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Bericht: Das Straßenbild in der DDR – Grau mit bunten Flecken

Überraschte Gesichter bei den Chefs der westdeutschen Automobilhersteller, die im Herbst des Jahres 1967 mit einer noch nie dagewesenen Neuheitenflut aus der ersten Absatzkrise der noch jungen Bundesrepublik fahren wollten.

War es doch DDR-Marken gelungen, ihre Wartburg- und Trabant-Typen auf der Frankfurter Automobilausstellung IAA an prominentestem Platz in der neuen Halle fünf zu präsentieren. Dort, wo NSU das als Zeitenwende gefeierte Wankelmotor-Modell Ro 80 zeigte und BMW einen neuen V8 als Topmodell vorstellte, verkörperten die von Händlern gezeigten Zweitakt-Zweizylinder des VEB Sachsenring (Trabant 601) und der Dreizylinder-Zweitakter des VEB Automobilwerk Eisenach (Wartburg 353) eine gänzlich andere Vision des Fahrzeugbaus. Fast war es eine Wiederholung des von Medien als „Messewunder“ bezeichneten IAA-Auftritts von 1959, als der neue Wartburg-Modelljahrgang in speziell gebauten Eisenbahn-Waggons in die Main-Metropole gefahren wurde und der offene Wartburg Sport umlagerter Superstar war. Acht Jahre später waren die DDR-Typen motorentechnisch bereits überholt – sogar Audi hatte sich zwischenzeitlich vom Zweitakter verabschiedet. Wenigstens konnten Wartburg und Trabi mit modernem Design, Vorderradantrieb und günstigen Preisen punkten. So kostete etwa der Trabant 601 Kombi im Westen nur 3.680 Mark, was die Werbetexter zu den eher holprigen Worten inspirierte: „Zwei Wagen dieses Typs können zum Preis eines großen Kombifahrzeugs angeschafft werden!“ Tatsächlich war der Trabi sogar in der kleinen Klasse gegenüber anderen Mini-Kombis um bis zu 30 Prozent billiger.

Export-Kalkulationen, die für DDR-Bürger unverständlich gewesen sein müssen. Waren doch Wartburg und Trabant auf dem Binnenmarkt bis zu drei Mal teurer. Zeit zum Ansparen des Kaufpreises gab es aber genügend: Wer etwa im Bezirk Erfurt 1967 einen Wartburg bestellte, erhielt seinen Neuwagen erst im Jahr 1981 ausgeliefert. Wie konnte es angesichts solcher Zustände dazu kommen, dass DDR-Fahrzeuge weltweit exportiert wurden? Die Antwort darauf war einfach: Die DDR benötigte dringend Devisen, zudem sollte der internationale Verkauf von Pkw, aber auch von Nutzfahrzeugen wie Barkas, Robur und IFA demonstrieren, dass die Fahrzeuge jenes von der Staatsführung stets geforderte „Weltniveau“ besaßen. Und dafür war manchmal kein Aufwand zu groß, wie Expeditionsreisen und aufwändige Vertriebsbemühungen auch auf entlegenen und exotischen Märkten zeigten. Andererseits gaben die DDR-Modelle auf der 1967 weltweit wichtigsten Messe in Frankfurt ihre letzte ganz große Vorstellung. Dabei konnte es die soeben erneuerte Wartburg-Limousine in ihrer klaren und kantigen Linienführung optisch fast mit westlichen Businesslinern wie der BMW „Neuen Klasse“ oder den eleganten Glas 1700 aufnehmen – hätte nicht der kleine 1,0-Liter-Zweitaktmotor lautstark und „stinkend“, wie manche Zeitgenossen meinten, auf sich aufmerksam gemacht.

Nicht nur deshalb fanden sich kaum Wartburg-Käufer im kapitalistischen Teil Deutschlands, es fehlte den Ostmodellen schlicht an positivem Image. Daran konnte auch ein expliziter Werbehinweis nichts ändern: „Der neue Wartburg-Typ aus einem der traditionsreichsten Automobilwerke der Welt!“. Schließlich hatte die „Fahrzeugfabrik Eisenach AG“ bereits 1898 mit dem Autobau begonnen, gehörte später zu BMW, bis die Produktionsanlagen 1945 enteignet wurden. Diese Zusammenhänge interessierten die Bundesbürger herzlich wenig. Anderes war wichtiger: Die DDR war ein Politikum und Autos zählten in den 1960er Jahren zu den bedeutendsten Statussymbole, da „konnte“ ein Bundesbürger kein Ostauto kaufen. Auch wenn die westdeutsche Fachpresse den Wartburg bis Ende der 1960er Jahre als zeitgemäß und zweckmäßig lobte, blieben die Absatzzahlen zu gering. Gerade einmal 151 Trabis und 334 Wartburg wurden etwa 1967 im westlichen Teil Deutschlands verkauft. Tendenz fallend. Weshalb die DDR die offizielle Belieferung ihrer Vertragshändler in der Bundesrepublik zwei Jahre später einstellte, dafür jedoch ihre Exportbemühungen in anderen Länder deutlich intensivierte.

