Der Audi A6 e-tron auf einen Blick
- Erstmals bietet Audi den A6 elektrisch an
- Verfügbar als Limousine und Sportback
- Von 367 bis 503 PS – zwei Antriebe zum Start
- Der cW-Wert liegt bei nur 0,21
- Neues Infotainment mit bis zu drei Bildschirmen
- Grundpreis (Deutschland) ab 62.800 Euro
Modellprogramm | Preise | Design & Abmessungen | Reichweite | Fahreindruck | Innenraum & Bedienung | Qualität | Erstes Fazit
Neues Modellprogramm: "Los Wochos" bei Audi
Was haben ein berühmter deutscher Autohersteller und eine amerikanische Frittenbude gemeinsam? Da kommst du nie drauf. Los Wochos! Wochen der Entscheidung. Beim Burgerbrater ging es in den 2000er- und 2010er-Jahren werbewirksam um „El Chili con Carne“, „Los Scharfos“ oder „Los Würzos“ und damit um die Lufthoheit im Fast-Food-Bereich. Bei Audi sind „Los Wochos“ die Wochen der Wahrheit: Der Autobauer muss liefern.
Nach einem gefühlten und auch tatsächlichen Stillstand, was neue Modelle und Technologien anbetrifft, ging es heuer Schlag auf Schlag. Erst der Q6 e-tron, dem ersten Modell auf der rein elektrischen PPE-Plattform, dann rollte der neue Audi A4 alias Audi A5 als komplett erneuerter Verbrenner auf die Straßen – und jetzt tritt der Audi A6 e-tron als Limousine und Sportback vor allem gegen den schon länger erhältlichen BMW i5 und BMW i5 Touring an.
Stolze Preise: Der S6 Sportback kostet sechsstellig
Zum derzeit laufenden Marktstart bietet Audi den A6 e-tron als Limousine und Sportback mit vier verschiedenen Motorisierungen an. Los geht es mit dem 210 kW/286 PS starken e-tron-Basismodell, gefolgt von der 270 kW/367 PS leistenden performance-Variante. Beide Modelle werden über eine permanent erregte Synchronmaschine (PASM) an der Hinterachse angetrieben. Währenddessen verfügen die Versionen A6 e-tron quattro und S6 e-tron über eine zusätzliche Asynchronmaschine (ASM) an der Vorderachse und leisten allradgetriebene 315 kW/428 PS respektive 370 kW/503 PS.
Beide E-Maschinen wurden im Hause Audi entwickelt, und beide weisen eine sogenannte Hairpin-Wicklung auf. Statt Kupferdrähte verwendet man Kupferstifte – das soll für eine höhere Leistungsdichte sorgen. Im kommenden Jahr soll die Baureihe noch durch ein leistungsstarkes RS-Modell gekrönt werden. Doch auch ohne dieses geht es in 7,0, 5,4, 4,7 oder wahlweise 4,1 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Genauso schnell steigen aber auch die Preise: Das Basismodell, das nur über eine netto 75,8 kWh große Batterie verfügt (alle anderen haben netto 94,9 kWh), liegt als Limousine noch bei 62.800 Euro, der Sportback startet bei 75.600 Euro. Wer dagegen zum sportlichen S6 greifen will, muss bereit sein, mindestens 99.500 Euro auszugeben – der Kombi kostet 1.650 Euro extra.
Design & Abmessungen: Jetzt leuchten sogar die Ringe
Zumindest vom Design her bietet Audi ziemlich viel für das ziemlich viele Geld. Die Front wächst optisch in die Breite – einmal durch den in Schwarz eingefassten Kühlergrill und zweitens durch die schmalen Tagfahrlichter, die, vom Hauptscheinwerfer getrennt, jetzt ganz flach unter der Fronthaube sitzen. Das verleiht dem Audi einen scharfen Blick. Das zweite auffällige Merkmal ist der geschlossene Kühlergrill mit seinen steuerbaren Luftklappen. Hinten dominiert das durchgehende Lichtband, oben drüber in der Mitte liegen die erstmalig rot leuchtenden Audi-Ringe. Diese gibt es allerdings nur zusammen mit der teuren OLED-Technik. Dafür „spricht“ das Licht mit anderen Verkehrsteilnehmern. So warnt es zum Beispiel mit kleinen Dreiecken vor einem plötzlichen Stau oder vor nachfolgenden Radfahrern, wenn die Türen geöffnet werden.
