Um Lastwagen elektrisch zu betreiben, sind batterieelektrische Antriebe keine wirklich überzeugende Lösung, da diese Technik nach gewaltig dimensionierten Akkus verlangt. Eine Alternative ist Strom aus Oberleitungen, wie diese seit Anfang Mai im Rahmen eines Pilotprojekts auf einem fünf Kilometer langen Teilstück der Autobahn A5 zwischen Frankfurt und Darmstadt zur Verfügung stehen. Um diese Oberleitungen zu nutzen, braucht es allerdings Lkw wie den Scania R 450 Hybrid, der dank eines Stromabnehmers am Fahrdraht hängt oder über die Batterie elektrisch fahren kann. Doch bislang wird er vornehmlich von einem klassischen Diesel angetrieben.
Ein bisschen elektrisch, sonst 13 Liter Hubraum
Ohne Oberleitung kann der R 450 Hybrid nur kurze Strecken elektrisch fahren, da er lediglich über einen 18,5 kWh großen Batteriepuffer mit einer nutzbaren Energie von 7,4 kWh verfügt. Laut Scania erlaubt dieser Speicher eine batterieelektrische Reichweite von 10 bis 15 Kilometer. Für den elektrischen Vortrieb ist ein 130 kW/177 PS und 1.050 Newtonmeter starker E-Motor verantwortlich. Der soll vor allem mit dem Strom aus Oberleitungen den Lkw antreiben. Zunächst wird der Scania mit Hilfe des 450 PS starken 13-Liter-Verbrennungsmotor zur Autobahn fahren. Sobald er dort eine Spur mit einer elektrischen Fahrleitung findet, wird jedoch auf E-Antrieb umgeschaltet.
Adaptive Pantographen-Steuerung
Ein Sensor erkennt die Oberleitung, was wiederum das automatische Ausfahren des sogenannten Pantographen veranlasst. Steht die Verbindung zur Stromleitung, wird elektrisch gefahren. Parallel wird dabei außerdem - auch über die Rückgewinnung von Bremsenergie - die Batterie geladen. Sollte die Oberleitung enden, kann der Laster noch einige Kilometer mit Hilfe der Batterie fahren, ansonsten sorgt der Diesel weiter für Vortrieb. Auch Überholmanöver sind kein Problem. Sobald der Lkw-Fahrer den Blinker zum Verlassen der Spur setzt, wird der auf dem Dach des Führerhauses montierte Stromabnehmer eingefahren. Hat der Lkw die Spur mit Oberleitung verlassen, ist zwischenzeitlich batterieelektrisches Fahren möglich, bis der Laster wieder auf den elektrifizierten Fahrstreifen zurückkehrt.
Derzeit nur wenig Einsparpotential
Praktische Erfahrungen mit dem R 450 Hybrid hat seit einigen Wochen die Spedition Schanz aus Ober-Ramstadt gesammelt. Auf dem Weg vom Firmensitz nach Frankfurt-Ost passiert der Teilzeitstromer von Scania auch den fünf Kilometer langen Oberleitungsabschnitt der A5. Nach rund 1.000 Kilometer im Realbetrieb konnte der Lkw bislang dank dieser Oberleitungsstrecke gut 10 Prozent an Kraftstoffeinsparungen realisieren. Eine vergleichsweise geringe Einsparung in Anbetracht der enormen Umbauarbeiten an der Autobahntrasse und der bisher investierten Millionen. Dennoch sieht die VW-Tochter Scania weiteres Einsparpotential, vor allem im Fernverkehr. Voraussetzung hierfür wären allerdings der massive Oberleitungsausbau in Deutschland und – damit der Erfolg nicht nur regional begrenzt bleibt – der gesamten EU.
Die Zukunft liegt auf der Schiene
Um rund 70 Prozent des derzeitigen Lkw-Güterverkehrs auf unseren Straßen maßgeblich elektrisch zu bewegen, müssten in Deutschland auf circa. 4.000 Autobahnkilometern solche Oberleitungs-Teilstücke errichtet werden. 15 Kilometer am Fahrdraht sollen reichen, damit die Gütertransporte anschließend 50 weitere Kilometer batterieelektrisch zurücklegen können. Ob es allerdings überhaupt soweit kommt steht in den Sternen. Bis 2022 sind demnach nur zwei weitere Teststrecken auf der A1 in Schleswig-Holstein und der B 462 bei Rastatt geplant. Und auch im europäischen Ausland (hier insbesondere in Skandinavien) belässt man es derzeit bei einzelnen Probeabschnitten. Ohnehin sehen viele Verkehrsexperten im In- und Ausland die Zukunft vermehrt auf der Schiene - hier gibt es meist auch schon eine durchgehende Oberleitung. (Autoren: tv, mm/sp-x)