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Bericht: 60 Jahre Citroën DS – Über den Dingen schweben

DS, diese zwei Buchstaben verkörpern für frankophile Automobilfans seit 60 Jahren ultimative Avantgarde und Ästhetik, vor allem aber die Vorherrschaft von Citroën bei extravaganten Formen und technischen Innovationen.

Die göttliche „Déesse“, das war bis dahin nicht dagewesener Futurismus in Millionenauflage vom legendären ersten Citroën DS 19 aus dem Jahr 1955 bis zur finalen Ausbaustufe Citroën DS 23 aus dem Jahr 1975. Wie kein anderes Fahrzeug haben sich diese revolutionären Limousinen, Landaulets, Kombis und Cabriolets in die Geschichte von Technik, Kunst und Kultur eingeschrieben. Gegen die Wirkung der DS waren alle Wettbewerber chancenlos, das Citroën-Flaggschiff wurde ein technisches Wahrzeichen der Grande Nation, so wie der längste Transatlantikliner aller Zeiten, die „France“ von 1961, der Überschallverkehrsjet „Concorde“ von 1969 oder später der schnelle TGV auf der Schiene. Und in den luxuriösen Prestige- und Pallas-Linien wurde der einst größte Citroën internationaler Inbegriff französischen Lifestyles.

Weshalb nicht nur in Deutschland viele passionierte DS-Fahrer ihren Citroëën schlicht Pallas nannten. Zumal der Name Pallas ebenfalls göttlichen Bezug hatte. Erinnerte diese DS-Ausstattung doch an Pallas Athena, die griechische Göttin der Weisheit, Künste und Wissenschaften. Geradezu verstörend für alle Connaisseure der automobilen Göttin war deshalb das Revival des Signets DS mit der Bedeutung Different Spirit im Jahr 2010 und das obendrein für Kleinwagen wie den DS3.

Nie dagewesene Faszination

Allerdings war es nicht allein der Luxus des Prestige- und Pallas-Programms oder der Status präsidialer Staatskarossen, denen die 20 Jahre gebauten Spitzenlimousinen der Marke im Zeichen des Doppelwinkels ihren Mythos verdanken. Es war vielmehr eine so noch nie dagewesene Faszination des Fortschritts, die sich in den großen Citroën-Modellen spiegelte. Auf unbekanntem Terrain fuhren die Typen DS und ID (für „Idee“ als Einstiegsversion) in technischer Kühnheit und formschöner Couture, aber auch in Kunst und Kultur.

Bereits die Premiere im prachtvollen Grand Palais des Pariser Automobilsalons besaß neuartigen politischen und gesellschaftlichen Glanz mit eigenen Galas für Staatsgäste und einem Rekord für die Ewigkeit: 750 Kaufverträge in den ersten 45 Minuten nach Enthüllung des Autos und 12.000 Bestellungen bis zum Abend dieses Messetages, das hatte es noch nie gegeben.

Dramatisch lang und futuristisch

Was war dieser Citroën für ein Automobil? Zunächst einmal eine dramatisch lang gestreckte Stromlinien-Limousine von fast 4,90 Meter, deren Silhouette manche Betrachter an Raumschiffe aus Science-Fiction-Romanen erinnerte. Futuristisch wirkten auch die hydropneumatische Federung inklusive Niveauregulierung sowie die Leichtbau-Karosserie mit Teilen aus glasfaserverstärktem Kunststoff und Aluminium.

Exzeptionell waren überdies die Zweikreisbremsanlage mit Hochdruckservounterstützung und vorderen Scheibenbremsen, das halbautomatische Getriebe, das aufprallsichere Einspeichen-Lenkrad, die Gürtelreifen und ab 1967 mitlenkende Scheinwerfer. Kurz: Die DS war ein technisches Gesamtkunstwerk, für das zwei kongeniale Konstrukteure verantwortlich zeichneten, die noch Unternehmensgründer André Citroen persönlich eingestellt hatte: Flaminio Bertoni (Design) und André Lefèvre (Technik).