                  Eine Chronik der Merk-Würdigkeiten  			  				

Es sind kleine und große Ereignisse, manchmal auch nur Alltäglichkeiten, die Verkehrsgeschichte erfahrbar machen. Hier eine Chronik mit Kalendereinträgen und Meilensteinen  zur motorisierten Mobilität in der DDR:

1945: Nur wenige Monate nach Kriegsende startet am 1. November auf Befehl des Marschalls der Sowjetunion, Georgi Shukow, die Fertigung des Vorkriegsmodells BMW 321 in der „Eisenacher Fahrzeug- und Maschinenfabrik, vormals BMW“. Dadurch entgeht das frühere BMW-Werk der Demontage.

1946: Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) befiehlt am 7. Juli den Start der Fahrzeugproduktion in den Zwickauer Horch-Werken.

1947: Die Benelux-Länder und die Schweiz sind erste westliche Exportmärkte für BMW-Modelle aus Eisenach, obwohl das BMW-Stammwerk in München ebenfalls für einen Neustart vorbereitet wird.

1949: Erste Rennen auf dem Sachsenring bei Hohenstein-Ernstthal, auch aus den Westzonen geben 50 Fahrer Nennungen ab. Im ehemaligen Zwickauer Audi-Werk läuft die Produktion des Zweitakt-Vorkriegsmodells DKW F8 an, gefolgt vom größeren DKW-Modell F9. Beide mit den Auto-Union-Ringen auf dem Kühlergrill. Vermarktung als IFA-DKW. Schon 1947 startete im Westen in Ingolstadt die neu gegründete Auto Union GmbH, sodass es in den 1950er Jahren bauähnliche Zweitakter von IFA und DKW gab.

1951: Auf dem Brüsseler Salon feiert der BMW/EMW 340 aus Eisenach sein internationales Debüt. BMW München erzielt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einen Vergleich gegen den BMW-Eisenach-Importeur Auto Becker. Zwar dürfen die Eisenacher Vorkriegs-BMW weiter vertrieben werden, aber nicht mehr mit BMW Logo. Umbenennung des Eisenacher Motorenwerks in EMW.

1952: Am 5. Juni übergibt die Sowjetunion das Eisenacher Motorenwerk ins „Volkseigentum“ der DDR. Daraufhin wird die Produktion der IFA-DKW von Zwickau nach Eisenach verlegt.

1954: Ein Materialeinkäufer des Horch-Werks kehrt von einer Dienstreise in die Bundesrepublik nicht zurück. Er war mit 350.000 D-Mark unterwegs.

1955: Am 1. Mai wird der VEB Audi umbenannt in VEB Automobilwerke Zwickau.

1956: Aus dem IFA F9 geht die Zweitaktlimousine Wartburg 311 hervor. Debüt der Wartburg-Palette auf der Leipziger Frühjahrsmesse. Gleichzeitig wird das Luxusfahrzeug Sachsenring P240 präsentiert, zunächst noch mit Markenzeichen Horch. Produktion für Behörden.

1957: Zum 40. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution geht am 7.11. der erste Trabant (P50) in die Nullserie. Der Name wurde inspiriert durch den Start des sowjetischen Erdtrabanten Sputnik. Innovative Karosseriebeplankung des Trabant durch Duroplast-Kunststoff, dies allerdings um kostspieliges Stahlblech zu sparen. Die ersten Moskwitsch Limousinen werden aus der UDSSR importiert, da die DDR-Fahrzeugproduktion die Inlandsnachfrage nicht deckt. Die „Wartburg-Werbeschrift“ weckt Lust auf für DDR-Bürger erst 32 Jahre später realisierbare West-Touren: „Unser Reisetip für die Zukunft: Durch den Mont Blanc nach Mailand“.

