Alfa Romeo hat ein Problem. Die Italiener bauen zwar ziemlich ansehnliche Autos, aber verkaufen lassen sie sich eher schwer. Das liegt zum einen an einer selbstbewussten Bepreisung (die Giulia startet aktuell ab 54.250 Euro), aber irgendwie auch an anderen, eher hausgemachten Faktoren. So war jüngst in der Onlineausgabe der F.A.Z. zu lesen (Artikel hinter Bezahlschranke), dass ein ziemlich günstiges Leasingangebot für die Giulia alle Absatzerwartungen beim Hersteller förmlich sprengte. Die Konsequenz: Zu viele Kundinnen und Kunden auf einmal wollten eine der günstigen Alfa Romeo Limousinen haben, bereits durchgewunkene Leasingverträge wurden sang und klanglos storniert, die potenziellen Interessenten gingen bzw. gehen leer aus.
Mit kompakten SUVs zurück in die Gewinnzone
In Zukunft, das Prophezeit Marken-CEO Jean-Philippe Imparato immer wieder, soll dagegen alles besser werden. Man werde Alfa Romeo wieder rentabel machen, eine elektrische Modelloffensive präsentieren und so ziemlich alles in den Schatten stellen, was bisher einen „Scudetto“, also den markentypischen Kühlergrill, trug. Den Anfang in Richtung einer Null-Emissions-Zukunft bei Alfa Romeo ab 2027 wurde bereits im letzten Jahr gemacht. Damals kam der neue Tonale auf den Markt, der sich seither (bis einschließlich Februar 2023) immerhin schon 1.524 Mal in Deutschland verkaufen ließ. Allerdings hat es der Einsteiger-Alfa bislang nicht geschafft, die markentypischen Emotionen beim Fahren zu wecken. Sowohl der mild elektrifizierte Benziner als auch der PHEV erzielten bei AutoScout24-Tests eher durchwachsene Ergebnisse. In nächster Zeit werden wir hier noch einmal genauer auf die dritte mögliche Antriebsvariante des Tonale eingehen, den althergebrachten Diesel, der nurmehr ein Schattendasein fristet.
Abgesehen vom Alfa Romeo Tonale, der aufgrund seiner veralteten SCCS-Plattform (Fiat Grande Punto ab 2005) wohl nur sehr kurz unter uns weilen wird, erwartet den geneigten Alfisti in den nächsten Jahren zahlreiche neue Modelle. Zum einen steht schon länger das Projekt „Brennero“ in den Startlöchern, wobei das Kompakt-SUV im Handel nicht vor Ende 2024 zu erwarten ist. Auch dürfte es weiterhin auf der bekannten CMP-Plattform (Jeep Avenger, Opel Mokka etc.) stehen, da der Wechsel, hin zur neuen STLA-Small-Plattform, erst ab 2025/2026 vorgesehen ist. Gebaut wird das kleine Alfa-SUV, das in etwa den Kundenkreis des ehemaligen MiTo ansprechen soll, voraussichtlich im polnischen Stellantis-Werk in Tychy.
Dort soll wohl auch der neue Fiat 600 auf gleicher Basis vom Band rollen. Obschon es sich bei Tonale und später auch beim Brennero um zwei Modelle handelt die Alfa Romeo vor allem zu wirtschaftlicher Stärke zurückführen sollen, das Herz der Markenfans sollen andere Fahrzeuge erobern. Zum Beispiel die Nachfolgermodelle von Giulia und Stelvio. Beide haben sich, auch in Ermangelung an Alternativen, zum Kern der Marke entwickelt und werden, nach ihren jeweiligen Facelifts Anfang 2023 (hier im ersten Test) wohl spätestens ab 2026 nur noch rein elektrisch zu haben sein.
Teilt sich die Alfa Romeo Giulia EV die Basis mit dem kommenden Dodge Charger?
