Es ist schon merkwürdig: Da fahre ich ein Auto mit einem 388 PS starken, dreifach aufgeladenen Reihensechszylinder-Diesel, und dennoch komme ich stets zu spät. Immer wieder passiert es mir während des Tests zum BMW Alpina D5 S Touring, dass ich vom rechten Weg abkomme, bewusst völlig falsch abbiege und die Nervensäge des Professional-Navi auf das virtuelle Abstellgleis schicke. Sogleich finde ich heraus, dass es im oberbayerischen Hinterland viele Straßen gibt, die nirgends hinführen, es aber allemal wert sind, mit solch einem Wagen befahren zu werden. Wie ein Süchtiger versuche ich, die Tour im flotten Touring bis aufs Letzte hinauszuzögern, will nicht aussteigen und verliere mich Kilometer für Kilometer in der tiefen Harmonie aus Technik und Komfort. (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 8,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 224 g/km²).
Trotz 388 PS kommt man immer zu spät!
Irgendwann bimmelt auch die Terminerinnerung des Smartphones nicht mehr; es ist egal, wann ich ankomme und vor allem, wo ich ankomme. Kurzerhand wird es zum Spiel: Wie viele Umfahrungen kann ich im D5 S Touring nehmen, und wie lange kann es dauern, am Ziel anzukommen? Wie sich herausstellt: ziemlich lange! Denn egal, was ich über lange Strecken mit dem Selbstzünder anstelle, ganz gleich, ob ich ihn am Berg oder auf der Autobahn scheuche, die elektronische Verbrauchsnadel wandert selten in den Bereich von zehn Litern auf 100 Kilometer. Da der Tank des 5er Touring mit rund 66 Litern gleichermaßen üppig bemessen ist, geht die Reise eben weiter. Gerne 700, vielleicht auch mehr Kilometer. Der Tankwart, sonst bei leistungsstarken Wagen der beste Freund, schaut derweil betrübt ins Leere und spätestens hier werden die ersten aufmerken: So viel Tamtam um einen Diesel-Kombi?
Der schnellste Diesel-Kombi der Welt
Freilich könnte man auch zum benzinverrückten Bruder BMW Alpina B5 S Biturbo greifen, der mit einer Höchstgeschwindigkeit von 322 km/h der derzeit schnellste Serien-Kombi der Welt ist. Doch es reichen im deutschen Lande (und auch sonst überall!) derlei 283 km/h, um ordentlich Spaß zu haben. Außerdem schont der sonore Reihensechszylinder-Diesel bei aller Leistung den eigenen Geldbeutel – oder zumindest den des spendierfreudigen Chefs. Letzteren sei der BMW Alpina D5 S Touring übrigens explizit ans Herz gelegt. Ganz besonders, wenn das eigene Unternehmen im eiligen Transportgeschäft tätig ist. Staubsauger und Aktenordner lassen sich im 570 bis 1.700 Liter fassenden Gepäckabteil des Tourings zum Beispiel haufenweise verstauen, kommen flugs bei Kunden an, und der bärige Diesel erfreut sicherlich auch den gestressten Außendienstler.
Im Schatten des M550d xDrive
Du fragst nach dem Preis? Mit 90.900 Euro befindet sich der Ostallgäuer auf Augenhöhe zum normalen 5er Touring. Gemessen am BMW M550d xDrive. Dieser hat zwar 400 PS, aber weniger Drehmoment. Der Alpina D5 S Touring hingegen stellt bereits ab 1.750 Touren mehr als üppige 800 Newtonmeter bereit. Jene Urgewalt hilft den Buchloern, neben der immensen Höchstgeschwindigkeit des „Sportdiesels“, gleichermaßen dynamische 4,6 Sekunden von null auf 100 km/h für sich zu reklamieren. Im Serienpreis enthalten ist zudem ein Adaptivfahrwerk, das man bei BMW so normalerweise nicht im 5er verbaut. Es beherrscht die Spreizung zwischen Komfort und Sport wie kaum ein anderes in seiner Klasse. Wahlweise und zu empfehlen: die drehmomentfühlende Hinterachsdifferentialsperre, die Alpina zusammen mit dem Allradspezialisten Drexler entwickelt hat.
Feinkritik bei Fahrwerk und Lenkung
Beides im Zusammenspiel nimmt dem mindestens 2.035 Kilogramm schweren D5 S Touring die frühe Untersteuerungsneigung des M550d xDrive und lässt den Allradwagen viel kompakter auf der Straße und in der Kurve liegen. Nur Querfugen scheinen des Öfteren bis zu den Passagieren durch, wenngleich jener Rüffel wirklich nur Feingeistern auffallen dürfte. Die elektrische Lenkung ist im Alpina-eigenen Comfort-Plus-Modus hingegen etwas arg von allen äußeren Einflüssen befreit, wird aber besser, wenn man sich mit dem Individual-Menü der Sportstellung beschäftigt. Lenkung und Motor in Sport; Fahrwerk und das 8-Gang-Switch-Tronic-Getriebe in Comfort gestellt, und die Fahrvorstellung des Alpina D5 wird zur wahrlich großen Show. Ihren Höhepunkt erreicht die Vorstellung dabei sicherlich auf engen Passstraßen: Hier wird der große 5er zum 3er, giert nach Kehren, dreht den Vorderwagen willig ein und nimmt das Heck mit einer Dynamik mit, die Freude am Fahren neu definiert. Auf den kurzen Geraden dann ist kultivierte Motorkraft stets im Überfluss vorhanden, und mit welch treffsicherer Geschwindigkeit der ZF-Wandler die Gänge serviert, ist schier bemerkenswert.
