Ende der 1980er-Jahre begann so etwas wie das automobile Wettrüsten, vor allem zwischen BMW und Mercedes-Benz. Mit Hubräumen und Zylindern wurde kaum gegeizt und als die Münchner im 7er E32 ihren ersten Nachkriegs-Zwölfzylinder brachten, war man in Untertürkheim höchst alarmiert. In der neuen S-Klasse W140 wurde kurzzeitig sogar an einem 18-Zylinder getüftelt, der genauso verworfen wurde wie das 16-Zylinder-Projekt „Goldfisch“ bei BMW.
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Hubraum war durch nichts zu ersetzen
Realisiert wurde hingegen ein ganz besonderer W124, der ursprünglich auf dem legendären 500 E aufbaut. Jenem Geschoss, dass Anfang der 1990er die Dominanz der sportiven Bayern mit einem monumentalen 5,0-Liter-Sauger-V8 auf die Probe stellen sollte. So etwas hubraumgewaltiges gab es im damaligen 5er E34 nicht zu kaufen und auch der ab 1992 eingeführte 4,0-Liter-V8 reichte im Rennen um Prestige und Anerkennung kaum an den Daimler heran. Damit der Achtzylinder aus dem damaligen SL überhaupt in die W124-Karosserie passte, verpflichtete man Porsche die Neukonstruktion von Karosserie und Fahrwerk vorzunehmen und das Fahrzeug schlussendlich auch zu produzieren.
Made by Porsche, engineered by AMG
Für noch mehr Abstand zum Konkurrenzumfeld sorgten derweil findige AMG-Ingenieure in Affalterbach. Sie verpassten „M 119 E 50“ nachträglich geänderte Zylinderköpfe bei 5.956 Kubikzentimeter Hubraum und eine Endleistung von 380 PS. Lediglich 148 Stück dieses Autobahn-Renners sollen je gebaut worden sein, wobei Mercedes das zusätzliche Motorentuning als Code 957 in die Optionsliste hat einfließen lassen. Ab 1993 konnte man das 6,0-Liter-Triebwerk direkt bei der 500 E-Bestellung mitordern, davor (ab 1. Oktober 1990) wurde der Motor im Anschluss an die Neuwagenbestellung gekauft und zu einem späteren Zeitpunkt bei AMG in das Bestandsfahrzeug verpflanzt.
Gepflegtes Auto, gepflegte Vergangenheit
So geschehen auch beim hier gezeigten 500 E, der vom ehemaligen Bizerba-Waagen Firmenchef bereits am 2. Oktober 1990 bestellt wurde. Unter anderem in blauschwarz-metallic lackiert, mit R129-Stoff "sportiv 9 a 80 schwarz" ausgestattet und mit einer Standheizung sowie einem Aktiv-Lautsprecher-System ausgerüstet, erhielt der Wagen am 24. Juni 1991 erstmals eine Zulassung. Schon am 10. September folgte dann die Bestellung des 6,0-Liter-Motors bei AMG, wobei die tiefgreifenden Änderungen für 38.138,76 D-Mark am 17. November 1992 in den Fahrzeugpapieren eingetragen wurden.
Es folgte eine Besitzumschreibung und zwei Halterwechsel, die dem Mercedes-AMG in den Jahren kaum geschadet haben. Lediglich 108.880 Kilometer weist der Tacho heute aus und entsprechend ambitioniert sind auch die Erlöse, die bei der Auktion am 2. Juli 2022 in Vösendorf erzielt werden sollen. Man rechnet mit 120.000 bis 160.000 Euro für den gemeinhin als „der Hammer“ bekannten Über-Benz. Weitere Details gibt es auf der offiziellen Seite des Dorotheums. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Dorotheum)