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BMW will noch mindestens 30 Jahre am Verbrenner festhalten

Realist oder Realitätsverweigerer? Die Meinungen zu einem Interview mit BMW Entwicklungschef Klaus Fröhlich gehen klar auseinander. Was er gesagt hat, wie er die Zukunft von Benzin, Diesel, Hybrid und Elektro bei BMW sieht – eine Einschätzung.

Elektromobilität ist ein Thema, an dem sich bereits viele Experten die Finger verbrannt haben. Zu breitgefächert ist das Gebiet, zu unterschiedlich, ja kontrovers, die Meinungen. Im Laufe des Jahres 2019 hat sich auch BMW Entwicklungschef Klaus Fröhlich dazu hinreißen lassen, mit Automotive News Europe über die nahe und entfernte Zukunft von BMW zu sprechen. Diese fassten alle Gespräche nun in einem Interview zusammen. Kurz umrissen könnte man festhalten, dass in den kommenden Jahren in Sachen E-Mobilität von BMW nur sehr wenige (eigene) Entwicklungssprünge zu erwarten sind.

Vorerst keine neue E-Auto-Plattform

So ging BMW 2010 bei der Entwicklung seiner 2015 debütierenden CLAR-Fahrzeugplattform davon aus, dass die Energiedichte von Batterien bis zum Ende des Jahrzehnts um den Faktor 2,5 zunehmen werde. Laut Aussage Fröhlichs wird 2020 allerdings bereits der Faktor 2,7 erreicht. Das bedeutet, die Münchner müssen ihre Plattform nachkorrigieren und upgraden. Für die Kunden hat dies den Vorteil, dass sie bei zukünftigen Hybrid-Modellen ab der 3er Serie aufwärts mit mehr Reichweite bis zu 120 Kilometer rechnen können. Gleichzeitig lassen die Änderungen bei der Batterie aber auch größere Kraftstofftanks zu. Ein Schelm wer Böses denkt. Zudem wird BMW auf absehbare Zeit auf eine neue E-Auto-Plattform verzichten. Der BMW i4 wird laut Aussage Fröhlichs lediglich ein batteriebetriebener 3er sein, basiert also auf einer überarbeiteten CLAR-Plattform.

Für Fröhlich ist der Siegeszug des E-Autos keine Gewissheit

Damit ist klar: BMW investiert vorläufig weiterhin ein Gros seiner Entwicklungsbudget in Plug-in-Hybride und hält den weltweiten Durchbruch des Elektroautos für ungewiss. Begründungen dafür liefert der BMW Entwicklungschef ebenfalls: Neben den insgesamt höheren Kosten gebe es weiterhin viele Regionen in der Welt, die nicht am Elektroauto interessiert sind oder schlichtweg nicht über die nötige Infrastruktur verfügen. So sind aus derzeitiger Sicht des Managers vor allem wir Europäer und die Nordamerikaner nicht vom E-Antrieb überzeugt – in Teilen der USA rechnet Fröhlich erst gar nicht mit einer Mobilitätswende. Ob er dabei außer Acht lässt, dass gerade in Europa viele Länder bereits ein Neuzulassungsverbot von Verbrennungsmotoren planen und einige Städte wie London ein generelles Durchfahrtsverbot von Benzin- und Dieselfahrzeugen erwirken wollen?

Vier- und Sechszylinder Benziner bis 2050

Anders als Volkswagen, die nach 2040 generell keinen Verbrenner mehr verkaufen wollen, plant BMW bis dahin lediglich den Ausstieg aus dem Dieselantrieb. Vier- und Sechszylinder Benziner sollen dagegen noch bis mindestens 2050 angeboten werden. Was in Anbetracht der zukünftigen CO2-Ziele zunächst wenig einleuchtend klingt, wird zumindest aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar, wenn man nach China blickt. Dieses Jahr enden dort die großen Subventionspakete der chinesischen Regierung, der Fördertopf für Elektroautos wird um bis zu 75 Prozent zusammengestrichen, man setzt dagegen verstärkt auf Methanol (aus chinesischer Kohlekraft). Was bleibt ist die New Energy Vehicles Quote, die vorsieht, dass Hersteller ab diesem Jahr 12 und bis 2025 schrittweise mindestens 20 Prozent ihrer Autos mit Hybrid- oder Elektroantrieb auf die chinesischen Straßen bringen müssen. Zuletzt gab es Meldungen, wonach die Quote 2025 sogar auf bis zu 25 Prozent ansteigen könnte.

