Eine wichtige Kenngröße für echtes Talent
Die Leistungsdaten von Elektrofahrzeugen sind gigantisch. In den Schatten gestellt nur von ihrer Sprint-Performance. Beschleunigungswerte von teils deutlich unter drei Sekunden auf 100 km/h katapultieren die Stromer in die Liga der Unerreichbaren. Doch die Kür liegt nicht im Geradeaus, der Gradmesser für echte Performance ist und bleibt für viele die Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife. Auf der anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt hat nun ein Porsche Taycan Turbo S (Stromverbrauch kombiniert: 23,4-21,9 kWh/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km)² mit Performance Kit den Rekord für serienmäßige Elektrofahrzeuge aufgestellt. Dies jedoch zu einem überraschend hohen Preis.
Das Performance Kit des Porsche Taycan Turbo S kostet über 13.000 Euro
Dabei ist es nicht einmal die Summe an sich. Natürlich, mit 13.377,32 Euro fällt der Preis Porsche-typisch üppig aus, es sind aber die Bedingungen, die an den Erwerb des Sportpakets geknüpft sind, die überraschen. So kann das Kit nicht ab Werk, sondern nur über das Tequipment-Zubehör-Programm erworben werden. Ein ausgeliefertes Fahrzeug wird dann zurück nach Zuffenhausen überführt, wo in den Porsche-Werkstätten der Umbau vonstatten geht. Hier werden die Fahrzeuge auch einzeln vom TÜV abgenommen und die Veränderungen in die Fahrzeugpapiere nachgetragen.
Tequipment-Zubehör zählt zum Serienumfang und qualifiziert für den Rekord
Diesen Kunstgriff der nachträglichen „Werks“-Umrüstung wendete Porsche schon einmal an. Der Porsche 911 GT2 RS MR konnte so ebenfalls den Nordschleifen-Rekord erringen – dank der umfassenden Manthey Racing-Umbauten, die ebenfalls ins Tequipment-Programm aufgenommen wurden und so unter den Schirm der Serie schlüpfen konnten. Denn für eine offizielle Qualifizierung einer Rekordrunde muss ein Fahrzeug dem Serienzustand entsprechen und für den Endkunden ab Hersteller in der exakten Rekord-Spezifikation käuflich zu erwerben sein.
Pirelli Corsa-Semislicks und eine spezielle Adaption des Aktivfahrwerks
Der Umfang des Performance Kits ist dabei ebenfalls überraschend sehr übersichtlich ausgefallen. Es beinhaltet einen neuen Radsatz vom Typ RS-Spyder-Design in 21 Zoll rundum. Die Bereifung ist vom Typ Pirelli P Zero Corsa – und das in keiner speziellen Elektroauto-Mischung. Pirelli liefert den Semislick in einer Standard-Mischung an, der auch beim normalen Reifenhändler bestellbar sein wird.
Hinter vorgehaltener Hand soll der Reifen dem des Panamera Turbo S sehr ähneln, so ein Insider im Gespräch mit AutoScout24. Was glaubhaft erscheint, haben beiden Fahrzeuge doch ein relativ ähnliches Leergewicht und nahezu identische Leistungswerte. Weiteres Merkmal des Performance Kits ist ein Software-Update für die Porsche 4D-Chassis Control, mit der das aktive PDCC-Fahrwerk geregelt wird. Es soll Präzision und Agilität erhöhen.
Die Konkurrenz ist groß und der Vorsprung klein
Reifen und Fahrwerk sorgen für einen Vorsprung von neun Sekunden gegenüber dem alten Porsche-Rekord. 2019 fuhr ein Taycan Turbo nach 7:42 Minuten über die Ziellinie – allerdings mit normalen UHP-Reifen. Vor allem vor diesem Hintergrund wirkt die Verbesserung doch etwas geringfügig. Zumal der bisherige Rekordhalter, das Tesla Model S Plaid, seine 7:35 Minuten – also gerade zwei Sekunden langsamer als der Taycan Turbo S mit Performance Kit – ebenfalls auf UHP-Reifen fuhr.
Die Luft wird dünn am Gipfel der Leistungsfähigkeit
Die Leistung von Rekord-Pilot Lars Kern und die Fähigkeiten des im Launch-Modus kurzzeitig 761 PS starken Porsche Taycan Turbo S soll dabei gar nicht in Frage gestellt werden. Viel mehr zeigen die nur noch kleinen Schritte auf der Stoppuhr trotz des hohen Technik-Einsatzes auf, wie hoch entwickelt auch die Elektrofahrzeuge sind.
Es darf mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Elon Musk den Fehdehandschuh aufnimmt und einen neuerlichen Rekord-Versuch wagen wird. Ebenfalls mit Semislicks und vielleicht sogar Carbon-Bremsen und einer angepassten Aerodynamik. Ein Nachrüst-Kit dieser Art hatte er bereits vor einiger Zeit angekündigt. Es wäre der gleiche Schachzug wie ihn Porsche angewandt hat. Doch auch in Zuffenhausen und Weissach wird man nicht tatenlos zusehen. Und ein entsprechendes Ass im Ärmel haben. (Text: Fabian Mechtel | Bilder: Porsche)