Lange Zeit wurde die aktuelle Generation des Audi A8 eher stiefmütterlich behandelt. Sie stand im Schatten der großen Q-Modelle und ständigen Auffrischungen im Mittelklassesegment der Ingolstädter. Die Umstellung auf das WLTP-Prüfverfahren machte es dem A8 gleichermaßen nicht leicht, die Abkehr vom Diesel noch weniger. Doch wie der Phönix aus der Asche betritt die Oberklasselimousine nun wieder die Weltbühne und darf endlich über einen Achtzylinder verfügen. Auf Einladung des Herstellers sind wir im Umland von Barcelona erstmals den neuen Audi S8 gefahren – sozusagen das Flaggschiff des Flaggschiffs. (Kraftstoffverbrauch kombiniert in l/100 km: 11,3 – 11,4; CO2-Emission kombiniert g/km: 258 – 260²).
Audi S8 behält den V8 und wird zum Mild-Hybrid
Das Herzstück der neuen Sportlimousine ist dabei sicherlich der Biturbo-Achtzylinder, der aus knapp vier Liter Hubraum stolze 571 PS bei 6.000 Touren und schon ab einer Drehzahl von 2.000 U/min 800 Newtonmeter Drehmoment mobilisiert. Trotz dieser Leistungsdaten: Das Ingolstädter Oberhaus lernt das Kraftstoffsparen. Zylinderabschaltung und 48-Volt-Bordnetz sind serienmäßig – letzteres sorgt im Verbund mit einem Riemen-Starter-Generator für vermehrte Segeleinlagen und eine Kraftstoffreduktion laut Audi um bis zu 0,8 Liter auf 100 Kilometer. Damit fährt der neue Audi S8 stets als Mild-Hybrid vor, wobei gerade jene keine Angst vor diesem Techniksprung haben müssen, die um die Qualitäten eines echten Achtzylinders bangen.
Dezenter Klang, rasanter Antritt
Der V8 gibt weiterhin den Ton an, wenngleich man ihn im Normalfall kaum zu hören bekommt. Erst mit einem vehementen Tritt aufs Gaspedal erwacht der 4.0 TFSI akustisch zum Leben, drückt einen aber davor schon ordentlich ins Lederpolster. Lediglich 3,8 Sekunden benötigt die Limousine gemäß Datenblatt aus dem Stand auf Tempo 100 - was wir dem Audi S8 durchaus glauben. Bei derlei dynamischer Fahrweise ist das Aggregat im Bug akustisch stets präsent, aber gleichzeitig nie aufdringlich. Bemerkenswert ist ebenfalls das spontane Ansprechverhalten des Biturbos, welches zu keiner Zeit erahnen lässt, dass man mindestens 2.305 Kilogramm Fahrzeuggewicht mit sich herumschleppt. Jenes Gewicht wird nicht einmal dann zum Problem, geht es mit dem Audi S8 in das Katalanische Vorküstengebirge.
Endlich wieder ein Vorsprung bei der Technik
Ohne Klagen erträgt der große Audi das Kurvenschauspiel und wirkt fahrdynamisch gleichzeitig kompakter, als seine Größe das zunächst vermuten lässt. Umso härter man den Audi S8 folglich durch Biegungen prügelt, umso stärker saugt er sich in die Kurve, verschlingt sie und quittiert die Hatz nicht einmal mit einem Reifenwimmern. Maßgeblich dafür verantwortlich ist das Technikfeuerwerk, das Audi bei den Fahrwerkskomponenten abbrennen lässt. Quattro-Allrad mit Sportdifferenzial, Dynamik-Allradlenkung und das neue vorausschauende Aktivfahrwerk sind im Serienumfang enthalten und verhelfen dem S8 zu beinahe surrealen Kurvengeschwindigkeiten.
Lenkung nicht immer perfekt
Erst wer jenseits aller guten Geister versucht die physikalischen Grenzen mit dem Audi S8 neu auszuloten, wird ein vermehrtes Schieben über die Vorderräder wahrnehmen. Doch keinesfalls so früh und ausgeprägt, wie bei allen anderen S8 Generationen zuvor. Geblieben ist hingegen der Wunsch nach einer situationsbedingt besseren Lenkung. Audi hat über die Jahre zwar spürbare Fortschritte gemacht, doch gerade die Dynamik-Stellung der elektrischen Lenkung wirkt zu verkrampft, verhärtet sich unnatürlich und passt nicht zum sonst so herrlich austarierten Wagen. Im Individual-Menü von Audis drive select lässt sich dieser Umstand zumindest abmildern, belässt man die Lenkung im „ausgewogenen“ Betrieb.
