Erste Erlkönigfotos, geschossen auf der Nürburgring Nordschleife, ließen schon Schlimmes erahnen. Man befürchtete, es könnte ein rundgelutschter SUV werden, ein bloßer Namensträger, der mit dem Urgestein von damals nichts mehr gemein hat. Und doch müssen wir feststellen: Das Endprodukt, das nächstes Jahr zu den gespannten Kunden rollt, ist rein optisch gar nicht schlecht geworden. Vielmehr: Es weckt tatsächlich gewisse Begehrlichkeiten. Zwar kann uns das an EU-Unfallvorschriften harmonisierte Frontdesign nicht vollends überzeugen: Gerade hier wirkt der Defender zu massig, sieht ein bisschen nach Freelander (erinnern Sie sich?) aus. Doch die Seitenansicht mit einer Abrisskante am Heck, an der man vermutlich auch eine Bierflasche öffnen könnte, macht Freude. Sie wird vollendet durch ein freihängendes Reserverad und einzeln angeordneten Rückleuchten.
Luxus? Ja, bitte! Man darf ihn nur nicht sehen!
Im Interieur dürften sich wie so oft die Geister scheiden. Wir empfanden beim Probesitzen einen gelungenen Mix aus rustikalem Ambiente, das auch den heimischen Kärcher aushält, und zeitgemäßen luxuriösen Gimmicks. Spätestens nach diesem Satz dürften wohl eingefleischte Defender-Fahrer entnervt diese Seite schließen. Ja, der neue Defender ist ein Kompromiss. Garantiert. Aber es wird kein schlechter sein.
Wer braucht heute noch Starrachsen?
Dagegen werden nun besagte Fans mit den technischen Daten argumentieren. So baut der Defender nicht mehr auf einem Leiterrahmen auf, sondern basiert auf einer sogenannten „D7x-Karosseriestruktur“, die für „besondere Belastungen“ konzipiert worden sein soll. Heißt im Klartext: Einzelradaufhängung, rundum. Dafür gibt es Terrain Response und ClearSight Ground View. Herzlichen Glückwunsch.
Weil viel Leistung immer gut ist
Damit wird der neue Defender auf der Straße mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich besser fahren als sein Vater im Geiste und natürlich sollen auch die Geländefähigkeiten überragend sein - sagt zumindest Land Rover. Es gibt wenigstens immer: Permanenten Allradantrieb samt sperrbarem Mittendifferenzial, optional auch ein sperrbares Hinterachsdifferenzial. Was es auch gibt: Deutlich mehr Leistung. Zwei Benziner mit 300 oder 400 PS (letzterer als „Mild-Hybrid“) und zwei Diesel mit 200 respektive 240 PS stehen am Anfang zur Wahl, Plug-In-Hybride und weitere Antriebe sollen folgen. Wahnwitzig erscheint das angesichts der Leistungsdaten des Ur-Defenders, doch offensichtlich notwendig, wollen doch über 2,2 Tonnen „angemessen“ fortbeschleunigt werden.
Stahlfelgen: Es gibt noch Hoffnung
Mit über fünf Metern Länge (im Fall des Defender 110, ein kurzer 90 wird ab nächstem Frühjahr angeboten), zwei Metern Breite und 1,97 Metern Höhe ist der neue Defender auch nicht unbedingt das, was man ein kompaktes Auto nennt, ist ebenso groß wie ein aktueller G. Und die Preisgestaltung ist ähnlich „offensiv“: Für den Defender 90 sollen die Preise bei 49.700 Euro beginnen, der 110 startet ab sofort zu 55.600 Euro. Die Spitze des Eisbergs bildet momentan die höchste Ausstattungslinie Defender X (110), diese kostet samt 400 PS starken Sechszylinder mindestens 98.700 Euro. Ist das noch ein Defender? Oder eine verpasste Chance? Wir haben noch ein Fünkchen Hoffnung, steht er doch serienmäßig auf (18 Zoll großen) Stahlfelgen... (Text: Maximilian Planker | Bilder: Hersteller)