Die Cabrio-Saison geht auch bis Oktober oder Januar oder einfach das ganze Jahr. Kommt eigentlich nur auf das Cabrio an.Gerade im Herbst aber macht Cabriofahren erst so richtig Spaß: Jeder niederschlagsfreie Tag wird zelebriert, ein passender Schal und Pulli hat immer Platz im Kofferraum, man fühlt sich gleich viel sportlicher wegen all der frischen Luft, und Stress kann ja gar nicht erst aufkommen, wenn innerhalb von 25sek die Mütze unten ist. Nur wenige gännen sich diese täglichen Auszeiten ganzjährig.
Im Audi Cabrio könnte man aber nicht nur das ganze Jahr offen fahren. Am liebsten würde man gleich einmal um die ganze Welt fahren, zumindest aber einmal über die Alpen an den Gardasee, vielleicht auch mal ans Meer.
Mal langsam
Aber man ist ja auch Vernunftmensch, jedenfalls ein bisschen. Dazu gehört, dass man sich den Fakten widmet: Der V6-Alumotor mit 2,4 Liter Hubraum produziert bei 6.000 Umdrehungen 170, meist leise PS. Das maximale Drehmoment von 230Nm wird bei 3.200 Touren gemessen.
Ergänzend muss man hinzufügen, dass der Tank 70l Super bleifrei fasst. Aber bloße Fakten werden dem Wagen nicht gerecht. Auch, dass der Standardsprint in 9,8sek erledigt ist und der Vortrieb erst bei 219km/h endet, sagt erstaunlich wenig aus. Langsamer als die anderen braucht man bei diesen Werten selten sein. Ist aber schön...
Wir hatten die Gelegenheit das Audi Cabrio sowohl auf Münchens Leopoldstrasse und Düsseldorfs Kö zu testen, als auch den einen oder anderen Abstecher aufs Land und in die Berge zu machen. Das Auffallendste während der gesamten Testphase war die Gelassenheit, die dieses Auto ermöglicht. Das traf sogar auf die Stuttgarter Autobahn zu und das will schon was heißen.
Karosserie
Das Audi Cabrio ist weit mehr als ein offener A4. Zunächst fehlen ihm zwei Türen, die gesamte Linie wirkt dadurch viel gestreckter.
Um den eigenständigen Charakter zu unterstreichen, erhielt der offene A4 auch andere Scheinwerfer und Rücklichter, sie machen das Auto sportlicher, von vorne wirkt er auch einen Tick aggressiver.
Unterschiede im Detail setzen sich im Innenraum fort, trotzdem bleibt der Audi familientypisch: In Ingolstadt entwickelt man die Autos eher behutsam, weniger radikal weiter.
Knistern hinten rechts
Eindrucksvoll gestalten sich Fahrten über Holperwege und nicht perfekte Strassen: Diese haben wir ausgiebig genutzt um der Karosseriesteifigkeit auf die Spur zu kommen. Und tatsächlich vernahmen die geschulten Tester-Ohren ein Knistern hinten rechts, das nach ein paar Minuten Konzentration und Mit-Wind-Fahren nicht zu überhören war... Ein nicht ganz sachgemäß eingesetztes Windschott! OK, ansonsten knarzt wirklich gar nichts.
Evolutionskraft
Das Audi Cabrio hat keinen direkten Vorfahren, vielmehr gibt es nur einen Großvater: Das letzte Cabrio aus Ingolstadt stammte noch vom Audi 80 ab, vom vorangegangenen A4 gab es nie eine offene Version. Um so leichter kann der Neue überzeugen, er weist die gleiche Fertigungsqualität wie die aktuelle Limousine und der Avant auf und bewegt sich damit auf außerordentlich hohem Niveau.
Innen pflegt das Cabrio jedoch einen eigenen Stil: Die Luftdüsen sind klassisch rund, es gibt auch mehr davon. Die bewährten Armaturen mit roter Beleuchtung und weißen Ziffern kennt man von Limousine und Avant. Der in die Mittelkonsole hineingezogene Bogen des Armaturenbretts erinnert jedoch eher an den TT, das Cockpit wirkt wie aus dem Vollen gefräst. Lenkrad und die langstreckentauglichen Ledersitze sind A4-Standard. Hinten geht es erwartungsgemäß kuschelig zu, die Fondpassagiere sollten sich schon etwas kennen oder sich zumindest kennen lernen wollen, sonst wird's einfach nur eng.
Innenraum
Die langen Türen bieten einen bequemen Einstieg für Fahrer und Beifahrer. Audi-typisch ist die Gediegenheit die einen empfängt. Die Materialien fassen sich gut an, alles wirkt solide und prima verarbeitet. Auch die Fondpassagiere spüren das, aber erst nachdem sie sich am elektrischen Vordersitz vorbei gequetscht haben. Bequem geht der Einstieg nur ohne Dach.