Automatik wirkt unentschlossen
Kritik, die man hingegen nicht elektronisch umgehen kann, geht in Richtung des 8-Gang-Automatikgetriebes von ZF. Dessen Schaltzeiten sind in aller Regel phänomenal kurz und so wird man im Alltagsbetrieb kaum ein Getriebe finden, das harmonischer und sanfter abgestimmt ist. Bittet man den Wandlerautomaten hingegen zum flotten Tanz, wirkt die Fahrstufenauswahl unentschlossen und manchmal träge. Hinzu kommt, dass das Getriebe in der manuellen Schaltgasse nahe dem Drehzahlbegrenzer selbstständig in den nächsthöheren Gang wechselt. Was für ein Chauffeurs-Auto noch in Ordnung gehen mag, könnte den echten Selbstfahrer einer Sportlimousine unter Umständen enttäuschen.
Perfektion im Innenraum
Keine Enttäuschung hingegen im Innenraum: Diesen beherrschen sie einfach bei Audi, hier wird nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt. Leder soweit das Auge blickt und die Hände reichen, detailverliebt verarbeitet und gleichzeitig von bester Qualität. Auch das Bedienkonzept weiß zu überzeugen. Audis virtual cockpit ist kaum mehr wegzudenken, ist im S8 um einen S-Performance-Layout erweiterbar und lässt sich ähnlich spielend bedienen wie das restliche MMI Navigationssystem. Wir haben großen Gefallen gefunden an der glasklaren Display-Darstellung und finden es gleichzeitig gut, dass die Bildschirmflächen nicht noch größer werden. Hier sei auch erwähnt: Ein echter Drehregler für Lautstärke und Titelsprung ist weiterhin vorhanden.
Businesslounge auf Rädern
Außerhalb von Europa wird der Audi S8 einzig mit langem Radstand angeboten, wir sind selbstredend die in Deutschland erhältliche Kurzversion gefahren. Wobei kurz bei einer Wagenlänge von 5,18 Meter ein durchaus dehnbarer Begriff ist. Vorne wie hinten sitzt man ausgesprochen luftig, die umfangreich einstellbaren Komfortsitze sind sehr bequem und wahlweise lässt sich der Fond auch wie eine Businesslounge samt eigenem Infotainment-System einrichten. An diesem Punkt angelangt, kommen wir noch einmal zum Aktivfahrwerk zurück, da es doch sehr zu den Chauffeurs-Qualitäten des Audi S8 passen mag.
Highlight: Aktivfahrwerk
Bereits beim Öffnen einer der vier Türen sorgen elektromechanische Aktoren im Zusammenspiel mit der Luftfederung dafür, dass die Karosserie sich blitzartig um 50 Millimeter anhebt. Das erleichtert den Einstieg und gibt bereits einen Ausblick darauf, was das Fahrwerk insgesamt zu Leisten imstande ist. Denn jene Anhebung funktioniert auch während der Fahrt und reduziert beispielsweise die Karosseriebewegung beim Überfahren von Bodenschwellen oder insgesamt bei schlechten Straßenverhältnissen.
Ferner ist das Aktivfahrwerk im Audi S8 in der Lage, Nickbewegungen beim Beschleunigen und Verzögern auszugleichen und neigt das gesamte Fahrzeug maximal um drei Grad ins Kurveninnere, um Querbeschleunigungskräfte zu mildern. Bei unserem ersten Test arbeitete das kamerabasiert vorausblickende Aktivfahrwerk bereits sehr harmonisch und im gleichermaßen neuen comfort+ Modus äußerst komfortabel. Gerade grobe Unebenheiten können aber nur im Rahmen der sehr begrenzten Systemgrenzen ausgeglichen werden. Bei Nässe, Schnee oder einem dicht vorausfahrenden Fahrzeug sind eben jene Grenzen schnell erreicht.
Erstes Fazit
Der neue Audi S8 4.0 TFSI verkörpert endlich wieder den Markenslogan "Vorsprung durch Technik". Innovative Fahrwerkstechnik trifft hier auf einen bärenstarken Achtzylinder-Biturbo, getoppt durch eine tolle Materialauswahl sowie einer manufakturartigen Verarbeitung. Doch so viel Luxus kostet: Mindestens 140.000 Euro für den Audi S8 sind ein Wort, die Optionsliste ist (sehr) lang und gleichermaßen kostspielig. In der ursprünglichen Pressemitteilung hat Audi mit dem S8 gleich zwei Autos versprochen: Einen Sportwagen und eine Luxuslimousine. Dieser Clou geht am Ende nur bedingt auf und muss auch gar nicht erfüllt werden. Denn auch als fein geschnitzte Sportlimousine mit dem Hang zum Luxus fühlt sich der Audi S8 sehr wohl. Größter und zugleich einziger Konkurrent? Aus unserer Sicht der BMW Alpina B7 (hier bei uns im Test). (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Audi S8 4.0 TFSI
- Motor: Achtzylinder-V, 3.996 ccm
- Leistung: 571 PS (420 kW) bei 6.000 U/min
- Drehmoment: 800 Nm bei 2.000 U/min
- Antrieb: Allrad, 8-Gang-Automatikgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 11,3 - 11,4 l SP /100 km²
- CO2-Emission kombiniert: 258 – 260 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 3,8 s
- Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 5,18 m/ 1,94 m/ 1,47 m
- Gewicht: 2.305 Kg
- Grundpreis: 140.000 Euro
*Herstellerangaben