Der erste RS, der Audi 80 avant RS2 ist zwischenzeitlich zum Klassiker gereift. AutoScout24 erklärt, worauf Sie beim Kauf achten sollten. Als Audi 1994 der Weltpresse den Audi 80 avant RS2 präsentierte staunte diese nicht schlecht. Zwar war man bis dato schon einige Überraschungen aus Ingolstadt gewohnt, aber eine Zusammenarbeit mit Porsche gehörte nicht dazu. Audi nutzte den klangvollen Namen der in finanzielle Nöte geratenen Zuffenhausener Sportwagenschmiede geschickt, um dem etwas biederen Ausgangsprodukt mehr Glanz zu verleihen. Der in seiner Grundkarosse unveränderte Audi 80 avant wurde zwar bei Porsche komplettiert, nötig war dies freilich nicht. Denn lediglich Stoßfänger, Schweller und Kleinteile stammten aus dem Sportwagenprogramm. Alles andere war, wenn auch modifiziert, aus dem Audi Regal entnommen worden. So auch der phänomenale 2,2 Liter Fünfzylinder Turbomotor samt Sechsganggetriebe.
Das Ergebnis war jedoch trotz dieser, nach heutigen Maßstäben, einfachen Bauweise außerordentlich überzeugend. Für rund 99.000 DM erhielten bis zum Sommer 1996 rund 3.000 Käufer einen Sportwagen im Kombiformat, dermit Recht zu den Mitbegründer des Lifestylekombis zählen darf. 315 PS sorgten für ansprechende Fahrleistungen und machten den RS2 zum schnellsten Audi seiner Zeit. Binnen 5,4 Sekunden wurden die 100 km/h erreicht und erst bei 262 km/h war Schluss. Tuner entdeckten die hohen Reserven des robusten Grauguss Aggregates wenig später für sich und erzielten nicht selten Leistungswerte von deutlich über 450 PS. Neben den Antriebsmodifikationen setzte Audi auch auf ein tiefergelegtes Fahrwerk, originale 17 Zoll Porsche Felgen und eine Porsche Bremsanlage. Letztere war, nicht zuletzt wegen der weitgehend unterdimensionierten Radaufhängung, stets Ursache von Kundenbeschwerden.
Robuster Antrieb dank langjähriger Erprobung
Herzstück des Audi 80 avant RS2 ist der millionenhaft bewährte Grauguß-Fünfzylinder. Der nur 2,226 ccm große Motor erhielt für den Einsatz im RS2 einen Leichtmetall Vierventilkopf, wie er bereits im Audi quattro sport von 1994 Verwendung fand. Aufgrund der sorgfältigen Konstruktion und der hohen Materialgüte gehören kapitale Motorschäden im RS2 daher zur Ausnahme und sind eigentlich nur bei Fehlbedienung oder grobem Unfug zu verzeichnen. Mehr Probleme bereiten da schon die Anbauteile des Motors.
So weißt der speziell für den RS entwickelte Abgaskrümmer (Grauguss) häufig Hitzerisse auf, was sich insbesondere bei kalter Maschine durch unschöne Zischelgeräusche bemerkbar macht. Der ebenfalls speziell beim RS2 verbaute Turbolader (KKK 26) ist nur dann ein Problemfall,wenn der Wagen sehr dynamisch bewegt wurde. Dann verschleißen die inneren Simmeringe und es kommt zur Ölverkokung, die sich in fortgeschrittenem Stadium in blauen Dunstwolken beim morgendlichen Kaltstart bemerkbar machen.
Ähnlich übersichtlich wie die Mechanik gestaltet sich beim Audi 80 avant RS2 die Motorelektronik. Im Gegensatz zu heutigen Fahrzeugen reichte dem Audi damals eine geringe Anzahl von Aktoren und Sensoren, um das Motormanagement mit Informationen zu versorgen. Poröse Kabel, alternde und damit träge Lambdasonden sowie sporadisch defekte Hallgeber und Luftmassenmesser lauten die häufigsten Defekte. Ebenfalls durch die hohe Abwärme des Turbomotors betroffen sind die Leitungen der Einzelzündspulen im Zylinderkopfdeckel. Bei Ihnen bröckelt die Isolationsschicht meist großflächig ab, so dass die unisolierten Kabel das Motorgehäuse berühren können; Kurzschlußgefahr ist die Folge. Abhilfe schaffen mittlerweile nur Neuteile von Audi, da auch das gebrauchte Material stark gealtert ist. Bei der Bestellung am Teiletresen des Audipartners sollte in jedem Fall die Zusatzwasserpumpe mitbestellt werden. Diese aus Kunststoff gefertigte Einheit sorgt für die Zirkulation des Kühlwassers bei heiß abgestelltem Motor. Ihre Gehäusehälften sind verklebt, weshalb sie irgendwann auseinanderbrechen und das Kühlwasser schlagartig den Weg ins Freie sucht. Wer dies rechtzeitig bemerkt, hat Glück, alle anderen benötigen mindestens eine neue Zylinderkopfdichtung.