Die flache Linienführung des 4,94 Meter langen und 1,53 Meter hohen A6 e-tron (Sportback: 1,49 m) zahlt natürlich auf die Aerodynamik ein, auf die Audi ziemlich stolz ist. Die A6 e-tron Limousine erreicht einen cw-Wert von 0,21, der Sportback liegt bei 0,24. Kleiner Ausflug in die Ingolstädter Firmengeschichte: Der A2 hatte anno 1999 schon stattliche 0,25, die A4-Limousine aus dem Jahr 2015 landete sogar bei 0,23. Interessant ist dabei, welche Maßnahmen welche Reichweite bringen. Audi rechnet vor: Strömungsoptimierte Felgen und Reifen bringen sechs Kilometer, die verbesserte Kühlluftführung schon zwölf – und die Kamera-Außenspiegel immerhin noch sieben. Audi setzt dabei auf ein ähnliches System wie schon im ersten e-tron. Die Displays wurden diesmal zwar besser in der Türfüllung integriert, so richtig natürlich ist die Blickrichtung aber immer noch nicht. Außerdem haben die Bildschirme zu wenig Kontrast und Tiefenschärfe. Da bestellt man lieber normale Spiegel, spart sich Geld und pfeift auf die paar Kilometer Reichweite.
Reichweite über 700 Kilometer: Ist der Audi A6 ein Kilometer-Held?
Das dürfte bei den von Audi angebotenen Gesamtreichweiten allerdings auch kein Problem sein. Bis zu 765 Kilometer sollen bei der Limousine des A6 e-tron drin sein, im Sportback sollen es 720 Kilometer sein. Der S6 kommt auf eine Werksangabe von 675 (647) Kilometern, das Einstiegsmodell auf 627 (598) Kilometer. Die offiziellen Verbrauchswerte bewegen sich zwischen 13,6 und 16,7 kWh pro 100 Kilometern.
Bei unseren ersten Fahrten mit dem A6 performance und dem S6 im sonnigen und wohltemperierten Teneriffa konnten wir das allerdings nicht seriös überprüfen, da wir nur auf steilen und kurvigen Bergstrecken unterwegs waren – rauf auf 2.365 Meter und wieder zurück auf Meereshöhe. Es fehlten Landstraßen und Stadtverkehr. Beim S6 lagen wir nach 140 flott gefahrenen Kilometern bei 20,6 kWh und einer Restreichweite von 284 km, mit dem performance nach 100 Kilometern bei 22,4 kWh und 384 km.
Fahreindruck: Beim ESC geht Audi an die Grenzen
Die „Schuldigen“ für unsere hohen Testverbräuche sind schnell gefunden – nämlich die Entwickler von Antrieb und Fahrwerk. Sie haben so gut gearbeitet, dass es einfach zu verführerisch ist, dem A6 e-tron die Sporen zu geben, statt den Effizienztest zu machen. Womit wir wieder bei „Los Scharfos“ und „Los Würzos“ sind. Neben der brachialen Gewalt der E-Maschinen (Heckmaschine: 580 Nm, Front: 270 Nm Drehmoment) kommt die Würze von der präzisen und fein reagierenden Progressivlenkung, die Audi-typisch ein Genuss ist. Vergnüglich ist auch das Fahrwerk, das es in zwei Ausführungen gibt – mit Stahl- oder, aufpreispflichtig, mit adaptiver Luftfederung. Letztere schluckt sogar die monströsen Asphaltbuckel weg, die auf den Kanaren für die Einhaltung des Tempolimits sorgen. Kurzes Nicken beim Rauffahren, kurzes Nicken beim Runterfahren. Ab in die Horizontale – war was?
