Die dicken SUV-Stromer von Mercedes, Jaguar oder Audi sind sündhaft teuer und beanspruchen mehr Platz als nötig auf unseren überfüllten Straßen. Die Teslas sind auch nicht gerade ein Schnäppchen und ebenfalls von meist ausladender Natur. Die elektrische Zukunft, sie gehört aber vor allem den stadtgerechten Elektroautos. Und wer anderes als der Mini mit seinen Vernunftmaßen ist dafür besser geeignet. Umso mehr verwundert es, dass die Strategen der britischen BMW-Tochterfirma wohl unter jahrelangem Blackout litten und das City-Original erst jetzt unter Strom setzen.
Mini bleibt seiner Form treu
In der Hafenstadt Rotterdam fielen jetzt die Hüllen des Mini Cooper SE, dessen künftige Fahrer die „Tanke“ nur noch anlaufen, wenn Sonntagabend der Kühlschrank leer oder das Katzenfutter alle ist. Kein Aha-Effekt, kein langgezogenes „Ohhh“ der Premierengäste. Wer für das lokal emissionsfreie Kultmobil eine futuristische Form erwartet hatte, war auf der falschen Party. Der Elektro-Mini sieht aus wie jede andere Limousine nach Art des Hauses. Getreu dem Motto: „Ein Mini ist ein Mini und damit Basta“. Alles andere hätte wohl selbst die „grüne“ Fraktion unter den Minimalisten nicht akzeptiert. Überraschend war eher die Konsequenz, mit dem die Designer der Ikonen-Form treu blieben.
Höhergelegter Kleinwagen
Denn die optischen Unterschiede sind mit bloßem Auge kaum erkennbar. Weil die Batterie-Zellen dort untergebracht wurden, wo bei den Spritverbrennern Auspuffanlage und Tank montiert sind, wurde der Platz unterm Kiel knapp. Denn die in T-Form angeordneten Kraftspender wurden nicht nur wie üblich liegend, sondern eben auch aufrecht montiert. Damit das Gesamtkunstwerk nicht zu dicht über dem Boden schrammt, wurde der Mini Cooper mit dem Zusatz SE um gut 1,5 Zentimeter höhergelegt. Um das vertraute Bild dennoch nicht anzukratzen, trägt er leicht veränderte Karosserieteile an Bug und Heck sowie rund um die Radkästen. Die sympathische Mogelei der Designer fällt bis auf die Vollverkleidung des nicht mehr benötigten Kühlergrills wirklich nicht weiter auf.
Technikspender BMW i3
Die Technik stammt weitgehend von der Münchner Mutterfirma, genau gesagt vom BMW i3 und ist nach Tausenden von gebauten Exemplaren ausgereift. Der Akku hat eine Bruttokapazität von rund 32,6 kWh und wird durch eine Flüssigkühlung vor dem Hitzeschock geschützt. Während der i3 auf Heckantrieb setzt, schickt der fast baugleiche Mini-Motor seine 135 kW/184 PS an die Vorderräder. Um die mit 270 Newtonmetern sofort voll verfügbare Durchzugskraft auch auf die Straße zu bringen, haben die Engländer eine neue elektronische Hilfe entwickelt, die zum Beispiel beim Beschleunigen die Motorkraft in Bruchteilen von Sekunden so regelt, dass ein Durchdrehen der Antriebsräder verhindert wird. Reichweite (unter besten Bedingungen maximal 270 NEFZ-Kilometer) und Ladezeiten sind auf dem Niveau des zweieiigen Zwillings. Etwas mehr als eine halbe Stunde an der 50 kW-Säule und der Akku des Cooper SE soll wieder zu 80 Prozent geladen sein.
Mini Cooper SE bremst in zwei Stufen
Ein Unterschied zum i3: Beim Mini kann der Fahrer entscheiden, wie er die beim Bremsen und Verzögern entstehende Energie zurück in die Batterie leitet. Die sanfte Art lässt den Kleinen beim Gaswegnehmen gemächlich rollen, bis er schließlich zum Stillstand abgebremst wird. Wer es hingegen eher heftig mag, wählt Modus Zwei. Lupft man dann den Gasfuss wirkt mit Schmackes eine Art Motorbremse, die den Briten gleichsam an die Kette legt und zum Halten bringt. Im Alltagsbetrieb kann der Fahrer bei einiger Übung und unterschiedlichen Dosierungen des Gaspedaldrucks auf die reguläre Bremse weitgehend verzichten. Welchen „Rekuperations-Typ“ zukünftige Mini-Stromer für sich selbst entdecken, sollten sie auf Testrunden sorgsam herausfinden.
Erster E-Mini mit monströser Batterie
Das Bremsen fast ohne Bremse war bereits ein Merkmal des ersten Versuchs, den Mini auf Strom umzustellen. Vor elf Jahren rollten Versuchsmodelle, ebenfalls mit BMW-i3-Technik über die Straßen. Deren Akku war aber so voluminös, dass er an Stelle der Rücksitze montiert werden musste. Und eine zweisitzige Mini-Limousine wollte verständlicherweise keiner haben. Also wanderten die 600 gebauten E-Minis entweder in die Schrottpresse, in diverse Mini-Museen oder in die Firmenkeller. An Privatleute wurde der Mini E nicht verkauft.
Ziemlich teuer
Die können allerdings jetzt zuschlagen – so denn sie denn wollen. Die Basisversion wird nämlich nicht weniger als 32.500 Euro kosten und kann dann wie üblich durch die Wahl verschiedener Ausstattungsvarianten verfeinert beziehungsweise vehement verteuert werden. Auch der SE bietet eine Fülle an Assistenzsystemen, stufenweise Aufwertung des Innenraums und der Farbgebung. Aber immerhin werden sich bekennende Fans der Ikone heimisch fühlen. Denn das Ambiente und die Bedienung entsprechen dem Gewohnten aus dem Schwestermodell Mini Cooper S, dem klassischen Verbrenner für Traditionalisten. Beherrschend natürlich das große runde Zentralinstrument im Zentrum. Es zeigt den Monitor fürs Navi und vieles mehr. Neu im Elektro-Debütant: Direkt hinter dem Lenkradkranz ist ein 5,5-Zoll-Display, auf dem Geschwindigkeit und Ladezustand ins Blickfeld gerückt werden.
Erstmals ab Januar 2020 bei den Kunden
Die ersten vollelektrischen Minis (den Mini Countyman mit Plug-In-Hybrid gibt es bekanntlich schon länger) sollen ab Januar zum Kunden rollen. Die Erstkäufer können dann schon mal testen, wie sich die europäische Winterkälte auf die Reichweite auswirkt. Denn selbst eine angesagte Stilikone kann sich äußeren Einflüssen nicht entziehen. (Autoren: pm/sp-x, tv | Bilder: Hersteller)