Nicht standesgemäß

Woran es der DS allerdings zeitlebens fehlte, war standesgemäße Schubkraft. Eher schwächliche Triebwerke von anfangs gerade einmal 63 PS und auch am Ende nur 126 PS ließen die Göttin nie wirklich abheben gegenüber der Konkurrenz. Anders als beim Vorgänger Traction Avant gab es keinen Sechszylinder, sondern nur allmähliche Hubraumvergrößerungen von 1,9- auf 2,3-Liter für die Vierzylinder. Ein klarer Nachteil insbesondere im Export, wo die Göttin auch preislich über den Wolken schwebte.

In Deutschland etwa startete die DS-19-Preisliste vor 60 Jahren bei 12.350 Mark, so dass die Französin gegen Repräsentationsfahrzeuge antreten musste wie Borgwards Pullman-Limousine Hansa 2400 oder den V8-BMW 501. Nicht viel vorteilhafter für die DS war die Situation am Ende ihrer Laufzeit, denn 1975 war ein Pallas Injection Automatik kostspieliger als Sechszylinder wie Mercedes 280, BMW 2500 oder Opel Admiral.

Leidensfähigkeit war gefragt

Passioniert im Sinne von leidensfähig musste mancher Pallas-Käufer zudem hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Verarbeitungsqualität sein. Ein Thema, das Citroën während der ganzen Bauzeit der Göttin beschäftigte, den Erfolg der fast 1,5 Millionen mal verkauften kapriziösen Französin aber nicht schmälerte. Dafür sorgten preiswerte Einstiegsversionen, konkurrenzlose Riesen-Kombis mit 3,13 Meter Radstand und eine tiefe gesellschaftliche Verankerung dieses revolutionären Jahrhundertautos.

Schon Weltpremiere und Werbung der schönen Gallierin wurden konsequent künstlerisch inszeniert. Während die damals berühmtesten Grafiker und Fotografen (darunter Robert Doisneau, Helmut Newton und Milton Glaser) die DS verführerisch ins Bild setzten, startete die Göttin im internationalen Filmgeschäft eine unvergleichbar glamouröse Karriere.

Automobile Hauptrolle

Sei es an der Seite von Marcello Mastroianni, Gérard Depardieu, Jane Birkin, Leonardo Di Caprio, Alain Delon oder Cathérine Deneuve, die DS besetzte in rund 1.500 Filmen die automobile Hauptrolle. Weltrekordverdächtig. Kein Kinobesucher und TV-Zuschauer konnte diesem Citroen entgehen, zumal schwarz gekleidete Göttinnen bei allen französischen Staatsakten beeindruckende Kolonnen bildeten und über Jahrzehnte die TV-News beherrschten.

  • Chronik
  • Wichtige Motorisierungen
  • Produktionszahlen

1938-1950: Der Designer Flaminio Bertoni präsentiert Entwürfe für das Projekt VGD (voiture de grande diffusion – „Fahrzeug mit großer Verbreitung“)

1955: Am 6. Oktober feiert die DS Weltpremiere auf dem Pariser Salon. Produktion von 69 Vorserieneinheiten

1956: Start der Großserienfertigung mit den ersten 10.000 Einheiten. Vom Vorgänger 11 CV werden immer noch knapp 40.000 Einheiten produziert. In Deutschland treffen die ersten DS in den Schauräumen ein

1957: Im Mai wird die Modellreihe ID eingeführt, gleichzeitig wird die Produktion des ID/DS-Vorgängers Traction Avant 11 CV eingestellt, die Version 15 Six lief bereits 1955 aus

1958: Beim Karossier Chapron geht der DS Prestige in Kleinserie mit Trennscheibe und Funktelefon für Chauffeurbetrieb. Im Oktober wird der ID-Kombi vorgestellt

1959: Sieg bei der Rallye Monte Carlo

1960: Der Modelljahrgang 1960 ist erkennbar an Entlüftungsgittern in den Kotflügeln. Insgesamt werden 78.915 ID und DS produziert sowie 4.290 Break und 1 Vorserien-Cabriolet