China bleibt eine Unbekannte

Doch genau für diese Vorgaben sieht sich BMW vor allem durch seine Hybride, wenige E-Autos und die Investition in die Brennstoffzelle (zusammen mit Toyota) gerüstet. Klaus Fröhlich geht zudem davon aus, dass die vollständige Elektrifizierung in China zunächst die Küstenstädte im Osten betreffen werde, in westlichen Landesteilen aber kaum die nötige Infrastruktur bereitsteht. Gleiches gilt auch in anderen Teilen der Welt. Zwar werde derzeit von Energie- und Mineralölfirmen stark in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investiert, aber eher punktuell und nicht überall. Ebenfalls verhalten sieht Fröhlich den eigentlichen Ladevorgang beim Elektroauto, wobei er empfiehlt ein batteriebetriebenes Fahrzeug nur jedes 20. Mal an einen Schnelllader zu hängen. Alles andere würde die Lebensdauer der Batterien zu stark schmälern. Ganz offensichtlich haben die Bayern die Befürchtung, durch übermäßiges Schnellladen, die Batterien ihrer Fahrzeuge auf Garantie bereits nach zwei bis drei Jahren tauschen zu müssen.

Die E-Auto-Realität der anderen (Tesla)

Eine mitunter gewagte Aussage eines Entwicklungschefs, schaut man im Vergleich auf den E-Auto-Pionier Tesla. Die Amerikaner werden noch im ersten Quartal 2020 ihr 1 Millionstes Elektroauto ausliefern und sehen wenig Gründe, weshalb man sein Elektroauto nicht häufiger an einer Schnellladesäule laden sollte. So gibt Tesla auf der deutschen Unternehmenswebseite an, dass sich durch oftmaliges Schnellladen die eigentliche Laderate nur „geringfügig“ verringern kann. Zuletzt tönte Tesla CEO Elon Musk sogar, dass die neueste Batteriegeneration gut ist für eine Lebensdauer von 1,6 Millionen Kilometer. Doch selbst ältere Tesla Model S erreichen mit dem ersten Stromspeicher (und in Abhängigkeit des persönlichen Umgangs mit der Batterie) bereits 400.000 Kilometer und mehr.

Beteiligung an Ionity wirkt unfreiwillig

Ferner gibt der Manager zu Protokoll, dass nur sehr wenige der bisher rund 500.000 elektrifizierten Fahrzeuge von BMW an öffentlichen Ladepunkten geladen werden. Dass Besitzer von überwiegend Hybrid-Fahrzeugen diese eher unregelmäßig laden, und wenn überhaupt an Ladepunkten in der eigenen Garage oder der Arbeitsstätte, liegt dabei in der Natur der Sache. Ein BMW i3 (als einziges reines Elektroauto der Münchner) ist zudem kein ausgemachtes Langstreckenfahrzeug. Gleichzeitig stellt Fröhlich mit dieser Aussage das Engagement von BMW beim Ladeinfrastrukturanbieter Ionity in Frage. Neben den Münchnern beteiligen sich am Ionity Joint-Venture auch Daimler, Volkswagen mit Audi und Porsche, Ford, Hyundai-Kia sowie Shell.

Kommt am Ende doch der Wasserstoff?

Unterm Strich hinterlässt das zusammengetragene Interview mit BMW Entwicklungschef Klaus Fröhlich nur wenig Gewissheiten. Neben dem gesicherten Entfall des 1,5 Liter Dreizylinder-Diesel sowie des Top-Diesel M50d entsteht der Eindruck, die nahe Zukunft bei BMW ist vor allem durch Kontinuität geprägt. Selbst die nahende Abkehr von den mächtigten V12-Benzinern wird, allen voran durch den noch notwendigen Einsatz bei Rolls-Royce, mit „möglicherweise“ in Zweifel gezogen oder zumindest nach hinten verschoben. Fans der Marke BMW werden insgesamt wohl noch länger Freude am Fahren durch Verbrennungsmotoren erleben. Befürworter der sehr frühen E-Mobilität bei BMW dürften allerdings enttäuscht sein, dass nach i3 und i8 nur sehr wenig wirklich Neues passiert. Mit teils zu leichtfertig getroffenen Äußerungen zur Batterietechnologie, unabhängig davon wie umweltfreundlich oder sinnvoll dieses Antriebskonzept wirklich sein mag, gräbt Fröhlich zudem die ideologischen Gräben zwischen Verbrenner- und Elektrofraktion noch tiefer. Am Ende hält er sich allerdings eine Hintertür offen. So könnte für ihn die Batterietechnik ab 2025 die geeignetste Lösung für den Betrieb von Pkws sein. Ob wir dann auch die Renaissance des Wasserstoff-Antriebes bei BMW erleben, bleibt abzuwarten. Mit Toyota hat man hier immerhin einen sehr starken Partner an der Hand. (Quelle: Original Interview | Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)

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