Unter Fans wurde er liebevoll der Kurze genannt. Die Rede ist vom Audi Sport quattro, der zwischen 1984 und 1985 in einer nur geringen Stückzahl vom Band lief. Um genau zu sein wurden lediglich 220 Sport quattros mit Straßenzulassung gebaut – mehr waren auch nicht nötig. Denn der 306 PS starke Allrad-Sportwagen wurde primär als Homologationsprodukt auf den Markt gebracht, damit Audi mit dem wahnwitzigen Sport quattro S1 in die Rallye-Weltmeisterschaft um die Gruppe B starten konnte. Hier leistete der Sportler zunächst 450 PS, als E2-Variante dann 530 PS und als Pikes-Peak-Renner gar heftige 598 PS. Walter Röhrl, Steve Blomqvist und Hannu Mikkola pilotierten den S1 quattro ab 1984 über die Schlamm- und Staubpisten dieser Welt.
220 Mal gebaut und sündhaft teuer
Die Rallye-Altmeister benötigten im leistungsstärksten Audi quattro lediglich 2,5 Sekunden um aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen. Die hier gefahrene Serienversion, unterhalten und im Besitz von Audi Tradition in Ingolstadt, ließ sich da länger Zeit. Knapp unter fünf Sekunden waren für 1984 allerdings immer noch ein Wort, konnte selbst ein Porsche 930 Turbo nicht schneller auf 100 Stundenkilometer eilen. Bei den Leistungsangaben übertrumpfte man die Stuttgarter ferner um sechs Pferdestärken, was zur Folge hatte, dass der Audi Sport quattro kurzzeitig der leistungsstärkste Sportwagen aus deutscher Serienproduktion war. Der aus dem Audi 200 und Audi quattro Coupé übernommene, aber stark überarbeitete, 2,1 Liter große Fünfzylinder-Turbo war gut für Tempo 248 und legte in den darauffolgenden Jahren den Grundstein für eine ganze Reihe leistungsstarker Audi-Modelle. Mit einem Grundpreis ab 195.000 D-Mark war der Sport quattro außerdem alles andere als günstig.
Fünf ist Trumpf
Doch genug in den Geschichtsbüchern gewälzt. Die eigentlichen Fragen sind doch, ob der enorme Preis (gebraucht zwischen 350.000 und 550.000 Euro) gerechtfertigt ist und woher die große Faszination des Sport quattro kommt? Zunächst ist es natürlich die geringe Stückzahl, die hier einschlägt. Denn obwohl die besagten 220 Stück produziert wurden – im Alltag wird man auf keines dieser Fahrzeuge treffen. Noch dazu, weil nur rund 170 Fahrzeuge wirklich an Privatkunden ausgeliefert wurden. Hineingeschwungen in den 80er Jahre Sportwagen muss man aber auch festhalten: Der Sport quattro zeigt im Interieur keine edlen Materialien und versteckt seinen teuren Pelz ganz offensichtlich anderswo. Der Chic der guten alten Zeit, er ist eine Ansammlung allerhand kruder Kunststoffflächen, verblichener Lederteile und offener Ziernähte. Ok, der Zahn der Zeit geht auch an einem Sport quattro nicht spurlos vorüber, aber es wird einem schnell bewusst, dass man hier eben in einem Audi 80 sitzt.
Ernüchterung im Innenraum
Die anfängliche Ernüchterung bezüglich der Materialanmutung wird teilweise durch ein sehr fahrerorientiertes Cockpit wettgemacht. Wie ein guter Anzug passen die vielfach verstellbaren Recaros, das dünne Volant liegt gut in der Hand und das spärlich bestückte Kombiinstrument ist leicht abzulesen. Neben das eigentliche Armaturenbrett setzte man noch Anzeigen für Batteriespannung, Öl- und Ladedruck, wohingegen das Radio vor allem durch seinen „Audi design“-Schriftzug glänzt, aber weniger durch seine Bedienung. Elektrische Fensterheber gibt es keine, genauso wenig wie eine Klimaanlage. Beides war jedoch in der Komfort-Variante bestellbar. Ebenso wie der Außenspiegel für die Beifahrerseite, der an unserem Testwagen fehlt.