Bremsscheiben wie ein Großer
Wer den vehementen Vorwärtsdrang des BMW Alpina D5 S Touring zur nächsten Biegung hin abbremsen will, hat optional die Möglichkeit auf eine Hochleistungs-Bremsanlage mit gelochten Scheiben im Durchmesser von 395 Millimetern an der Vorder- und 398 Millimetern an der Hinterachse. Sie wirken massiv – und so verzögern sie auch! Von sündhaft teuren Keramikbremsen hält man im Ostallgäu (zum Glück) noch wenig und gleichzeitig trägt man mit den Stahlscheiben dem Umstand Rechnung, dass ein Alpina BMW grundsätzlich für die Straße und nicht primär für den Rundkurs gedacht ist. Die großen Anker passen gerade noch so hinter die serienmäßigen 20-Zoll-Alpina-Classic-Räder, die Sommer wie Winter mit einer jeweils speziell von Pirelli entwickelten Mischbereifung bestückt sind.
Lavalina sollte es schon sein
Blickt man ins Interieur unseres 107.140 Euro teuren Testwagens, so fällt auf, dass wenig auffällt. Wir schauen auf gewohnt hochwertigen BMW-Chic (Leder Dakota serienmäßig), gepaart mit einigen wenigen Zierelementen aus Buchloe. Dort eine Plakette, hier ein Logo und am Boden ein paar exklusive Fußmatten. Größter Hingucker: das serienmäßig in Lavalina-Leder gefasste Sportlenkrad. Es wird von Hand genäht, schmeichelt aufs Äußerste der Haut und gibt uns zumindest einen kleinen Vorgeschmack, was sonst noch bei Alpina in Sachen Innenraumveredelung möglich ist. Denn alles, was man sieht und anfassen kann, lässt sich in die edle und atmungsaktive Tierhaut packen. Die Qualität des Lavalina-Bezugs ist gar von solcher Güte, dass selbst Rolls-Royce diesen mittlerweile im Angebot hat. Der (durchaus lohnenswerte) Rundumschlag mit dem feinen Oberbezug kostet im D5 S derweil 12.900 Euro.
Die Zeichen der Zeit
Da auch ein traditionsbewusstes Unternehmen wie Alpina nicht umhin kommt, mit der Zeit zu gehen, besitzt natürlich auch der BMW Alpina D5 S Touring (optional) jene Armada an Assistenzsystemen, die auch beim normalen 5er BMW zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für weitere Komfortausstattung, Soundsysteme und leider auch für das BMW Live Cockpit. Mittlerweile ist es im Alpina D5 im Serienumfang enthalten – unser Testwagen fuhr zum Glück noch mit der bisherigen digitalen BMW-Kombianzeige vor. Sie ist, gerade in Alpina-Trimm, die besser anzusehende, übersichtlichere und insgesamt wünschenswertere Anzeige. Bringt diese Aussage Neuwagenkäufern natürlich sehr wenig, ist sie vielleicht in einigen Jahren für den Gebrauchtwagenmarkt von Relevanz.
Fazit
Lange Rede, kurzer Sinn: Der BMW Alpina D5 S Touring ist ein Auto, mit dem man gerne lange Strecken fährt. Auch wenn man das gar nicht müsste – man will es! Die Kombination aus einem fahraktiven Kombi, der auf langer Strecke mit seinem Verbrauch geizt und wahlweise die Exklusivität einer Manufaktur zu bieten hat, ist in jener Wagenklasse sonst unerreicht. Der Alpina D5 S ist etwas ganz Besonderes und lässt die preislich ähnliche Konkurrenz aus dem Hause BMW, Audi und Daimler mit Respektsabstand hinter sich. Kritikpunkte? Auf sehr hohem Niveau kleinere Schwächen beim komfortorientierten Fahrwerk und die im Standard-Setting zu leichtgängige elektrische Lenkung. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: BMW Alpina D5 S Touring Allrad
- Motor: Sechszylinder-R, Tri-Turbo, 2.993 ccm
- Leistung: 388 PS (285 kW) bei 4.000 - 5.000 U/min
- Drehmoment: 800 Nm bei 1.750 bis 2.650 U/min
- Antrieb: Allrad, 8-Gang-Automatikgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 8,6 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 224 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,6 s
- Höchstgeschwindigkeit: 283 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,96 m/ 1,87 m/ 1,47 m
- Gewicht: 2.035 Kg
- Grundpreis: 90.900 Euro
*Herstellerangaben