Doch plötzlich ahmt mein Kollege Motorgeräusche nach und faselt mit einem Ton der Begeisterung etwas von vier Auspuffrohren: Er schneidet gerade die ersten Bilder der neuen Corvette zurecht, die ihn in einen emotionalen Ausnahmezustand zu versetzen scheinen und die auch bei so manchem Power-Fan kurzzeitige Schnappatmung auslösen könnten. Ja, die neue Corvette dürfte wohl der größte Publikumsmagnet auf der Detroit Motor Show (ab 14. Januar 2013) werden, denn einerseits ist sie ja DIE amerikanische Sportwagen-Ikone schlechthin und zeigt sich diese in der nunmehr siebten Generation außerdem noch in begeisterungswürdiger Top-Form. Wie schon zu früheren Zeiten vermag das Design die niederen Instinkte ansprechen und hat die C7 genannte Neuauflage allein optisch das Zeug, den Speichelfluss PS-hungriger Sportwagenfreunde anzuregen.
Dabei sieht die Corvette bei zugekniffenen Auge aus wie immer: Eine ewig lange Schnauze, die in einem eleganten Greenhouse mit kurzem knackigen Heck endet. So weit, so bekannt. Doch wurden viele Feinheiten im Blechkleid modernisiert und kommt die Corvette nun kantiger, rasanter und leichter denn je daher. Die Schulterlinie oder die schwellerartigen Auswölbungen in den Flanken wirken fast so, als könnte man sich bei Berührung an ihnen schneiden. Luftöffnungen in der Motorhaube, hinter den vorderen Kotflügeln oder auf der hinteren Kotflügelschulter sowie ein ausgeprägter Powerdome versprechen enormes Leistungspotenzial.
Mit Camaro-Leuchten
Am Heck sind es vier Auspuffendrohre, die wie Mündungsrohre einer modernen Hightech-Waffe wirken und den Betrachter in Entzücken versetzen. Im Heck findet sich aber auch ein Bruch mit dem Design vergangener Zeiten: Waren die Rückleuchten seit jeher rundlich geformt, leuchten sie nunmehr eckig wie beim aktuellen Chevrolet Camaro.
Wiederum ganz klassisch verfügt die fast 4,50 Meter lange Corvette im Bug über eine mächtige V8-Maschine mit allerdings nur noch 6,2 Liter Hubraum, die in der Basisversion bereits 450 PS und 610 Newtonmeter leisten soll. Exakte Fahrwerte hat Chevrolet noch nicht verraten, doch soll der Standardsprint aus dem Stand weniger als vier Sekunden dauern und wird die Höchstgeschwindigkeit wie bisher jenseits der 300 km/h liegen. Variable Ventilsteuerung, Benzindirekteinspritzung und sogar Zylinderabschaltung sorgen andererseits für ein niedriges Verbrauchsniveau: Mit rund neun Litern gibt Chevrolet den Normverbrauch an. Kombinierbar ist der Motor mit einer manuellen Sieben-Gang-Schaltung oder alternativ mit einer sechsstufigen Automatik, die die Kraft jeweils allein an die Hinterräder leiten.
Leichtbau
Neben der schieren Kraftmeierei setzt die neue Corvette im Vergleich zu ihren Vorgänger-Generationen auch neue Maßstäbe beim Leichtbau. Unter anderem sorgen ein Alurahmen sowie ein (abnehmbares) Karbondach und eine Karbonmotorhaube für 45 Kilogramm weniger Gewicht, das sich übrigens paritätisch auf beide Achsen verteilen soll. Diese für das Handling besonders vorteilhafte Gewichtsoptimierung wird begleitet von einer technischen Aufwertung des aktiven Fahrwerks, welches über einen sogenannten Drive-Selector fünf verschiedene Modi anbietet und der Fahrer so die Wahl zwischen einer komfortablen oder extrem sportlichen Abstimmung hat. Wie es sich gehört, befindet sich im Drive-Selector-Drehschalter noch einen Druckknopf, über den sich das ESP deaktivieren lässt.
Besonders erfreulich ist auch der Blick in den Innenraum. Hier hat sich Chevrolet im Vergleich zur Vergangenheit selbst übertroffen und den zum Teil doch recht einfach gestrickten und stellenweise billig anmutenden Charme erfolgreich ausgetrieben. Feine Ledersitze, Karbonapplikationen oder das Sportlenkrad mit einer mit den Sitzbezügen farblich korrespondierenden Naht sorgen zumindest auf den Bildern für eine überraschend edle Ausstrahlung.
Kein Handbremshebel mehr
In der aufgeräumten Mittelkonsole dominiert ein großer Touchscreen, über den sich neben dem Navi- und Audiosystem noch Multimedianwendungen und Fahrzeugfunktionen steuern lassen. Ebenfalls ein großes zentrales Farbdisplay bietet das Kombiinstrument, welches sogar verschiedene Anzeigemodi ermöglicht. Neu ist übrigens auch eine elektromechanische Feststellbremse, die über einen kleinen Knopf in der Mittelkonsole aktiviert wird. Zumindest der per Handbremse eingeleitete Heckdrift gehört damit bei der Corvette der Vergangenheit an, doch wird der Könner diesen wohl weiterhin problemlos durch kontrolliertes Übersteuern per Gasfuß einleiten können.
Spätestens im Herbst 2013 dürften dann die ersten Kunden mit der neuen Corvette in Deutschland so schwarze Streifen auf den Asphalt malen können. Zunächst in der klassischen Targa-Version mit abnehmbaren Festdach und später auch wieder als echtes Cabriolet mit Stoffdach. Einen Preis zur neuen Corvette hat Chevrolet noch nicht genannt, doch dürfte dieser traditionell deutlich unterhalb eines Porsche 911 liegen, der derzeit mindestens 88.000 Euro kostet. (mh)