Zimmer mit Aussicht
Das wichtigste Zubehör steht gar nicht auf der Liste: Eine Kindersicherung fürs Dach. Das ist so spielend leicht zu öffnen, dass spielende Kinder am liebsten nichts anderes täten. Das hat aber den Vorteil, dass das Cabrio auch bestimmungsgemäß genutzt werden kann:
Offen bei jeder Gelegenheit. Man fragt sich unweigerlich, warum normale Cabriodächer immer noch manuell entriegelt werden müssen. Im Audi genügt ein Knopfdruck und die Frontscheibensicherung entriegelt, die Seitenscheiben senken sich ein bisschen, die Heckscheibe faltet geschickt nach oben, der Verdeckkasten hebt sich, und das Dach klappt sich nach oben hinten ein und verkrümelt sich fast unspektakulär hinter der Rückbank bevor sich der Verdeckkastendeckel wieder schließt. Das macht so viel Spaß, dass man am liebsten an der nächsten roten Ampel gleich noch mal von vorne anfängt.
Die Sicht nach hinten ist durch das recht kleine Heckfenster eingeschränkt. Schwerwiegender ist aber noch die durch das Stoffverdeck eingeschränkte Sicht nach links hinten - beim rechts abbiegen sieht man keine Radler.
Licht an
Eindrucksvoll ist die Cockpit-Beleuchtung: Die rot-weißen Bedienelemente und Anzeigen sind ein klarer Fortschritt gegenüber dem früheren A4. Tipp: für gerade mal €130,- gibt es das "Lichtpaket" und beleuchtete Fußräume vorne und hinten. Das rundet die Instrumentenlichtspiele geradezu perfekt ab!
Die Fensterheber befinden sich in den Türgriffen, wo sie hingehören, der Tempomat (€305,-) hat dagegen einen eigenen Hebel unterhalb des Blinkers. Die beiden verwechselt man wirklich nur am Anfang, das legt sich. Die serienmäßig links und rechts getrennt regelbare Klima-Automatik gibt keine Rätsel auf, morgens schätzt man die 6-fach regelbare Popoheizung.
Wo ist die CD?
Leider ist die Bedienung von Audio- und Navigations-System mit 6-fach CD-Wechsler (im Handschuhfach) nicht ganz so glücklich: CDs wechselt man in der Mittelkonsole mit den Rauf- und Runter-Pfeilen. Im Multifunktionslenkrad sind es dagegen die Rechts- und Links-Pfeile. Vom einen zum nächsten Song ist es dann wieder umgekehrt... Die HiFi-Anlage ohne Navi-Bildschirm ist da um Klassen ergonomischer.
Außerdem sitzt der informative Bildschirm viel zu tief in der Mittelkonsole, er gehört ins Armaturenbrett, mindestens auf Höhe der Belüftungsdüsen. Das Info-Display zwischen Drehzahlmesser und Tacho kann das nur zum Teil ausgleichen.
Sprudelkasten nur bei Regen
Der Kofferraum ist bei offenem Dach in der Höhe eingeschränkt - das Verdeck braucht irgendwo Platz. Das ist zwar durchaus klassenüblich, aber auch ärgerlich, denn so kann man Getränkekisten eigentlich nur bei Regen holen. Fährt man geschlossen, lässt sich der Verdeckkasten hochklappen, womit auch der Skisack leichter zu erreichen ist.
Bravo! Der Skisack (Serie) nimmt auch extrareite Snowboards auf, das ist nicht selbstverständlich. Das erhöht den Alltagsnutzen des Cabrios - zumal in Alpennähe - ganz erheblich.
Motor
Sechs Zylinder hat er und eine Multitronic. 170 PS lassen sich damit stufenlos auf die Strasse bringen. Meist ohne viel Tamtam, denn der 2.4l V-Motor läuft außerordentlich ruhig. Meistens merkt bemerkt man ihn gar nicht und das ist fast schon schade.
Mal eben um den Block gleiten
Die Multitronic (€ 2.005,-) ist einer herkömmlichen Wandlerautomatik schlichtweg überlegen: Es gibt keine ruckartigen Schaltvorgänge, wenn man es nicht will. Ein bisschen stellt sich das Gefühl ein, man wäre der Käpt'n eines kleinen Kreuzers: Gas geben und den Motor bei lauen zweieinhalbtausend Umdrehungen ruhig beschleunigen lassen. Wenn's schneller gehen soll, beschleunigt man eben bei konstant 4.500 Umdrehungen.
Wem das zu unsportlich ist, der kann sich entweder ein anderes Auto kaufen - oder die Handschaltung mit sechs Fahrstufen wählen. Dann lässt sich der Motor auch richtig ausdrehen. Wer's braucht...
Der lässige Kollege
Ein Sportler ist der 2.4 nämlich nicht, eher ein lässiger Kollege. Die 170 PS haben ordentlich zu schleppen, immerhin ist das nichtknarzende Cabrio 1,6 Tonnen schwer.
