Seit einiger Zeit trägt Volkswagen das grüne Mäntelchen, will Vorreiter einer ganzen Branche werden und startet Ende des Jahres seine Elektroauto-Offensive mit den ersten ID-Modellen. Nun haben die Wolfsburger, im Rahmen eines internationalen Normierungsverfahrens, aber zunächst die Klimabilanz eines e-Golf über den gesamten Lebensweg (LCA oder Life Cylce Assessment) aufgearbeitet. Die Daten sind für das Jahr 2017 und sollen verdeutlichen, dass ein strombetriebenes Fahrzeug bereits heute sauberer ist, als ein vergleichbares Auto mit einem Verbrennungsmotor. Als Grundlage dienen VW der EU-Strommix von 2017, eine angenommene Fahrzeug-Lebensdauer von 200.000 Kilometer und viele bunte Grafiken.
Ein Auto in der Lebenszyklus-Bewertung
Sie erlauben es, dass der e-Golf auf dem Papier und unter Berücksichtigung all seiner Lebensphasen (Herstellung, Nutzung und Verwertung), rund 119 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt. Ein Golf TDI kommt nach Rechnung von VW auf mindestens 140 Gramm pro Kilometer. Steigt man tiefer in die Materie ein so wird schnell deutlich, dass auch die Wolfsburger keinen Hehl aus der Tatsache machen, dass die Produktion eines Elektroautos extrem Energieaufwändig ist (und auch bleiben wird). So entfallen rund 57 der 119 Gramm CO2/km auf die Herstellung des e-Golfs, die TDI Variante fährt hier mit lediglich 29 Gramm klar vorweg. Noch detaillierter betrachtet sind mehr als 43% der Produktionsemissionen beim e-Golf auf die Batterieherstellung zurückzuführen.
Es kommt auf den Strommix an
Gleichzeitig offenbart die penibel ausstaffierte Klimabilanz von Volkswagen auch, dass sich der Konzern zunehmend in lokaler Zahlenschieberei verliert. Zunächst und gemessen an den VW-Daten erscheint es so, dass Elektroautos unter bestimmten Bedingungen diesel- und benzinbetriebenen Fahrzeugen beim CO2-Ausstoß überlegen sind. Die lokalen und globalen Schwankungen sind allerdings erheblich! Zur Verdeutlichung ein Auszug aus einer VW-Infografik, die zeigt, wie unterschiedlich die Klimabilanz des E-Auto und im speziellen des e-Golf aufgrund des Strommixes der Länder ausfallen kann:
- Strommix EU28: 62 Gramm CO2 / Kilometer
- Strommix Deutschland: 85 Gramm CO2 / Kilometer
- Strommix USA: 85 Gramm CO2 / Kilometer
- Strommix China: 126 Gramm CO2 / Kilometer
e-Golf liegt gleichauf mit dem Diesel
Der e-Golf fährt also mit 119 Gramm CO2/km vor, da für die Herstellung immerwährend 57 Gramm und für den EU28-Strommix 62 Gramm angesetzt wurden. Ersetzt man nun jenen Energiewert durch den in Deutschland (85 Gramm), ergibt sich bereits ein Papier-Gleichstand zum Golf TDI. Noch deutlicher werden die Unterschiede mit Blick auf China (126 Gramm). So hat ein e-Golf im Reich der Mitte, gesamtheitlich betrachtet (183 Gramm), kaum die Möglichkeit sauberer zu fahren als ein Diesel. Sogar ein Golf mit Benzinantrieb (gesamt 172 Gramm) hat hier noch die Nase vorne. Da auch Volkswagen keine CO2-Ländergrenzen ziehen kann, wir derzeit nur auf einem Planeten wohnen und auch nur ein Weltklima haben, das wir retten können, lautet die wichtigste Zahl aus der VW-Pressemitteilung folglich 148.
Desaströse CO2-Bilanz in China
Es ist jene Zahl, die sich ergibt, zieht man den Mittelwert aus den CO2-Profilen der jeweiligen Strommixe in China, den USA und Europa, bezogen auf die Angaben von Volkswagen. Wobei hinzugefügt werden muss, dass VW nur die 28 Mitgliedsstaaten der EU berücksichtigt. Andere Länder Europas mit hohem Anteil an fossiler Energiegewinnung, wie die Türkei, die Ukraine oder Weißrussland, sind in dieser Aufstellung nicht enthalten. Kurz und knapp: Im globalen Durchschnitt und unter Verwendung der Daten von Volkswagen, ergibt sich über den gesamten Lebenszyklus eines e-Golf mit Stand 2017 eine CO2-Emission von mindestens 148 Gramm pro gefahrenen Kilometer. Lokal kann sich dieser Wert zwar verbessern, er kann aber auch deutlich überboten werden. Etwa wenn ausschließlich Braunkohle zur Energiegewinnung verwendet wird. Pauschal zu behaupten, dass ein Elektrofahrzeug schon heute eine bessere CO2-Bilanz aufweist als ein Verbrenner ist daher schlichtweg irreführend. Noch dazu, weil hier nur ein bestimmtes Modell einer Fahrzeugklasse betrachtet wurde.
Wenig Nutzen für das Weltklima
Übrigens wurde in der VW Klimabilanz des e-Golf nicht berücksichtigt, welche Unterschiede es beim Verkehrsaufkommen, beispielsweise zwischen der EU und China gibt. Es kann sich jeder selbst ausmalen was es bedeutet, wenn bei dem derzeitigen Energiemix in China mehrere Millionen reine Elektrofahrzeuge betrieben werden und wie viel es dem Weltklima hilft, mit unserem Strom E-Autos zu laden. Volkswagen bleibt in seiner eigens erstellen Klimabilanz aber auch wichtige Informationen schuldig. Es fehlen realistisch ermittelte Angaben zum Kilowattverbrauch des e-Golf, auf welchen TDI-Motor sich bezogen wird und wie man überhaupt beim Diesel auf 100 Gramm CO2/km kommt. So ist der aktuell sparsamste 1,6 TDI den man hierzulande im Golf bestellen kann, bereits mit mindestens 109 Gramm CO2/km angegeben. Leichte Verschiebungen zu Gunsten der Strommobile sind daher nicht ausgeschlossen.
Epilog
Mit Blick auf die Einleitung dieses Artikels möchten wir zum Schluss noch einmal die (weiter unten verlinkte) ifo-Studie erwähnen. Man möge sich an der speziellen Fahrzeugauswahl und der Werteermittlung anhand eines veralteten NEFZ-Zyklus stoßen. Nicht aber an der Quintessenz dessen, was die Wissenschaftler um den Ökonom Hans-Werner Sinn zu berichten wissen. Im Kern geht es darum, dass man offen für andere Technologien bleibt, den Verbrenner nicht zu hundert Prozent abschreibt und sich vor allem Gedanken darüber macht, wo denn die Energie für all die Fahrzeuge, nicht nur in Deutschland, herkommen soll.
Sind die Angaben von Volkswagen nun Wahrheit oder Schönfärberei? Ja und nein. Wahrheit, da Volkswagen nicht verschleiert, wie dreckig auch heute noch ein Strommix sein kann. Schönfärberei, da aktuell 119 Gramm CO2/km beim e-Golf nur sehr lokal begrenzt möglich sind. (Autor: Thomas Vogelhuber)