1958: Bei einer Autoshow in New York/USA wird der Wartburg Sport als schönster europäischer Sportwagen ausgezeichnet, Auftakt für einen kurzzeitigen USA-Export. Großserienfertigung des Trabant P50. Lackierung in Pastelltönen, damit Transportschäden leichter behoben werden können.

1961: Der Verkehrspsychologe Karl Peglau erfindet die legendären Ampelmännchen, die neben der Nutzung zur Verkehrsregelung bis heute Kult sind. Auf Schloss Augustusburg öffnet mit Unterstützung durch MZ das weltweit erste Zweitakt-Motorrad-Museum. Der DDR-Automobilbau entscheidet sich gegen die Entwicklung moderner Viertaktmotoren, stattdessen für die Konzeption von Kreiskolbenmotoren. Eine entsprechende Wankel-Lizenz wird von NSU erworben.

1964: Das „Trampen“ (fahren per Anhalter) wird in verschiedenen Ostblockstaaten gefördert per staatlicher Versicherung. Im Juli beginnt die Serienfertigung des Trabant 601.

1966: Der neue Wartburg 353 absolviert in Kolumbien eine 10.000-Kilometer-Testfahrt, bevor er in Großserie geht.

1967: In der Bundesrepublik Deutschland werden trotz Modellwechsels nur 334 (Vorjahr: 123) neue Wartburg verkauft. Hinzu kommen lediglich 151 Trabant 601 (Vorjahr: 229). Zwei Jahre später werden alle Verträge mit westdeutschen Wartburg- und Trabant-Händlern gekündigt.

1968: Der neue VEB IFA-Vertrieb soll eine bessere Versorgung mit Fahrzeugen, Zubehör und Ersatzteilen ermöglichen. Die Wartezeiten auf Neuwagen betragen allerdings weiterhin bis zu 14 Jahre.

1969: Zum 20. Gründungstag der DDR präsentiert der Industrieverband Fahrzeugbau der DDR auf der Leipziger Messe seine Palette vom Klappfahrrad, über den Einbau-Dieselmotor, Motorräder, Pkw bis zum Sattelauflieger-Spezialfahrzeug. Als erstes Fahrzeug mit Wankelmotor wird der NSU Ro 80 auf der Leipziger Messe gezeigt – nachdem die DDR die eigene Wankelmotorentwicklung gerade aufgegeben hat.

1970: Der Irak wird wichtiger Abnehmer von MZ-Motorrädern. Bis Mitte der 1980er Jahre exportiert die DDR fast 150.000 MZ in den Irak.

1972: Reiseerleichterungen für Bundesbürger in die DDR und für DDR-Bürger, die in dringenden Familienangelegenheiten in den Westen reisen dürfen, regelt der binationale Verkehrsvertrag.

1976: Ab 1. März erhebt die DDR Straßenbenutzungsgebühren in Höhe von zehn DM für die Fahrt von Westberlin nach Ostberlin.

1977: Im August Vertrag über die Lieferung von 10.000 Golf in die DDR. Im letzten Quartal des Jahres finden in allen Betrieben, Gemeinden und Wohngebieten sogenannte Verkehrsteilnehmer-Schulungen statt. Anlass dafür ist die 1978 in Kraft tretende neue „Verordnung über das Verhalten im Straßenverkehr“ mit den in Westeuropa bereits üblichen Schildern für Stopp, Halte- und Parkverbote. Weiterhin gilt auf DDR-Straßen absolutes Alkoholverbot sowie ein Tempolimit von 90 (später 80) km/h auf Landstraßen und 100 km/h auf Autobahnen.

1985: In Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) sind die Städtischen Kunstsammlungen Publikumsmagnet, zeigen sie doch abgelehnte Entwürfe des Trabant-Designers Clauss Dietel, der den inzwischen 21 Jahre alten Trabi in frische Form bringen wollte. Ab Juni sendet das DDR-Fernsehen regelmäßig ein Verkehrsmagazin mit Tipps zur Pannenhilfe.

1988: Insgesamt 480.000 DDR-Bürger bestellen einen Neuwagen, aber nur 146.000 Autos können ausgeliefert werden. Das Durchschnittsalter des Pkw-Bestandes in der DDR beträgt 13 Jahre.

1989: Nach dem 9. November werden in Zeitungen auch kritische Leserbriefe veröffentlicht, wie „trauriges Fazit, dass es in der DDR keine Autokindersitze gibt“. Oder „Keine Ersatzteile für die Zündanlage des neuen Wartburg 1.3“, aber auch „Keine Werkstatt will unseren 30 Jahre alten Wartburg 311 warten“.

