Wer dachte, zwischen Q3 und Q5 passt nun wahrlich nicht noch ein SUV, sah sich vor einigen Monaten gewaltig getäuscht. Q4 e-tron heißt das jüngste Stück aus Ingolstadt. Wie "e-tron" schon richtig vermuten lässt, handelt es sich stets um ein vollelektrisches SUV auf MEB-Basis (modularer E-Antriebs-Baukasten des VW-Konzerns) - wir fuhren zum Test die mit einem coupéartigen Heck versehene Sportback-Variante mit dem derzeit größten Akku (netto 76,6 kWh), Allradantrieb und 220 kW-Topmotorisierung (Stromverbrauch kombiniert: 17,8 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²).
Die rein technischen Daten können sich also schonmal sehen lassen. Sie gleichen jenen Schwestermodellen von Volkswagen und Skoda, wobei der Audi mit einem Grundpreis von 55.600 Euro ein gutes Sümmchen teurer ist als die hausinternen Mitbewerber. Dass das Budget auch noch einiges für Extras bereithalten sollte, versteht sich bei den Ingolstädtern fast von selbst. Unser Testwagen kam so mit einer guten, aber längst nicht vollen Ausstattungsliste, auf einen Preis von 77.110 Euro. Dafür kann man sich diesem Wagen schon mit einer gewissen Erwartungshaltung nähern.
Der optische Auftritt wird dem schonmal gerecht. Gerade in einem hellen Farbton (Florettsilber, 700 Euro) erntet der Audi Q4 Sportback 50 e-tron quattro einige Blicke im Straßenverkehr. Die maskuline Front samt effektheischenden Matrix-LED-Scheinwerfern und deren einstellbarer Lichtsignatur (1.130 Euro) macht Eindruck. Am Heck scheiden sich die Geister. Rein subjektiv betrachtet können wir dem aus vergangenen Audi A2-Zeiten entliehenen und die Heckscheibe teilenden Kragenspoiler nur wenig abgewinnen und würden daher schon aus optischen Gründen zum "normalen" Q4 e-tron greifen. Zumal dieser das Budget mit 2.000 Euro weniger belastet.
Im Inneren hingegen ist der Eindruck zweigeteilt. Optisch ist die Integration der zwei Displays schön gelöst, die Auflösung von Instrumentenkombi und Multimediaeinheit ist fabelhaft und auch das oben und unten abgeflachte Sportlenkrad (300 Euro) wirkt futuristisch und liegt gut in der Hand. Die S-Line-Sportsitze in Leder und Kunstleder (2.840 Euro als Bestandteil des S-Line-Interieurpakets) hingegen dürften mehr Seitenhalt vertragen - ob man sie angesichts der zweifelhaften sportiven Ambitionen wirklich benötigt, sei dahingestellt.
Doch auch die Materialanmutung der verschiedenen verwendeten Kunststoffe dürfte in Teilen hochwertiger sein. Dort wird Audi dem selbst gesetzten Anspruch nicht gerecht. Dafür brillierte das im Q4 Premiere feiernde SONOS-Soundsystem (700 Euro) mit einem sehr ausgewogenen Klangbild.
Ein gutes Soundsystem ist auch von Nöten, denn nur so können die teils harschen Abrollgeräusche effektiv übertönt werden. Das mag auch an den auf dem Testwagen montierten 19-Zoll-Winterreifen gelegen haben, doch selbst Wind- und Fahrbahngeräusche drangen vergleichsweise ungefiltert zu den Passagieren durch. Das ist gerade auf der Langstrecke keine besonders angenehme Eigenschaft, ist doch die Ruhe eines Elektroautos einer der Vorteile, die man dieser Antriebsart zugute halten kann.
Dass der Q4 e-tron in unserem Test leider auch kaum mit weiteren Vorzügen der Elektromobilität überzeugen konnte, lag diesmal ausnahmsweise nicht an der immer besser werdenden deutschen Ladeinfrastruktur, sondern vor allem an ihm selbst. Sein Stromverbrauch ist zu hoch, der Akku dafür dann zu klein beziehungsweise die mögliche Schnellladeleistung schlicht zu gering.