1961: Im Februar wird das DS Cabriolet vorgestellt, die Produktion erfolgte beim Karossier Henri Chapron. Im ersten vollen Jahr werden 162 Cabriolet hergestellt. Im März wird der „DA-Motor“ eingeführt mit höherer Verdichtung, Schwingungsdämpfern etc. Ab September mit neu gestalteter Armaturentafel

1962: Im September Vorstellung des Modelljahrgangs 1963 mit modifizierter Front und 10 km/h höherer Endgeschwindigkeit. Am 22. August überlebt Präsident General Charles in seiner DS ein Attentat, da der Wagen trotz zerschossenen Hinterreifens weiterfahren konnte

1964: Die Luxusversion Pallas wird im August eingeführt, populäres Kennzeichen sind auffällige Zusatzscheinwerfer

1965: Neue Motorengeneration DY (DS 19) und DX (DS 21) sowie neue Getriebe

1966: Sieg bei der Rallye Monte Carlo

1967: Im September neue Frontgestaltung mit Doppelscheinwerfern hinter Glas. Optional mitlenkbare Fernscheinwerfer, serienmäßig für nach Deutschland gelieferte DS (ab September 1968)

1968: Neue DY2- und DX2-Motoren. Der DS 19 wird durch den DS 20 ersetzt

1969: Die ID-Baureihe wird ersetzt durch D Special und D Super. Im Herbst erhält die Instrumententafel zeitgeistige Rundinstrumente. Triumph bei der Rallye Marokko. Am 7. Oktober fährt die millionste DS von den Bändern des Werks am Quai de Javel

1970: Qualitätsprobleme durch Rost

1971: Produktionseinstellung für die Modelle DS 20 Prestige und DS Cabriolet. Ab Herbst Vollautomatikversion von Borg Warner lieferbar

1972 : Die Version DS 23 ersetzt ab September den DS 21

1973: Verlagerung der Produktion ins Werk Aulnay-sous-Bois, weiterhin Qualitätsprobleme. Die DS erreicht ein neues Produktionshoch von 92.483 Einheiten

1974: Im August wird der Citroen CX als Nachfolger der DS präsentiert. Gegenüber 11.800 CX werden noch 40.039 Citroen DS ausgeliefert

1975: Offizielle Produktionseinstellung für die DS am 24. April im Werk Aulnay-sur-Bois, allerdings werden noch bis September einzelne Fahrzeuge aus Teilen gefertigt

1976 : Produktionsende für die DS Ambulance

2005: Anlässlich des 50. Geburtstags der DS treffen sich in Paris Enthusiasten mit insgesamt 1.600 Citroen DS und ID

2010: DS wird als Modellbezeichnung eingeführt (DS3, später DS4 und DS5)

2014: Der PSA Konzern Peugeot Citroen lanciert DS als eigenständige Marke

2015: Citroen feiert das ganze Jahr über mit verschiedenen Aktionen den 60. Geburtstag der DS

Citroen ID 19 bzw. D Spécial mit 1,9-Liter- (46 kW/63 PS bzw. 49 kW/66 PS bzw. 51 kW/70 PS bzw. 54 kW/74 PS) -Vierzylinder-Benziner bzw. mit 2,0-Liter- (57 KW/78 PS bzw. 66 kW/90 PS) -Vierzylinder-Benziner.

Citroen ID 20 bzw. D Super bzw. D Super 5 mit 2,0-Liter- (66 kW/90 PS) -Vierzylinder-Benziner bzw. mit 2,2-Liter- (72 KW/98 PS bzw. 76 kW/104 PS) -Vierzylinder-Benziner.

Citroen DS 19 bzw. Pallas mit 1,9-Liter- (52 kW/71 PS bzw. 55 kW/75 PS bzw. 59 kW/80 PS) -Vierzylinder-Benziner bzw. mit 2,0-Liter- (62 KW/84 PS)-Vierzylinder-Benziner.

Citroen DS 20 bzw. Pallas mit 2,0-Liter- (66 kW/90 PS bzw. 72 kW/98 PS) -Vierzylinder-Benziner.

