Größer kann ein Unterschied wohl kaum ausfallen: Auf das Gelände der BMW Group Classic in der Moosacher Straße rollen wir flüsterleise mit einem modernen Hybrid, um nur einige Minuten später in einem 6er Coupé aus dem Jahre 1985 zu sitzen. Keine in HD aufgelösten Displays, keine gekühlten Ledersessel und Kilowatt muss man allenfalls bei der Motorleistung rechnen. 210 kW sind derlei 286 altgediente Pferdestärken (ohne Kat) und damit ist klar: Wir fahren das einstige Top-Modell der Baureihe E24, den M635CSi. Ein Traumwagen damals. Ein Traumwagen heute.
Das Herz aus dem BMW M1
Er erbte den Dreieinhalbliter-Sechszylinder aus dem legendären Supersportwagen BMW M1, läuft stolze 255 km/h schnell und absolviert den Standardsprint aus dem Stand auf Tempo 100 in gut 6,4 Sekunden. Doch bevor es daran geht das Getrag-5-Gang-Getriebe zu bemühen, heißt es erst einmal Platz nehmen. Bei über 1,94 Meter Körpergröße eine durchaus sportliche Aufgabe, baute man seinerzeit noch eine ganze Spur kompakter. Den Sportsitz Richtung Bodenblech gesenkt, nach ganz hinten sowieso und ein wenig gekippt. Anschließend die Rückenlehne leicht in Liegeposition: passt!
Reduziert auf das Wesentliche
Freilich gibt es noch einen echten Zündschlüssel. Einen ohne Transponder, Funk oder gar mit einem neumodischen Display. Den Kram brauchte damals niemand - und heute? Mit dem Dreh am kleinen Schwarzen weiß man, dass man auch im Hier und Jetzt auf vieles verzichten kann. Erwacht das gute alte VDO-Kombiinstrument zum Leben, säuselt der M88 im Stand leise vor sich hin und lacht die Sonne vom weiß-blauen Bayernhimmel, dann ist man als Petrolhead doch recht glücklich unterwegs. Autos aus den 90ern ist man ja noch gewöhnt, aber solche mit Erstzulassung aus den 80ern und einem Entwicklungsstand aus den 1970er Jahren eher weniger.
Der M635CSi fährt sehr modern
Nach anfänglicher Berührungsangst geben sich Volant und Schaltknüppel allerdings sehr modern. Die Servolenkung hilft im Stadtverkehr zu manövrieren und das Getriebe lässt sich, trotz des vermeintlich langen Hebels, recht zackig und mit wenig Kraftaufwand in die nächste Gasse dirigieren. Im morgendlichen Stopp-&-Go-Verkehr in und um München warmgefahren, geht es anschließend auf die Bundesautobahn gen Süden. Schließlich soll die Zeitgeschichte auch ausgedehnt erfahren werden. Hier fällt auf, dass zunächst wenig auffällt. Selbst für heutige Verhältnisse liegt der M635CSi sehr angenehm auf der Straße. Das Maß zwischen Sportlichkeit und Komfort scheint seinerzeit gut gewählt worden zu sein.
Zuhause auf der linken Spur
Dreht man den Reihensechser hinauf zur Höchstleistung auf 6.500 Touren, so bekommt man das turbinenartige Fahrgefühl zu spüren, welches früheren bayerischen Motorenwerken gerne zugesprochen wird. Kernig klingt das Aggregat unter Volllast, niemals aufdringlich und immer ziemlich herrlich. 286 PS sind im Übrigen heute noch ein Wort und wer sich gerne auf der linken Fahrspur aufhält, der wird von anderen Verkehrsteilnehmern nur selten erdreistet diese zu verlassen. Die angenehme Reisegeschwindigkeit liegt derweil irgendwo zwischen 160 und 190 km/h, wobei die Windgeräusche bei zunehmendem Tempo, im Vergleich zu einem modernen Auto, natürlich deutlicher in Erscheinung treten.
Mit allen Sinnen genießen
Interessant hingegen: Das elektrische Stahlschiebedach unseres M635CSi erlaubt auch bei höheren Geschwindigkeiten das geöffnete Fahren. Und zwar ohne, dass man sich inmitten eines Sturmtiefs wähnt. Das interne Klima regelt man bei schönem Wetter ohnehin am besten per Fenster und Dachluke und nur falls wirklich nötig mit der optionalen Klimaanlage. So bekommt man einfach noch mehr mit vom bajuwarischen Sportcoupé, dessen gesamte Art und Weise die Motorsporttugenden von BMW der 1980er repräsentieren. Man fühlt und riecht den großvolumigen Reihensechser, spürt wie der Antrieb die Kraft an die Hinterräder leitet und ist mittels all der analogen Bedienelemente im Fahrzeug bestens mit der Straße verbunden. Traktionskontrolle? Also bitte!