Großzügig legt man bei Audi die Fangleinen der Elektronischen Stabilitätskontrolle (ESC) aus. Da geht es im Sportmodus bis an die Grenzen, fast schon ins Driften. Ist Absicht, sagen die Entwickler – der Fahrer soll nicht bevormundet werden und ein möglichst natürliches Feeling für das Auto bekommen. Heißt in der Praxis: Der A6 e-tron macht einen Heidenspaß. Den sollte es auch an der Ladesäule geben. Erfreulicherweise hat Audi den A6 mit Plug & Charge ausgestattet, und die 800-Volt-Technik will Ladegeschwindigkeiten bis zu 270 kW ermöglichen. Beim Sportback performance soll so in zehn Minuten Strom für 310 Kilometer in die Batterie fließen. Von zehn auf 80 Prozent seien 21 Minuten nötig. Bei Wechselstrom leistet sich Audi zum Start eine kleine Schwäche – hier sind zunächst nur 11 kW drin. Es darf und wird in nächster Zeit auf 22 kW nachgebessert werden.
Innenraum & Bedienung: Auf Knopfruck fällt der digitale Vorhang
Kommen wir zum Innenleben: Dank des Radstandes von 2,95 Metern bietet der A6 auch größeren Menschen sowohl vorne als auch hinten ausreichend Platz. Der Kofferraum fasst klassenüblich zwischen 522 und 1.422 Liter in der Limousine, im Sportback sind es 522 bis 1.330 Liter. Auch das Raumgefühl ist bestens – dank des optional durchgehenden Glasdachs, das man mithilfe von Flüssigkristallen verdunkeln kann. Den digitalen Vorhang zieht man entweder ganz zu oder teilt den Glashimmel in transparente und blickdichte Elemente. Eine nette Spielerei.
Das Cockpit mit seinem 11,9 Zoll großen Digital-Tacho und dem 14,4 Zoll großen Infotainment-Bildschirm kennt man so schon aus dem Q6 e-tron oder dem neuen A5. Unterstützt wird der Fahrer durch ein noch größeres Head-up-Display mit Augmented-Reality-Features. Da sind zum Beispiel die blauen Pfeile, die genau in die Straße huschen, in die man abbiegen muss, oder die digitale Tempoanzeige, die je nach Beschleunigung oder Bremsvorgang größer oder kleiner wird. Ein echtes Novum: Auch einzelne Elemente von Apple CarPlay werden hier angezeigt. Ebenfalls neu ist der 10,9 Zoll große Beifahrer-Bildschirm, der ebenfalls von anderen Audi-Modellen bekannt ist.
Qualität: Streicheln und treten
Unser Blick wandert über das schicke Interieur – das mit Stoff-Dekoren, Klavierlack-Elementen und Kunstleder wertig wirkt. Aber besteht es auch den Klopftest? Beim A5 gab es ja Kritik am Billigplastik, das im Innenraum verbaut wurde. Das findet sich auch im A6, allerdings in reduzierter Form – zum Beispiel in den Stautaschen der Innentüren oder im Kofferraum. Die Kunststoff-Schutzleiste der Ladelippe wird dem Premium-Anspruch ebenfalls nicht gerecht.
An anderer Stelle hat man sich wesentlich mehr Mühe gegeben. Die Türen fallen auch dank der Soft-Close-Funktion satt ins Schloss. Und auch das Öffnen der Heckklappe mit einem gezielten Tritt unter die Heckschürze ist praktisch. Zärtlicher geht es bei der Frontklappe zu: Um den Frunk (27 Liter) zu entriegeln, muss man nur die Haube streicheln. Die Sinnfrage stellen wir an dieser Stelle lieber nicht.
Erstes Fazit
Gelingt den Ingolstädtern mit dem A6 e-tron der große Wurf, oder bleibt es doch nur bei einem kleinen Einwurf? Das ist hier die Frage. Positiv sind die herausragenden Fahreigenschaften, das digitale Angebot mit einem Head-up Display der nächsten Generation und die großzügigen Platzverhältnisse. Auf der anderen Seite stehen die mancherorts mangelnde Qualität der Materialien – und, da beißt die Maus keinen Faden ab, der Preis, der natürlich weit über dem eines Verbrenners liegt. Jetzt entscheiden die Käufer. (Text: Rudolf Bögel | Bilder: Hersteller)