A 2800 S mit 2,8-Liter-(92 kW/125 PS)-Sechszylinder-Benziner;
Opel Admiral A 2800 HL mit 2,8-Liter-(103 kW/140 PS)-Sechszylinder-Benziner;
Opel Admiral A V8 mit 4,6-Liter-(140 kW/190 PS)-V8-Benziner;
Opel Diplomat A V8 mit 4,6-Liter-(140 kW/190 PS)-V8-Benziner;
Opel Diplomat A V8 mit 5,4-Liter-(169 kW/230 PS)-V8-Benziner;
Opel Diplomat A V8 Coupé mit 5,4-Liter-(169 kW/230 PS)-V8-Benziner;
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## Auch Kapitän und Admiral legen bei der Leistung nach
Und so spendierte Opel nach den Werksferien 1965 Kapitän und Admiral einen neu konstruierten 2,8-Liter-Sechszylinder, der mit seinen 125 PS standesgemäße Schubkraft freisetzte. Gerade rechtzeitig, um gegen die neu vorgestellten Mercedes 250 S und SE (W108) nicht ganz ins Hintertreffen zu geraten. Trotz des anfänglichen Leistungsmankos übertrafen Kapitän und Admiral übrigens im Auftaktjahr die günstigsten Absatzprognosen, dazu hatte Opel ein gewaltiges Kapazitätsproblem. Die Rüsselsheimer Bänder waren bereits durch einen anderen Bestseller ausgelastet. Der 1963 eingeführte Rekord A orientierte sich wie die K-A-D-Reihe am aktuellen amerikanischen Chevrolet-Design und traf damit auf dem Zenit der deutschen Wirtschaftswunderjahre voll ins Schwarze. Noch ein Trend aus der Neuen Welt begeisterte die deutschen Autokäufer: das Baukastensystem. Für möglichst viele Wünsche gab es die passende Motorisierung, ein Prinzip, das Opel auch bei seinen Spitzenmodellen konsequent verfolgte. So gab es Kapitän und Admiral einerseits für Käufer in Österreich auch mit einem wirtschaftlicheren 2,5-Liter-Sechszylinder und andererseits ab dem einzigen Facelift (erkennbar an einer seitlichen Zierleiste) im Herbst 1967 auch mit 2,8-Liter-HL-Maschine und 140 PS Leistung.
Dennoch knickte die Karrierekurve der K-A-D-Typen nun. Die Mercedes-Benz S-Klasse fuhr uneinholbar davon und BMW präsentierte mit den Sechszylindermodellen 2500 und 2800 neue Konkurrenten. Was Opel nicht davon abhielt zu kontern: mit der 1969 gezeigten Generation B von Kapitän, Admiral und Diplomat. Aber das ist schon eine neue Geschichte. (mh/sp-x)