Teure TRX-Reifen
Beim BMW M635CSi wird die Traktion dagegen serienmäßig durch ein Lamellen-Selbstsperrdifferential gefördert, wobei das Durchfahren von engen Schikanen wirklich in heckbedingter Arbeit ausarten kann. Man ertappt sich dabei den eigenen Körperbau aerodynamisch korrekt in die Kurve zu legen, das Sportlenkrad mit großen Bewegungen mitzunehmen und erfreut sich zugleich an jeder flott gemeisterten Kehre. Freude kommt hingegen weniger auf, blickt man auf die Reifenkennzeichnung des uns zur Verfügung gestellten Fahrzeugs. Das Kürzel TRX dürfte bei Young- und Oldtimerfreunden blankes Entsetzen auslösen und das wohl nicht zu Unrecht. So kostet ein solcher Michelin Pneu, in Abhängigkeit vom Format, mittlerweile schnell an die 500 Euro!
Der M88 braucht Pflege
Das Thema Kosten und Unterhalt ist beim E24 M635CSi ohnehin ein großes Thema. Gut gewartete Exemplare stehen mittlerweile mit deutlich über 60.000 Euro bei den Händlern und übersteigen damit den einstigen Neupreis von rund 89.500 D-Mark bei weitem. Wer plant so viel Geld in einen 6er zu investieren, der sollte zunächst eine komplette Wartungshistorie voraussetzen. Und zwar eine die durchaus erkennen lässt, dass der Traumwagen auch bei einem Fachmann vorstellig war. Beispielhaft für die Wartungsintensität des M635CSi dürfte dessen Motorsportaggregat sein. So müssen die Ventile des 3,5-Liter-Motors in regelmäßigen Abständen per Hand eingestellt werden. Gerade bei der lokalen BMW Niederlassung ein zeitaufwändiges, weil nicht alltägliches Unterfangen.
Vor dem Kauf: Experten fragen
Wie bei fast jedem Auto aus jener Epoche ist allerdings auch Rost ein großes Thema. Kaum ein Modell kommt ohne den typischen Kantenrost aus, der Unterboden bedarf einer zusätzlichen und sehr peniblen Begutachtung. Doch auch die Bremsanlage des M635CSi (serienmäßig mit ABS) ist häufiger ein Problemherd und fällt durch eingelaufene Bremsscheiben oder festsitzende Sättel auf. Dass elektrische Bauteile über die Jahrzehnte gleichermaßen gerne ihren Dienst versagen bedarf eigentlich keiner größeren Ausführung. Das genaue Prüfen aller Komfortfeatures gehört selbstredend auch beim 6er zum Pflichtprogramm. Kommt man dennoch ins Zweifeln ob der gefundene M635CSi der Richtige für einen ist, so sollte man auf jeden Fall fachkundige Hilfe zu Rate ziehen. Sie erhält man, selbst 30 Jahre nach dem Baureihenschluss des E24 Coupés, noch bei BMW beziehungsweise der hauseigenen Klassikabteilung.
Fazit
Den BMW M635CSi mit Worten und Bildern zu beschreiben gelingt nur zum Teil. Man muss ihn selbst erfahren, den grandiosen M88-Sechszylinder zum Leben erwecken und die ganzen ungefilterten Fahreindrücke wahrnehmen. Bereits mit dem Griff in Richtung der verchromten Türgriffe beginnt man eine Zeitreise, die den wahren Enthusiasten so schnell nicht mehr loslässt. Den Geist der 1980er, ihn erlebt man, das nötige Kleingeld für Kauf und Wartung vorausgesetzt, in dieser Form wohl nur in einem derartigen Gran Turismo. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: BMW M635CSi E24
- Motor: M88/3 Sechszylinder Reihe, 3.453 ccm
- Leistung: 286 PS (210 kW) bei 6.500 U/min
- Drehmoment: 340 Nm bei 4.500 U/min
- Antrieb: Heckantrieb, Sperrdifferential 25%
- Beschleunigung (0 – 100 Km/h): ca. 6,4 s
- Höchstgeschwindigkeit: 255 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,76 m/1,73 m/1,35 m
- Gewicht: ca. 1.510 Kg
- Neupreis 1985: 89.500 D-Mark
*Herstellerangaben