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Bericht: Jaguar E-Type – Zeitlos schön

Wir schreiben das Jahr 1961. Auf dem Genfer Autosalon buhlen mehr als 1.000 Aussteller um die Gunst der Besucher, doch nur ein Hersteller schafft es, Menschentrauben um seinen Stand zu versammeln und diese mit einer Neuheit zu fesseln.

Und das zu Recht: Selbst Enzo Ferrari gestand, dass der am Jaguar-Stand zu bestaunende E-Type „das schönste Auto der Welt“ sei. Wir durften 55 Jahre danach die Design-Ikone bei der Sachsen Classic ausfahren – und können Enzo Ferrari nur vollends zustimmen!   Zwei Exemplare des E-Type Coupé hatten die Briten zur Premiere mit an den Lac Léman gebracht. Eins wurde am Stand ausgestellt, das andere fand seinen Einsatz für Demonstrationsfahrten auf einer Bergrennstrecke. Doch dieses Konzept ging nicht auf: Jeder wollte im Jaguar E-Type mitfahren, sodass der Firmengründer Sir William Lyons noch ein drittes Exemplar aus England einfliegen ließ. Norman Dewis, den damaligen Jaguar-Chef-Tester ereilte am frühen Abend die Nachricht, dass er ein Fahrzeug von Coventry nach Genf bringen sollte.

Wie die Schlacht am kalten Büffet

Ohne große Vorbereitungszeit fuhr Dewis in einem E-Type Roadster gegen 19:45 Uhr in Coventry los und erreichte gerade noch rechtzeitig die 22-Uhr-Fähre in Dover. Am Festland angekommen, fuhr der Testfahrer die ganze Nacht durchs nebelige Frankreich und erreichte Genf zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit. Doch Zeit zum Ausruhen blieb ihm nicht. Kurzerhand berief Sir William ihn als zweiten E-Type-Chauffeur für die zahlungswillige Kundschaft.  

Viele Beifahrer, die die Ausfahrt genossen hatten, waren sofort überzeugt. Vor allem, weil der Preis stimmte. Der sinnliche Flitzer kostete mit umgerechnet rund 25.000 Mark gerade einmal halb so viel wie ein Aston Martin DB4 oder ein Ferrari 250 GT. Und so gingen bereits nach den ersten Messe-Tagen gut 500 Bestellungen für den E-Type ein. Einen Monat später wurde der eilig nachts herbeigeschaffte Roadster schließlich offiziell in New York vorgestellt. Und schon eine halbe Stunde nach Eröffnung der Automesse waren auch in Manhattan bereits sechs Exemplare verkauft. Die Erfolgsgeschichte des wohl sinnlichsten Roadsters nahm ihren Lauf – und sie hält bis heute an!  

Schön wie eh und je

Fünfundfünfzig Jahre nach der Premiere dürfen wir es uns nun also im „Sexiest Car“ bequem machen. Im Jaguar E-Type Roadster von 1961 erobern wir bei der 14. Sachsen-Classic-Rallye eine automobilgeschichtlich relevante Gegend – schließlich liegen Audis Wurzeln bei Firma Horch in Zwickau. Doch auch wenn die Marke mit den vier Ringen sicher großartige Entwürfe auf die Straße gebracht hat – an die Eleganz des E-Types kommt keiner heran!  

Alleine der Anblick des britischen Roadsters lässt unser Herz höher schlagen: Die überlange Motorhaube, gefertigt aus zwölf Blechteilen und die stark gebogene Windschutzscheibe, gepaart mit einem wunderschönen Hinterteil, lassen den Klassiker auch heute noch zeitlos dastehen. Mehr noch: Würde heute ein Autobauer das Design neu auflegen, die Kunden wären mit Sicherheit ähnlich bestellfreudig wie damals in Genf.  

Doch der Jaguar ist nicht nur zeitlos schön, auch der Motor kann sich immer noch mit aktuellen Modellen messen. Unter der nicht enden wollenden Motorhaube werkelt ein Sechszylinder der aus 3,8 Litern Hubraum 265 PS bei 5.500 Umdrehungen rausholt. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h verdiente er sich damals, wie zuvor schon der Jaguar XK120/150, das Prädikat „schnellster Serienwagen der Welt“.