Über alle viere - Der Allradantrieb
Ähnlich wie bereits das 230 PS starke Ausgangsmodell, dem Audi 80 avant S2, verfügt auch der Audi RS2 über ein 6-Gang-Schaltgetriebe mit Allradantrieb. Via zweigeteilter Kardanwelle gelangt die Kraft an die Hinterachse, deren Differential auf Knopfdruck zu 100% sperrbar ist. Der großen Erfahrung von Audi ist es zu verdanken, dass bis auf normale Alterungsschäden wie gerissene Achsmanschetten oder verbrauchte Kupplungen an dem Antriebsstrang kaum Probleme auftauchen. Zwar lässt sich die Kupplung im fortgeschrittenen Alter meist nur mit hohen Bedienkräften zum Trennen überreden, dies ist jedoch lediglich ein Schönheitsfehler und kann beim nächsten Kupplungstausch durch ein neues Ausrücklager beseitigt werden. Nicht beheben lässt sich das bei Fahrzeugen mit hohen Laufleistungen häufig hörbare Leerlaufrasseln des Getriebes sowie der spürbare Lastwechselschlag beim harschen Gangwechsel. Dies sind Eigenarten, die lediglich im Neuzustand in gemilderter Form auftraten, bei Laufleistungen jenseits der 150 tkm Marke jedoch typisch sind.
Klappern gehört zum Handwerk - Das Fahrwerk
Deutlich anfälliger als der Rest der Mechanik gibt sich hingegen das Fahrwerk des RS2. Das liegt vor allem darin begründet, dass Audi sich die Kosten einer eigenen modellspezifischen Entwicklung gespart hatte und auf Komponenten zurückgriff, die auch in jedem Audi 80 avant 2,6 e verbaut wurden. Lediglich Feder-und Dämpferraten sowie einige Gummibuchsen wurden der erhöhten Belastung angepasst, weshalb speziell die Vorderachse mit der Hebelwirkung der 17 Zoll Bereifung überfordert ist. Poltern und Klappern gehört daher beim RS2 zu den Ärgernissen, denen man nur durch die vollständige Überholung der labilen Achskonstruktion abhelfen kann. Eine Investition, mit rund 1.000 Euro zu Buche schlägt. Einzelmaßnahmen, wie der Austausch der Dreieckslenkerlager sorgen dagegen nur selten für Ruhe. Die Hinterachse ist dagegen frei von derartigen Problemen. Hier unterliegen lediglich die Stoßdämpfer dem normalen Verschleiß. Das Lenkgetriebe, es wurden sowohl eine geschwindigkeitsabhängige Servotroniclenkung als auch normale Lenkungen verbaut, fällt gelegentlich durch plötzlichen Ölverlust, sowie durch Quietschen auf. Ersteres bedeutet den Austausch letzteres eine hinzunehmende Geräuschquelle.
Neben den Geräuschen aus dem Fahrwerk sorgt im RS2 aber auch die Bremsanlage für regelmäßige Unterhaltung. Zwar hatte Audi es gut gemeint und eine Anlage von Porsche (Brembo) installiert, doch erwies sich die erste Version als zu unterdimensioniert. Die 304 mm großen Scheiben verzogen sich bei dynamischer Fahrweise schneller, als Audi liefern konnte und so wurden zahlreiche Fahrzeuge im nachherrein auf die deutlich größere 322 Millimeter Scheibe des Porsche 993 turbo umgerüstet. Eine Maßnahme, die jedoch nur kurzfristig für Ruhe sorgte, denn die großzügigen Tolleranzen der Radaufhängung, die üppigen Breitreifen und die insgesamt wackelige Konstruktion sorgen in der Regel bereits kurz nach dem Bremsentausch für erneute Unruhe und Geräuschbelästigung. Abhilfe suchten damals viele RS 2 Fahrer durch Installation von Tunning Bremsanlagen, deren Einbau trotz Verstoß gegen das Originalitätsgebot als Vorteil zu verbuchen ist. Auch der Austausch der serienmäßigen Gummibremsschläuche gegen Stahlflex Exemplare ist zwar nicht original, bringt aber eine deutliche Verbesserung der Performance.
Nicht zu ändern ist dagegen die aus den großen Audimodellen der 90er Jahre übernommene Hydraulikanlage, die auch den Bremskraftverstärker beaufschlagt. Im Laufe der Jahre kommt es speziell an der Hydraulikpumpe zu Undichtigkeiten, was sich vor allem durch einen beißenden Geruch bei warmem Motor sowie durch Ölverlust an den Schlauchverbindungen und an der Hydraulikpumpe bemerkbar macht. Zudem altert der in das mit 120 bar Systemdruck operierende System eingebundene Druckspeicher. Prüfen lässt sich dieser Defekt durch mehrmaliges Pumpen des Bremspedals im Leerlauf des Motors. Lässt sich das Pedal dabei nur mit Vibrationen treten, ist der rund 700 Euro teure Bremskraftverstärker defekt. Leuchtet zudem nach den ersten Wiederholungen die rote Kontrollleuchte im serienmäßigen Auto Check System auf, ist es Zeit für einen neuen Druckspeicher, dessen Stickstoffvorrat entwichen ist.
