Hatte man in den Jahrzehnten vorher vor allem Luxusautos für die oberen Zehntausend gebaut, eroberten die Giulia (Baureihe AR105) und ihr Vorgänger Giulietta auch den Massenmarkt. Trotzdem wurde die Giulia Sprint GT, das Coupé der Baureihe, zu einem absoluten Klassiker. Gestalterisch zählt der heute unter dem Namen Alfa Bertone (nach dem Designer-Studio) oder Alfa GT bekannte Zweitürer zu den schönsten italienischen Autos aller Zeiten und auch technisch war er der Konkurrenz weit voraus.
Das gilt allerdings nicht für die Qualität – denn die war damals bereits italienisch-lässig. Beim Kauf ist nicht nur deswegen Obacht geboten. Denn weil der Marktwert mittlerweile deutlich steigt, versuchen viele Besitzer mit heruntergefahrenen Modellen die schnelle Mark zu machen. Wie man das verhindern kann, erläutern die Experten der Zeitschrift „Oldtimer Markt“ in der aktuellen Ausgabe.
Karosserie
Der Alfa Bertone GT gilt heute als Paradestück italienischen Designs. Doch das Coupé ist nicht nur schön, sondern für einen Sportwagen seiner Zeit auch durchaus praktisch. Vorne sitzt man tief in bequemen Sesseln, hinten ist zumindest auf Kurzstrecken Platz für Kinder. Wer sich an Lautstärke und der zu dieser Zeit üblicherweise fehlenden Klimatisierung nicht stört, kann also durchaus zu viert auf den Wochenend-Trip gehen. Allerdings am besten nicht bei Regen, denn wie zur Bauzeit üblich gibt es so gut wie keine Rostvorsorge. Schon beim Kauf sollte also aufmerksam nach Spuren der braunen Pest gesucht werden. Lochfraß zeigen Bertone oft an den unteren Ecken des Scheibenrahmens, an den Türunterkanten und rund um die Griffe. Radläufe, Kofferraumdeckel und -boden sowie Bodenbleche, Schweller und eigentlich alle Eisenteile mit Luftkontakt zählen zu den Schwachstellen. Ein Check auf der Hebebühne ist bei einem Bertone unverzichtbar.
Doch nicht nur der Rost macht dem Alfa zu schaffen, auch Unfallschäden sind nicht selten – gerade weil die Modelle früher zeitweise recht günstig waren und sportlich gefahren wurden. Da die Karosserie nahezu komplett verschweißt ist, sind und waren Reparaturen extrem teuer und aufwendig. Vielfach wurde daher schnell mal gepfuscht. Aus diesem Grund empfiehlt sich, Spaltmaße genau zu kontrollieren, mit einem Magnet nach gespachtelten Stellen zu suchen und auch die Proportionen exakt in Augenschein zu nehmen. Im Zweifel: lieber Finger weg, rät „Oldtimer Markt“.
Motoren
Die sportlichen Doppelnockenwellenmotoren des Bertone waren zu ihrer Zeit kleine technische Wunderwerke und den Triebwerken der deutschen Konkurrenz meilenweit voraus. Die Vierzylinder gelten bis heute als standfest und zuverlässig – wenn sie immer geduldig warm gefahren wurden. Und das kann bei knapp sieben Litern Öl eine Weile dauern. Einstiegsmotor war seinerzeit ein 1,3-Liter-Benziner mit 89 PS, drehfreudig und klangvoll, für heutige Ansprüche aber vielleicht ein wenig lahm. Ordentlich motorisiert ist man aber bereits mit dem ähnlich munteren 1,6-Liter-Motor (103 PS) und dem seltenen 1,8-Liter-Triebwerk (115 PS). Nicht ganz so drehfreudig ist der 2,0-Liter-Motor mit 131 PS, der auch bei den kleineren Modellen häufig nachgerüstet wurde. Generell wurde unter der Haube des Bertone über die Jahre häufig umgebaut. Das Baukastensystem ermöglicht Hobbyschraubern Kombinationen, die zwar mechanisch aufeinander passen, aber nicht harmonieren. Im Zweifel sollte man auch von solchen Modellen die Finger lassen – der Alfa ist zwar technisch nicht übermäßig komplex, doch verzeiht er handwerkliche Fehler kaum, so die Experten. Das Fünfganggetriebe ist solide und lässt sich dank horizontaler Gehäuseteilung gut überholen. Verschlissene Lager (Geräusche, herausspringende Gänge) und zerriebene Synchronringe (Kratzen bei Schaltvorgängen) sind jedoch nicht selten.
Qualität
Neben Rost und den Folgen teilweise laxer Verarbeitung zählt das Fahrwerk zu den großen Schwächen des Alfa. Typisch sind etwa Federbrüche und weggegammelte Federnteller, die zum typischen hängen Heck führen. Bei der Probefahrt sollte man zudem ein offenes Ohr haben, um weitere notorische Mängel zu entdecken. Quietschenden Fahrwerksbuchsen, eine klappernde Lenkung und Geschepper unter dem Boden sollten misstrauisch werden lassen. Ölverlust an Motor und Getriebe hingegen ist ab 100.000 Kilometern Tachostand kein Grund zur Panik – solange nicht zuviel Schmierstoff flöten geht, kann man damit leben. Wichtiger ist, dass der Vorbesitzer alle wesentlichen Arbeiten durchgeführt hat und das belegen kann. Dazu zählt ein Ölwechsel alle 6.000 Kilometer und die Kontrolle des Ventilspiels nach jeweils 20.000 Kilometern.
Als der Bertone auff den Markt kam, konkurrierte er mit Porsches schnellstem 356. Der ist längst in sechsstellige Preisregionen entschwebt, während es GTs noch für knapp die Hälfte gibt. Allerdings: Beim Bertone lohnen sich Kernsanierungen eben auch weniger. Weshalb viele auf dem Markt befindliche Wagen halbgare Blender sind, wie die Experten von „Oldtimer Markt“ wissen. Gute Exemplare werden meist innerhalb der Szene weitergegeben. Wer ein gutes Auto will, sollte sich der Szene anschließen – und trotzdem Geduld mitbringen. (as/sp-x)