Der Audi RS 6 Avant (C5) auf einen Blick
- Erster RS 6 ab 2002
- 4,2-Liter-V8-Biturbo mit 450 PS
- 0-100 km/h in 4,9 s; 0-200 km/h in 17,8 s
- Traktionsstark und agil
- Hochwertiger Innenraum
- Ehemaliger Neupreis (Avant) 89.600 Euro
Geschichte & Design | Motor & Fahreindruck | Preise & Innenraum | Platzverhältnisse | Fazit
Geschichte & Design: Gut gealtert!
Wir erinnern uns noch ganz entfernt an diesen einen TV-Beitrag. Damals, auf einem deutschen Privatsender, wurden der Audi Avant RS2 (nur echt in dieser Reihenfolge), RS 4 und RS 6 miteinander verglichen. Jedes dieser Autos markierte für seine, oft kurze, Epoche einen gewaltigen Meilenstein. Der RS 2 war (gemeinsam mit dem S6 C4) der letzte „gute“ Fünfzylinder-Turbo von Audi, der RS 4 das erste Auto der Neckarsulmer quattro GmbH mit doppelt aufgeladenem Sechszylinder und durch sein Erscheinen im Jahr 1999 ein wahres Jahrtausend-Modell. Ab 2002 repräsentierte dann der RS 6 Avant der Modellgeneration C5 die sportliche Audi Modellfamilie mit einem 450 PS starken V8-Biturbo.
Breit und tief steht er vor uns. Ein geschultes Auge braucht es schon, um die RS-Insignien zweifelsfrei zu erkennen. Abgesehen von den Logos sind dies der Wabengrill vorn, die ausgestellten Radhäuser und die beiden faustdicken, ovalen Abgasendrohre – damals noch echt und keine Aufsteckblenden. Während wir den Power-Avant betrachten, fällt es schwer zu glauben, dass dieses Auto bereits 22 Jahre alt ist. Wir würden sagen: gut gealtert!
Jetzt lesen: Fahrbericht Audi RS 6 Avant Performance (2024)
Motor & Fahreindruck: Sorgfältig abgestimmt
Derweil schlummert unter der Haube das eigentliche Kraftpaket: ein 450 PS und 560 Nm starker 4,2-Liter-V8-Biturbo, der den schnellen Kombi in 4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultiert – Anfang der 2000er annähernd Porsche-Turbo-Niveau! Elektronisch abgeregelt wurde der Fahrspaß bei Tempo 250. Im Museumsstück aus der Sammlung der Audi Tradition gingen wir es freilich etwas ruhiger an und lauschten beim bedächtigen Herausbeschleunigen lieber dem unverfälschten Klang des Achtzylinders, der mit einer optionalen Sportabgasanlage noch mehr Tonalität entwickeln konnte.
Auch nach heutigen Maßstäben ist die Gasannahme spontan, das maximale Drehmoment liegt bereits früh ab 1.950 U/min an, das Fünfgang-Tiptronic-Getriebe wechselt die Fahrstufen einigermaßen zügig und das serienmäßige Dynamic-Ride-Control-Fahrwerk (DRC) hält die Balance zwischen sportlicher Härte und komfortabler Langstreckentauglichkeit. Die hydraulisch arbeitenden Dämpfer, die über Kreuz miteinander verbunden sind, um Wank- und Nickbewegungen auszugleichen, waren zur Markteinführung des RS 6 ein Novum – heute jedoch sorgen sie bei Gebrauchtwagenkäufern gerne für lange Gesichter aufgrund der hohen Ersatzteilpreise.
Jetzt lesen: Kaufberatung Audi A6 4.2 (C5)
Allerdings ist unser Testwagen mit etwas über 32.000 Kilometern auf dem Tacho gerade erst eingefahren; Verschleißerscheinungen zeigen sich höchstens am klebrigen und sich leicht lösenden Softlack im Innenraum. Vielmehr beeindruckt auch heute noch, wie sorgfältig dieses Auto abgestimmt wurde. Der in jeder Lebenslage bärig anschiebende Motor, das verschliffen arbeitende Getriebe, die gut gewichtete Lenkung und das mit Restkomfort beseelte Fahrwerk harmonieren insbesondere auf geschwungenen Landstraßen nahezu perfekt; der Quattro-Allradantrieb verteilt die ab 5.700 Touren anliegenden 450 PS im Grundverhältnis 50:50 auf die Straße und sorgt jederzeit für üppige Traktion.
Preise & Innenraum: Die automobile Schweiz
Damals konnte man die Eigenheiten der drei großen Premiummarken aus Stuttgart, München und Ingolstadt halt noch richtig herausfahren. Besonders die leistungsstarken Audis jener Zeit galten jedoch als die automobile Schweiz: neutral, verlässlich und teuer. So lag der Grundpreis des Audi RS 6 Avant im Jahr 2003 bei 89.600 Euro (87.500 Euro für die RS 6 Limousine); ein BMW M5 (noch E39) war bereits ab 75.500 Euro zu haben.
Es sind jedoch nicht nur die Fahreigenschaften, die zu überzeugen wussten: Die Innenraumqualität des RS 6 C5 ist über jeden Zweifel erhaben. Vollelektrische Recaro-Sportsitze mit dickem Seidennappabezug, Echtholzeinlagen aus Pappelholz und hochwertige Kunststoffe wirken im Verbund mit der Schaltkulisse aus gebürstetem Aluminium wie aus einem Guss. Selbst nach 22 Jahren klappert nichts; alles wirkt für die Ewigkeit gebaut. Einzig der zuvor erwähnte Softlack könnte eine Überarbeitung vertragen, aber dafür gibt es mittlerweile auch den ein oder anderen Spezialisten. Selbstverständlich blickt man hinter dem griffigen Sportlenkrad auf gut ablesbare, analoge Instrumente; das Navigation-Plus-System könnte uns sogar 2024 (auf Umwegen) noch zurück nach Ingolstadt leiten.
Platzverhältnisse: Transportiert mehr als Luft und Liebe
Das Alter merkt man dem Audi RS 6 Avant eher an seinen Platzverhältnissen an. Besonders in der zweiten Reihe zwickt es früh im Kniebereich, und auf die reinen Zahlen reduziert wirkt ein Kofferraumvolumen von 455 bis 1.590 Litern ebenfalls nicht allzu üppig bemessen. Dennoch gilt, dass der Power-Avant nicht nur Luft und Liebe, sondern im Zweifel auch wirklich Gepäck transportieren kann.
Fazit
Der Audi RS 6 Avant (C5) entführt uns zurück in eine Ära, als der „Vorsprung durch Technik“ bei Audi noch spürbar gelebt wurde – und man die ikonischen vier Ringe im Kühlergrill mit Stolz trug. Der lebendige Biturbo-V8, das neutrale, traktionsstarke Fahrverhalten und die herausragende Innenraumqualität bereiten selbst nach 20 Jahren noch große Freude und lassen uns zugleich nachdenklich werden: Warum geht das heute nicht mehr? (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)