Citroen DS 21 bzw. DS 21 ie bzw. Pallas mit 2,2-Liter- (74 kW/100 PS bzw. 88 kW/120 PS) -Vierzylinder-Benziner.

Citroen DS 23 bzw. DS 23 ie bzw. Pallas mit 2,2-Liter- (76 kW/104 PS) -Vierzylinder-Benziner bzw. mit 2,3-Liter- (81 KW/110 PS bzw. 93 kW/126 PS)-Vierzylinder-Benziner.

Citroen ID/DS insgesamt: 1.455.746 Einheiten (davon 1.330.755 in Frankreich, die übrigen in England, Belgien und Australien)

Citroen DS Cabriolet (produziert bei Chapron): 1.365 Einheiten.

Wichtige Zahlen nach Jahren: 1955 insgesamt 69 Vorserien-Einheiten, 1956 insgesamt 10.000 Einheiten, 1957 insgesamt 28.593 Einheiten, 1958 insgesamt 52.466 Einheiten, 1959 insgesamt 66.931 Einheiten, 1960 insgesamt 78.915 Einheiten (plus 4.290 Break und 1 Cabriolet), 1961 insgesamt 72.717 Einheiten (plus 4.880 Break und 161 Cabriolet), 1962 insgesamt 78.696 Einheiten (plus 5.339 Break und 209 Cabriolet), 1963 insgesamt 86.975 Einheiten (plus 6.501 Break und 241 Cabriolet), 1964 insgesamt 76.156 Einheiten (plus 6.223 Break und 184 Cabriolet), 1965 insgesamt 83.092 Einheiten (plus 6.222 Break und 127 Cabriolet), 1966 insgesamt 92.706 Einheiten (plus 6.855 Break und 124 Cabriolet), 1967 insgesamt 94.693 Einheiten (plus 7.211 Break und 82 Cabriolet), 1968 insgesamt 75.313 Einheiten (plus 6.547 Break und 95 Cabriolet), 1969 insgesamt 82.218 Einheiten (plus 47 Cabriolet), 1970 insgesamt 103.633 Einheiten (plus 40 Cabriolet), 1971 insgesamt 84.238 Einheiten (plus 13 Cabriolet), 1972 insgesamt 92.483 Einheiten), 1973 insgesamt 96.990 Einheiten, 1974 insgesamt 40.039 Einheiten, 1975 insgesamt 847 Einheiten.       

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Bisweilen sogar mit an Dramatik kaum zu übertreffenden Stuntszenen. So rettete eine DS-Repräsentationslimousine womöglich 1962 sogar dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle das Leben. Bei einem missglückten Attentatsversuch auf das Staatsoberhaupt konnte der große Citroen dank Hydropneumatik auf nur drei Rädern entkommen - für Citroen unbezahlbare Werbung.

Kunstobjekt

Damit nicht genug. Die Mailänder Triennale von 1957 ehrte die DS als erstes Automobil mit dem Preis für industrielle Kunst. Der Auftakt für eine einzigartige Karriere dieses Fahrzeugs als Kunstobjekt in den großen Museen der Welt, denn die DS inspirierte zahlreiche Bildhauer zur Schaffung kreativer Skulpturen. Derweil zelebrierten Literaten wie der französische Kulturphilosoph Roland Barthes den Citroen als mystisches Objekt, das vom Himmel gefallen sei. Eindeutig irdischer Natur waren dagegen ihre sportlichen Siege bei allen wichtigen Rallyes und Langstreckenrennen. Sei es bei der Rallye Monte Carlo (1959 und 1966), der Fernfahrt Lüttich-Sofia-Lüttich (1961) oder der Rallye Marokko (1969).

Zum 60. Geburtstag der großen Citroen-DS-Familie soll nun die neu gegründete Marke DS ein frisches Kapitel französischer Avantgarde schreiben. Ambitionen, die von der für alle Fans unsterblichen und unvergänglichen Déesse aus dem Oldtimer-Olymp wahrscheinlich eher amüsiert beobachtet werden.

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