Audi gibt den Q4 50 e-tron quattro mit satten 491 Kilometern WLTP-Reichweite an. Wie man diesen Wert erreicht hat, ist uns schleierhaft, es erscheint schier unmöglich. Bei vollem Akku zeigte der Bordcomputer eine maximale Reichweite von 340 Kilometern an, auf der Langstrecke waren 280 Kilometer realistisch. Nun muss man die aktuellen Temperaturen zwischen 0 und 5 Grad Celsius beachten, doch auch andere Medien berichten durchwegs von Erfahrungen dieser Art bei gleichermaßen höheren Temperaturen. Unser Testverbrauch lag im Schnitt bei 24,9 kWh pro 100 Kilometer - bei reinem Autobahnbetrieb bis maximal 130 km/h lag er bei 25,6 kWh.
Die für einen Basispreis jenseits der 55.000 Euro magere Reichweite würde nicht stören, wäre da nicht zusätzlich die geringe Ladeleistung, die die Langstrecke wahrhaftig zur Geduldsprobe macht. Audi gibt für den Q4 50 e-tron quattro eine maximale Ladeleistung von 125 kW an - ein Wert, den wir an entsprechenden DC-Säulen nie erreichten. Selbst mit vorkonditioniertem Akku und entsprechendem Ladestand waren nie mehr als 100 kW drin - ebenso extrem fiel die Ladekurve nach kurzer Zeit ab. So benötigt der Audi mindestens 35, meist eher 40 Minuten für einen Nachladevorgang von 10 auf 80 Prozent Akkustand.
Doch auch an den öffentlichen AC-Ladesäulen sieht es leider nicht besser aus. Audi spendiert dem Q4 e-tron 50 quattro zwar ab Werk einen 11 kW Bordlader, 22 kW währen mittlerweile aber durchaus wünschenswert und wohl auch technisch machbar gewesen.
So bleibt der wirkliche Nutzen des Q4 e-tron auf die Kurz- und Mittelstrecke und allenfalls gelegentlich auch die Langstrecke beschränkt. Hier macht er seine Sache wirklich gut. Die Abmessungen sind angenehm, der Wendekreis überzeugend klein, die Übersicht trotz der andersartigen Karosserieform akzeptabel. Im Alltag nutzt man gerne die Rekuperation mittels Paddles am Lenkrad, sodass man selten in die Versuchung kommt, das Bremspedal zu nutzen.
Bis zum Stillstand bremst der Q4 allerdings nicht von alleine. Ein Sportwagen wird derweil trotz diverser S-Line-Signets nicht aus dem Q4: Dafür bietet die Lenkung zu wenig Rückmeldung, das Fahrwerk wirkt in schnellen Kurvenkombinationen mit dem Gewicht etwas überfordert und auch die verfügbare Leistung ist zwar ausreichend, aber nicht als besonders spritzig zu beurteilen - ein Hyundai Kona Elektro fährt dem Q4 e-tron beispielweise auf der Autobahn zu unserer eigenen Überraschung davon.
Auch "weichere Faktoren" passen im Q4 e-tron: Die Platzverhältnisse sind sowohl vorne als auch in der zweiten Sitzreihe (trotz früh abfallender Dachlinie) vorbildlich, das Angebot an Ablageflächen für Smartphones und anderen Klein- und Großkram ebenfalls. Auch die Heizleistung ist sehr positiv hervorzuheben (Wärmepumpe: 990 Euro extra). Sehr informationsreich ist überdies das optionale Head-Up Display, das auch Navigationspfeile und Abstandsempfehlungen auf die Straße bzw. in die Umwelt projiziert - bei Nachtfahrten erschien uns dies allerdings oftmals irritierend.
Wer häufig viel unterwegs ist, sollte sich auf die WLTP-Reichweitenangabe nicht verlassen. Derjenige wird auch sehr bald über die langsame Ladeleistung sinnieren. Für jemanden, der seinen starken Verbrenner vornehmlich auf der Pendelstrecke ins Büro genutzt hat und der viel Platz auf kleinem Raum samt ansprechender Optik und Premiumfeatures benötigt, für den erscheint der neue Audi Q4 e-tron hingegen das richtige Elektroauto zu sein. Die Reichweite und die verfügbare Kraft wirken für diese Einsatzzwecke ausreichend, der Allradantrieb gibt die nötige Portion Sicherheit. Dann wäre da nur noch das Preisschild. (Text: Maximilian Planker | Bilder: Hersteller)