1.700 Kollegen und 613 Roboter nehmen gerade die Fertigung des Mittelklasse-Wagens XE in Angriff. Sie brauchen pro Auto eben jene 2.700 Nieten und eine Masse Superkleber aus der Luftfahrt, um die Leichtbauteile zu verbinden. Und aus dem Metall ist die gesamte Karosse. Eine Premiere in dieser Klasse – und mit dem Marktstart im kommenden Sommer (ab 36.500 Euro) eine Kampfansage an BMW, Audi und Mercedes, Die haben bisher das Mittelklasse-Segment bei den Premium-Fahrzeugen fest im Griff. „Wir wollen jetzt ein starkes Wort mitreden“, sagt Volkaerts selbstbewusst. Mehr als zwei Milliarden Euro haben seine Arbeitgeber dafür spendiert.
Alles aus Alu
Nick Miller, Chefingenieur des XE, schwärmt von der „Alu-Schalenbauweise“, die sonst niemand so wie Jaguar beherrsche. An einen Kern aus extrem festem Alu wird dabei ähnlich wie bei einem Rennwagen die Außenhaut praktisch wie eine Schale aufgenietet und geklebt. Vorteil für den Fahrer, so Miller: „Mit 70 Prozent hochfestem Alu ist die XE-Karosse fast ein Fünftel steifer als der größere XF“. Mehr Sicherheit bei weniger Gewicht; 1,47 Tonnen wiegt das Modell. Ergibt mehr Fahrdynamik, verspricht Miller.
Neues Werk, neue Karosse – und nicht zuletzt neue Motoren: Der 4,67 Meter lange XE bekommt erstmals die brandneuen „Ingenium“-Vierzylinder eingepflanzt. Auch die hat Jaguar nach Jahrzehnten des Zukaufs jetzt selber entwickelt.17 Prozent weniger Reibung als die bisherigen Vierzylinder haben die eigenen Motoren.
Von sparsam bis stark
Der Zweiliter-Basis-Diesel (163 PS, 380 Nm Drehmoment) soll darum nur 99 g/km CO2 ausatmen und im Drittelmix 3,8 Liter Diesel nippen. Erstmals in diesem Jahrzehnt bauen die Briten sogar wieder einen Sechsgang-Handschalter in die Diesel ein, um Sparkünstlern das Handwerk zu erleichtern.
Aber der XE wäre wohl kein echter Jaguar, wenn Verzicht sein Credo wäre. Darum kommt neben stärkeren Dieseln und Benzinern aus der Ingenium-Reihe auch der per Kompressor aufgeladene 3,0-Liter-V6 aus dem F-TYPE zum Einsatz. Mit dieser Top-Motorisierung (340 PS, 450 Nm) erreicht der XE seine elektronisch abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometer und sprintet in in 5,1 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Wichtig im Wettbewerb mit den M- AMG- oder RS-Modellen der Konkurrenz.
Komfort und reichlich Platz
Eine erstmals elektromechanische Servolenkung ermöglicht mehr Abstimmungs-Modi, eine Aluminium-Integral-Hinterachse besonders viel Abrollkomfort, so Jaguar. Standard-Getriebe werden übrigens Achtstufen-Automaten von ZF sein, bedient über den aus dem XF bekannten Drehschalter in Chromoptik. Der fährt auch im XE beim Druck auf den Starterknopf aus der Mittelkonsole – ein bisschen Show muss sein.
Mit Show-Effekten allein wird der XE in dieser Klasse aber keine Geschäftsreisenden in Masse gewinnen können. Der Innenraum überrascht in dieser Hinsicht durch reichlich Platz für die Passagiere auf allen Plätzen; auch wenn der Einstieg nach hinten wegen der coupéhaften Form des Viertürers etwas gebückt vonstattengeht. Die Sitze sind nicht zu sportlich ausgelegt und bieten etwa auch im Fond ausreichend Beinauflage, für die Füße ist ausreichend Platz. Dazu tragen sicher auch die üppigen 2,84 Radstand bei.
Sportliche Ambitionen
Die Instrumente im Stil des F-Type mit ihren beim Anlassen des Motors kurz ausschlagenden Zeiger zeigen aber die sportlichen Ambitionen des Briten. Und wenn's mal allzu schnell wird, schlagen die in dieser Klasse üblichen elektronischen Helferlein Alarm oder greifen gleich ein. Wer gar nicht Lenken, Bremsen oder Einparken mag, bekommt auch von Jaguar Assistenzsysteme auf der Höhe der Zeit. Head-Up-Display und allerlei Multimedia-und Smartphone-Verbindungen gibt es natürlich auch. Die Ausstattungsliste wird sicher lang.
Sportlichkeit vermittelt der neue Jaguar schon, wenn er sich an den Beobachter nur mit sanftem Grummeln heranschleicht. Der XE wirkt dank einer etwas verlängerten Motorhaube und dem kurzen Heck deutlich sportlicher als etwa eine C-Klasse – und das, obwohl die 1,42 Meter Höhe sich nicht wesentlich von den deutschen Hauptkonkurrenten unterscheiden. Chefdesigner Ian McCallum bekommt da glänzende Augen: „Sportlichkeit ist nun mal ein Jaguar-Gen. Darum zitiere ich etwa beim Heck den F-Type, von vorn den XF.“ Keine Angst vor zu viel Ähnlichkeit zwischen den Modellen, Mr. McCallum? „Nein. Wir bauen unsere Linie ja erst auf. In den USA etwa wissen viele potenzielle Kunden noch gar nicht, wie ein Jaguar aussieht.“ Das soll sich mit dem XE jetzt ändern. (mg/sp-x)