Die technische Basis liefern die größeren STLA-Plattformen medium und large, die ebenfalls durch die Bank von anderen Stellantis-Konzernmarken, hier aber vor alle auch den amerikanischen Herstellern, genutzt werden. Weshalb wir diese explizit erwähnen, liegt an Dodge. Denn die berühmten Höllenhunde aus Auburn Hills, Michigan, haben 2022 mit dem potenziellen Nachfolger des Dodge Charger als EV-Variante wohl auch die neue Alfa Romeo Giulia EV – zumindest antriebstechnisch – vorweggenommen (Fahrzeuge stehen noch nicht zum Verkauf, Homologationen ausstehend)².
Je nach Modellvariante soll der Dodge mit 400- oder 800-Volt-Systemen ausgerüstet sein, die Leistung soll von 340 kW/462 PS bis hin zu 980 kW/1.320 PS reichen. Die Giulia wiederum könnte etwas schwächer bereits ab 250 kW/340 PS starten und laut einem Bericht des britischen Autocar-Magazins unter Berufung auf Alfa-Boss Imparato als Quadrifoglio eine Maximalleistung um 1.000 PS erzielen. Damit wäre die schnittige Italienerin bei ihrem voraussichtlichen Debüt 2025 nahezu doppelt so stark wie die derzeitige Sportversion. Ein Allradantrieb gilt bei der Kleeblatt-Variante als gesetzt, womöglich werden bis zu drei Elektromotoren für Vortrieb sorgen.
Afa Romeo plant Konkurrenten zu Mercedes EQS und BMW X5
Interessant ist in diesem Bezug auch, dass sich die neue Alfa Romeo Giulia technisch offenbar nicht die Basis mit dem 2022 erschienenen Maserati GranTurismo teilt. Wenngleich das Maserati-Coupé ebenfalls als vollelektrisches Batteriemodell zu haben ist, basiert es doch auf einer eigenen Plattform, außerhalb der STLA-Grenzen. Das liegt auch daran, da Maserati für die weiterhin vorhandenen Verbrenner-Modelle auf den eigens entwickelten Nettuno-V6 setzt. Wir werden also voraussichtlich mit der Giulia, aber auch mit dem nächsten Stelvio, der auf der gleichen Basis aufsetzt, keinen Abklatsch bisher bekannter Maserati-Modelle erleben.
Doch Alfa Romeo plant im wahrsten Sinne noch größeres. Es soll ein neuen Flaggschiff-Modell aufgelegt werden, ein direkter Konkurrent zu Limousinen wie dem Mercedes EQS oder dem Lucid Air. Name und Markteinführung sind noch unbekannt, vor 2027 sollte man allerdings kaum auf ein Debüt hoffen. Erwartbar dürfte in diesem Zuge auch ein großes SUV mit bis zu sieben Sitzen sein. Als Mitbewerber könnte der BMW X5 oder gar X7 gehandelt werden. Anders als diese beiden neuen Fahrzeugkategorien soll der restliche Fahrplan für Alfa Romeo mit der Stellantis-Spitze bereits abgestimmt und freigegeben sein.
Alfa Romeo 6C debütiert voraussichtlich noch im Frühjahr 2023
Am Ende noch ein Ausblick auf den neuen und stark limitierten Sportwagen Alfa Romeo 6C, über den es beinahe mehr Gerüchte als Fakten zu erzählen gibt. Ein neues Gerücht streute Jean-Philippe Imparato im Zuge des Interviews mit der britischen Autocar selbst: Nahezu alle Einheiten des Supersportlers seien bereits verkauft. Noch bevor das finale Fahrzeug von Alfa Romeo überhaupt gezeigt wurde! Die Vorstellung des Mittelmotor-Sportlers mit dem V6 aus der Giulia Quadrifoglio, so viel scheint zumindest gesichert, ist für April oder Mai 2023 geplant. Dann wird sich auch zeigen, inwieweit der 6C dem Maserati MC20 ähnelt. (Text: tv | Bilder: Hersteller)