Der Standardsprint von 0 auf 100km/h ist in knapp 10 Sekunden erledigt. Das ist flott, aber nicht berauschend. Wer es brachialer braucht, muss € 4.500,- für den 220PS starken 3-Liter Motor locker machen. Der hat auch das sattere Drehmoment von 300Nm bei 3.00 Umdrehungen.
Trotzdem hat der kleine Sechszylinders ohne Gänge seine Berechtigung: Zum angenehm entspannten Reisen, ohne Hektik und nur selten auf der Überholspur.
Nimm 13
Will man auf der Autobahn die Höchstgeschwindigkeit von knapp 220 km/h austesten, so ist das problemlos und ohne feuchte Hände machbar. Das Serienfahrwerk ist nicht besonders sportlich in der Abstimmung, trotzdem liegt der Wagen satt und immer gut beherrschbar auf der Strasse.
Beherzt angegangene Kurven und abrupte Lastwechsel bügelt das serienmäßige ESP unbemerkt weg. Nur ein leichtes Untersteuern stellt sich irgendwann mal ein.
Bei der Autobahnhatz empfiehlt sich der manuelle Gangwechsel, so kann man spontaner beschleunigen, der Motor hängt besser an den Antriebsrädern vorne. Mit der Lenkradschaltung (€ 390,-) lassen sich die Gänge mit kleinen Wipptasten extrem cool wechseln.
Überholprestige ist durchaus vorhanden, Xenon-Lampen (€ 750,-) könnten dem durchaus noch Nachdruck verleihen. Traktionsprobleme treten keine auf, lediglich beim brutalen Anfahren auf feuchtem Untergrund glitscht es ein bisschen - bis die Elektronik sanft gegenregelt.
Umwelt
Der Hektiker wird vom Bordcomputer gezügelt. Denn bei flotter Fahrt verbraucht der Wagen leicht über 12l Super auf 100km. Dieser Wert ist leider auch in der Stadt kaum zu unterbieten. Das ist wohl der Preis für die steife Stahl-Karosserie und das damit verbundene Mehrgewicht. Sparsamer wird es nur bei der beschaulichen Fahrt durch beschauliche Landschaften.
Lieber etwas sanfter
Immerhin sind jedoch die Benziner mit der steuerbegünstigten EU-4 Schadstoffklasse gesegnet, die Stickoxidemissionen liegen damit auf dem technisch machbaren niedrigen Niveau.
Der CO2-bewusste Cabrio-Genießer muss dagegen auf den 2.5l Diesel warten, der mit 163PS flotte Fahrt bei wenig Sprit erlaubt. Interessant wird außerdem der angekündigte 1,8l Turbo 4-Zylinder, auch der wird eine sportliche Gangart mit passablem Verbrauch und kombinieren.
Sicherheit eingebaut
Die Aufpreisliste für die aktive und passive Sicherheit ist erfreulich kurz: Das Audi Cabrio hat schon alles an Bord, was die Fahrt sicherer macht. Vorne gibt es vier Airbags, wobei die Seitenairbags sowohl Oberkörper als auch Kopf von Fahrer und Beifahrer schützen.Damit diese gar nicht erst zum Einsatz kommen unterstützt das serienmäßige ESP die Fahrt, ein hydraulischer Bremsassistent unterstützt die Vollbremsung. Gurtkraftbegrenzer und Gurtstraffer runden die aktive Sicherheit ab.
Fazit
Das Design des neuen Audi Cabrio ist wiedereinmal kein Meilenstein. Trotzdem wirkt es viel moderner als der verspielte 3er BMW. Hat man sich erst an die Multitronic gewöhnt, kann man sich kaum vorstellen jemals etwas anderes fahren zu wollen - Suchtfaktor: Hoch. Keine Konkurrenz: 3er BMW ist klar geschlagen. Bei Mercedes wird es Zeit für das neue CLK-Cabrio. Thomas Weiss, Redakteur AutoScout24
Einzigartig Cruisen
Das Audi Cabrio ist gerade mit 6-Zylinder und multitronic ein einzigartiges Cruise-Erlebnis. Die Qualitätsanmutung ist perfekt, der 2.4l Motor klingt potent zurückhaltend und ist mit 170PS ordentlich motorisiert. Kein Sportler sondern ein perfekter Gleiter. Was fehlt: Ein sparsamer, durchzugsstarker Diesel. Aber der kommt ab November 2003 als 2.5l 6-Zylinder mit 155PS. Der Scout für alle Fälle
Abrahams Schoss
Am besten gefällt mir das Gefühl der Geborgenheit im Audi Cabrio. Wie in einer Trutzburg pflügt man mit ihm durch den Verkehr. Das einzige was ablenkt sind die die Blicke der anderen - aber daran gewöhnt man sich. Kein Ende: So schön und bequem der Audi auch ist - leider hat man beim Einparken keine Ahnung wo er anfängt oder aufhört: Die akustische Einparkhilfe hinten (€ 320,-) sollte Serie sein. Alexander Diegelmann, Testfahrer AutoScout24