Auf der Suche nach der Faszination
Nun lamentieren wir bereits einen Absatz lang über einen alten Autoinnenraum, wobei die eigentliche Musik doch unter der Motorhaube spielt. Der 5-Zylinder-Turbo ist es wahrscheinlich auch, der den größten Anteil an der Faszination des Sport quattro ausmacht. Mittels des zierlichen Zündschlüssels wird der Fünfender zum Leben erweckt, braucht nach ein paar Monaten Standzeit aber sichtlich längere Orgelmomente bis er, zunächst unrund, dann mehr und mehr nach einem Motor klingend, im Leerlauf verweilt. Nun den ersten Gang einlegen, sachte einkuppeln, langsam anrollen und dann feststellen: Fühlt sich an wie ein Audi 80. Was abermals nach Enttäuschung klingt ist im Grunde ein Tribut an die einfache Handhabung dieser Ikone. Eine Sache, die für leistungsstarkes Autos der 1980er sicherlich nicht selbstverständlich ist. Richtig spektakulär wird es im Sport quattro ohnehin erst, gibt man ihm nach der Warmlaufphase ordentlich die Sporen.
Der Sport quattro braucht Drehzahl
Keine Frage: Der 2,1-Liter-Turbomotor braucht ordentlich Drehzahl um in Fahrt zu kommen. Klingt er im unteren bis mittleren Drehzahlbereich eher verhaltend grummelnd, blüht er mitsamt seiner Leistungskurve jenseits der 4.500 Touren mächtig auf. Passend zum nunmehr herrlichen 5-Zylinder-Sound stellt sich die Fahrzeugfront beim vehementen Beschleunigen leicht gen Himmel. Wankstabilisierung, adaptive Fahrwerksregelung oder ESP – waren Schnee von morgen. Im Sport quattro sitzend überlegt man es sich daher zweimal, ob man jene kostbare Ikone wirklich derlei beherzt in die nächste Kurve zirkeln möchte. Vor allem da die Lenkung und das 5-Gang-Getriebe etwas ungenau arbeiten, ist vom Fahrer stets höchste Konzentration gefordert. Und so steht beim Sport quattro weniger das perfekte, dafür aber klar das ehrliche Fahrerlebnis im Vordergrund.
Zum Schluss noch eine kleine Besonderheit: Den Audi Sport quattro gab es in den Farben Alpinweiss, Tornadorot, Kopenhagenblau und Machalitgrün zu bestellen. Nur zwei Fahrzeuge wurden in Schwarz lackiert. Sie gehörten dem einstigen Audi Chef und VW Patriarchen Ferdinand Piëch.
Fazit
Kann man überhaupt ein Fazit über ein Auto schreiben, das man so wahrscheinlich nie besitzen oder gar auf öffentlichen Straßen sehen wird? Nur oberflächlich und wohl, wenn man ehrlich ist, meist nicht mit dem gebührenden Respekt verbunden. Der Audi Sport quattro ist eine Legende, die zwar nicht besser fährt als viele normale Autos aus jener Zeit, die aber wegweisend für die Entwicklung von Audi in den 1980er Jahren war. Und da Legenden zum Träumen da sind, bleibt auch bei uns nicht der Eindruck eines gewöhnlichen Audi 80 im Gedächtnis, sondern die Faszination quattro, der Mythos Fünfzylinder und die Rennsportgeschichten rund um einen homologierten Gruppe B Boliden. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Audi Sport quattro
- Motor: Fünfzylinder-Turbo, 2.133 ccm
- Leistung: 306 PS (225 kW) bei 6.700 U/min
- Drehmoment: 330 Nm bei 4.500 U/min
- Antrieb: Allrad, 5-Gang-Schaltgetriebe
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 248 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,16 m/1,78 m/1,34 m
- Gewicht: ca. 1.300 kg
- Grundpreis 1984: 195.000 D-Mark
*Herstellerangaben