Der Zahn der Zeit

Wer schön Fahren will, muss aber auch ein wenig leiden. Der Einstieg in den Oldie nämlich wird erst einmal zur Herausforderung, vor allem für großgewachsene Fahrer, die sich irgendwie zwischen Sitz, Lenkrad und Schalthebel quetschen müssen. Eine scharfe Kante an der B-Säule nimmt sich außerdem gleich zwei Hosen vor und schlitzt sie etwas auf – ein Schaden, dem man dem E-Type beim Blick in seine tiefen Augen schnell verzeiht.

Ist man erstmal drin, sitzt man in den Schalen aber auch heute noch ausgesprochen bequem und der Beifahrer kann anders als der verkeilte Lenker sogar die Beine locker durchstrecken. Der Innenraum wirkt für damalige Zeiten sehr futuristisch: Licht, Scheibenwischer, Leselampen und Lüftung werden über robuste Kippschalter am Armaturenbrett bedient, das dünne Volant dagegen will besonders liebevoll behandelt werden, denn: Wo rohe Kräfte sinnlos walten, kann ein dünnes Holz-Lenkrad nicht halten.

Von Altersschwäche keine Spur

Hat sich der Fahrer erst einmal mit seiner beengten Situation arrangiert, steigt auch auf der linken Seite schnell wieder die Stimmung. Erst recht, wenn der Motor das erste Mal auffaucht: Schlüssel ins Zündschloss, auf den Startknopf gedrückt und schon erwacht der Sechszylinder zum Leben. Jetzt nur noch den Gang einlegen, die Kupplung kommen lassen, leicht aufs Gaspedal drücken und der Jaguar E-Type startet geschmeidig durch, als wäre er gerade erst vom Band gerollt.

Altersschwäche? Fehlanzeige! Der Motor schnurrt wie ein Kätzchen und das Fünfgang-Schaltgetriebe, das irgendwann die ursprünglich verbaute Viergang-Box ersetzt hat, lässt sich schön knackig durch die Gänge bewegen. Schnell ist der Roadster auf Tempo gebracht, mit 7,2 Sekunden war er damals angeben, um auf 100 km/h zu kommen. Das wird heute vielleicht etwas länger dauern, aber Power hat er immer noch genug. Das merkt vor allem das uns sicherheitshalber begleitende Rallye-Service-Fahrzeug: Der vollbeladene Land Rover Discovery hat an einigen Stellen mühe, dem flotten Roadster zu folgen.

Keine kalten Füße

Nicht ganz so stürmisch sollte man allerdings Kurven angehen: Dass der Fahrer nicht auf eine  Servounterstützung hoffen kann, ist klar, doch muss man auch bei höherem Tempo mit aller Kraft ins Lenkrad greifen, um Biegungen elegant zu umrunden und in engen Kehren nicht mit der langen Schnauze übers Ziel hinaus zu schießen. Ganz wichtig vor jeder Kurve: Frühzeitig bremsen. Zwar wurden die Stopper in unserem Exemplar schon einmal überarbeitet, doch arbeiten sie nicht wirklich besser als die Serienbremsen – sie machen nur nicht so viel Lärm wie die Werksausstattung.

Apropos Werksausstattung: Serienmäßig an Bord hat der Jaguar E-Type eine wunderbare Heizung. Motor und Getriebe strahlen nämlich soviel Hitze ab, dass kaum jemand mit kalten Füßen aussteigen wird. Der Jag ist eben in jeder Hinsicht ein wahrhaft heißes Auto. Auch 55 Jahre nach der Enthüllung steht der Jaguar E-Type Roadster noch taufrisch da: Er ist zeitlos schön und unglaublich elegant, und bis heute konnte ihm kein anderes Auto wirklich das Wasser reichen. Und auch die Technik zeigt sich, die richtige Pflege vorausgesetzt, immer noch in einem hervorragenden Zustand, sodass man heute noch genau soviel Spaß mit dem Jag haben kann wie in den 60ern. Das Vergnügen ist allerdings  nicht ganz günstig: Gut erhaltene Modelle haben die 100.000 Euro-Marke bereits geknackt. Und der Preis dürfte in Zukunft noch weiter ansteigen!

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