1990: Am 21. Mai läuft der 3.000.000ste Trabant vom Band, dies mit neuem VW-Viertaktmotor. Im letzten Sommer der DDR stehen sich auslieferungsbereite Trabant und Wartburg die Reifen platt. Unter den Top 15 der Erstzulassungscharts in den Monaten Juli/August findet sich als einzige Ost-Marke Lada. Die meisten Neuwagen stellt Opel, gefolgt von Ford und VW.

1991: Am 30. April rollt der letzte Trabi vom Band, nachdem bereits am 10. April der Wartburg symbolisch zu Grabe getragen worden war.

So glänzten Wartburg-Limousinen, Kombis (Typ Tourist) und Pickups (Typ Trans) nun noch mehr als bisher etwa im Scheinwerferlicht des mondänen Brüsseler Salons. Hier auf dem Weltausstellungsgelände unter dem Atomium feierte der belgische Generalimporteur Frans Pierreux 1988 sein 40-jähriges Importjubiläum von DDR-Fahrzeugen mit einer Garantieverlängerung auf drei Jahre oder 100.000 Kilometer auf alle Wartburg. Eine Gewährleistung, die ihm leicht fiel, waren doch in allen Benelux-Ländern Wartburg als Taxi im Einsatz und erreichten dabei problemlos Laufleistungen von über 250.000 Kilometern. Zwischen russischen Wolga (wurden zeitweise sogar in Belgien montiert) und Lada sowie rumänischen Dacia und polnischen FSO fügten sich die Zweitakter aus Thüringen und Sachsen gut ins sonst von westeuropäischen Modellen bestimmte Straßenbild.

Gleiches galt für die Skandinavier. Insbesondere die Finnen fühlten sich ohnehin geographisch und politisch als Mittler zwischen Ost und West. So war es keine Überraschung sogar auf Pisten jenseits des Polarkreises zwischen den vielen Saab- und Volvo-Modellen vereinzelt Fahrzeuge vom VEB Sachsenring oder Automobilwerk Eisenach zu finden.

Überhaupt genoss die Schlechtwegetauglichkeit von Trabi & Co in vielen Ländern großen Ruf. In Kolumbien etwa bewältigten die Wartburg nicht nur Kordillerenexpeditionen, sie wurden dort auch seit 1961 in kleinem Volumen verkauft und als halbfertige Schnelltransporter endmontiert. Wichtig war für die Ostdeutschen aber vor allem das Prestige der Produktpräsenz, zumal bisweilen im selben Schauraum Wolfsburger Volkswagen verkauft wurden. Dies galt auch für Argentinien (hier lieferten die DDR-Typen IFA F9 und Wartburg die Technik für Lizenzbauten), Ägypten, Südafrika, Sri Lanka oder für die Dauer von zwei Jahren sogar die USA. Ein traditionell entspanntes Verhältnis zu Fahrzeugen von jenseits des Eisernen Vorhangs besaßen die Briten. Hauptsache, die Kosten waren günstig. So wurden zwischen 1968 und 1976 immerhin 20.000 Wartburg Knight („Ritter“) mit Rechtslenkung verkauft. Danach begnügten sich Zweitakt-liebende Angelsachsen auch mit Linkslenker-Versionen.

Weniger wichtige automobile Handelspartner der DDR waren dagegen die südeuropäischen Länder, dennoch wurden auch dort vereinzelt Fahrzeuge verkauft. So wurde speziell für Griechenland eine eigene Strandwagenversion eines Wartburg-Prototypen geplant. Ganz anders natürlich in den Staaten des osteuropäischen Comecon-Wirtschaftsraums. Hierhin mussten trotz des Mangels auf dem Inlandsmarkt immer wieder Kontingente geliefert werden. Mit einem modernen VW-Motor etwa bevölkerten die Trabant der letzten Produktionsjahre vor allem ungarische Straßen, während die DDR-Bürger warteten und warteten. Nach der Maueröffnung waren die unendlichen Lieferzeiten allerdings sofort Geschichte. Westautos verdrängten die Ostfahrzeuge, weshalb die finale Trabi-Lieferung 1991 in die Türkei geschickt wurde. Von wo aus die Trabant drei Jahre später zurückkehrten: Das DDR-Volksauto war unverkäuflich geworden. Anders inzwischen in Deutschland. Hier hatte eine Ostalgiewelle den Trabi zum Kultobjekt gemacht, so dass Trabanten aus der Türkei das Doppelte des einstigen Neupreises erzielten. (sp-x)

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