Stabil wie eine Burg - Karosserie und Elektrik
Für die Karosse gibt es ein einwandfreies Zeugnis auszustellen. Ein unfallfreier RS 2 ist stabil und geräuscharm wie eine Burg. Selbst Fahrzeuge mit üppigen Laufleistungen hinterlassen in diesem Punkt einen guten Eindruck. Ein besonderes Augenmerk verdienen die Stoßfänger. Sie sind spezielle RS-Bauteile und sündhaft teuer. Achten Sie daher besonders auf Risse durch Parkrempler. Die Elopsid (kein Xenon lieferbar) Scheinwerfer bieten schlechte Lichtausbeute und verschleißen schnell. Achten Sie hier insbesondere auch auf die Befestigungshalter der Scheinwerfer. Fehlen von den vier Laschen bereits einige oder sind diese geklebt, spricht dies für einen vormaligen Frontschaden. Türen, Klappen und Deckel entsprechen dem Audi 80 avant und sind entsprechend günstig. Schäden an diesen Bauteilen enttarnen Sie am einfachsten durch die Kontrolle der Scharnierschrauben. Sofern sie die originale Farbe an diesen Schrauben befindet und keine montagebedingten Lackabplatzungen zu sehen sind, kann man einen Vorschaden an diesen Bauteilen ausschließen.
Audi legte beim Audi 80 bereits großen Wert auf eine hochwertige Anmutung, die im Falle des RS2 durch zwei halbelektrische Recarositze noch verstärkt wurde. Wahlweise waren diese entweder mit vollständig mit schwarzem Leder oder aber mit einem Alcantara/Ledermix bezogen. Ausgefranste Sitzaußenwangen des Fahrersitzes sind bei den wulstigen Sitzen ebenso normal, wie eine Knötchenbildung des Alcantaramaterials. Prüfen sollte man in diesem Zusammenhang auch noch die nur langsam operierende Sitzheizung, da der tausch der Heizmatten sehr kostspielig ist. Gelegentlich streikende ZV-Pumpen, defekte Klimaanlagenstellmotoren und Bediendisplays sowie defekte Beleuchtungsbirnchen lassen sich dagegen aufgrund der Nähe zum normalen Audi 80 für wenige Euros in Eigenregie beheben. Fachlicher Hilfe ist dagegen bei einem defekten Klimakompressor in Anspruch zu nehmen. Der von einem Keilriemen angetriebene Kompressor fällt erst durch erhöhte Geräuschbildung auf und wenig später komplett aus. Reparaturen an dem Aggregat sind zwecklos, da der Kompressor meist im Innern verschlissen ist. Es bleibt nur der Austausch für rund 800 Euro. Abzuraten ist dabei von preiswerten Teilen namenloser Drittanbieter, da diese nach kurzer Betriebszeit erneut ausfallen.
Kein billiger Spaß - Preis und Marktlage
Die Preise für den RS 2 sind in den letzten Jahren eng zusammengerückt. Zwischen 14.000 Euro für Langstreckenautos und 20.000 Euro für Spitzenfahrzeuge reicht die derzeitige Angebotspalette. Das Angebot mit guten bis sehr guten Fahrzeugen ist zwar überschaubar, doch ist das Interesse, zumindest in Deutschland, nicht zuletzt durch die üppigen Unterhaltskosten stark abgeflaut. Gewarnt sei vor verbastelten Tunning Ruinen aus 3. oder 4 Besitz. RS2 Fahrzeuge waren in ihrer Hochzeit beliebtes Gut von Autodieben, die die Fahrzeuge ausgeschlachtet haben, um die Einzelteile zu verkaufen. Nicht selten gelangten teilgeschlachtete Fahrzeuge von den Höfen der Versicherer zu dubiosen Hinterhofwerkstätten, die sie erneut mit gestohlenen Teilen wieder komplettierten. Eine Nachfrage beim Vorbesitzer sollte vor Abschluß des Vertrages zum Pflichtprogramm gehören. In der Summe seiner Eigenschaften stellt der Audi RS 2 eine empfehlenswerte Anschaffung dar. Immer vorausgesetzt, der Interessent findet ein gepflegtes und seriös bewegtes Fahrzeug mit moderater Laufleistung, kann der RS 2 auch 18 Jahre nach seinem Debüt locker seine Faszination ausspielen. Dies gelingt ihm umso mehr, als er in der Masse der uniformen Langweilerkombis als Individualist heraussticht und seinen modernen Brüdern durchaus noch das schmucke Heck zeigen kann. Zu seinen Tugenden, wie die durchdachte Konstruktion und die für ein solches Fahrzeug erstaunliche Alltagstauglichkeit, gesellt sich der Schuss Exklusivität, den nur Kleinserienfahrzeuge für sich in Anspruch nehmen können.