Der Ford Bronco Outer Banks auf einen Blick*
- Neuauflage des kultigen Ami-Geländewagens
- Konkurrenz zu Wrangler und Defender
- 335 PS und 563 Nm starker V6-Ecoboost
- Dach und Türen sind komplett demontierbar
- Robuster Innenraum
- Anhängelast nur 1,0 bis 1,25 Tonnen
- Grundpreis ab 74.500 Euro
*(Ford Bronco Modellvarianten, Kraftstoffverbrauch kombiniert (WLTP): 12,7-11,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 288-257 g/km; CO2-Klasse: G)²
Keine Extrabrötchen für Europa
Raus aus München, freie Autobahn, voll aufs Gas und der Porsche Cayenne hinter mir wird immer kleiner. "Wow", denke ich, "die 335 PS des neuen Ford Bronco reißen aber ordentlich an" (0-100 km/h in 6,7 s). Bis er dann laut Tacho bei 168 km/h (eingetragene 161 km/h) in den Begrenzer rasselt und das Porsche SUV eben doch wieder die Oberhand gewinnt. Man hätte es ahnen können: Endet die Tachoskala der amerikanischen Geländewagenikone doch bei Tempo 180. Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist wahrscheinlich auch besser für die aufgezogene Bridgestone All-Terrain-Bereifung im 18-Zoll-Format, und wer würde in den USA schon dauerhaft so schnell fahren, dass er, je nach Bundesstaat und Sheriff, für mehrere Monate in den Bau einfahren könnte?
Dass Ford für die Europäer in Sachen Bronco keine Extrabrötchen backen würde, war irgendwie klar und zeigt sich auch im Konfigurator. "Outer Banks" und "Badlands" haben es streng limitiert (Ford nennt jedoch keine konkreten Zahlen) über den großen Teich geschafft und sind kaum mehr als ein Minimalkonsens. Bitte, schaut euch den US-Konfigurator und die schiere Variantenvielfalt an. Da gibt es sogar Modelle mit wunderbarem Heritage-Bezug, einen kurzen Radstand mit nur drei Türen und das Ganze zu einem Grundpreis von gerade einmal 42.000 US-Dollar (inkl. Steuern). Hierzulande startet der 5,05 Meter lange Bronco mit fünf Türen ab saftigen 74.500 Euro. Noch etwas mehr Offroad-Technik gefällig? Der Ford Bronco Badlands kostet mindestens 78.500 Euro.
Ein Offroad-Viech mit Straßenqualitäten
Preise, für die man schon einen Land Rover Defender 110 (ab 67.200 Euro) oder einen Ineos Grenadier (ab 71.140 Euro) kaufen könnte. Beides Geländewagen, die so schlecht nicht sind. Aber wer einen neuen Bronco im Sinn hat, wird sich wahrscheinlich nicht mit europäischer Autobaukunst begnügen. Eher noch mit einem Jeep Wrangler (ab 69.900 Euro), der dem Ford auf der Straße jedoch nicht das Wasser reichen kann. Da fährt der frisch entwickelte Bronco auch dank Einzelradaufhängung und Doppelquerlenker vorn schon deutlich moderner, hat einen brauchbaren Geradeauslauf und federt sogar ganz anständig. Nein, Luftfederung kennt das Auto nicht, aber die Dämpfer stecken einiges weg und zeigten auch im leichten Geländeeinsatz eine anständige Widerstandskraft. Die Bodenfreiheit des getesteten Ford Bronco Outer Banks beträgt derweil 237 Millimeter, der Böschungswinkel vorn kommt auf 38 und hinten auf 31 Grad. Wasserdurchfahrten sind ohne Zubehör bis zu einer Wattiefe von 800 Millimeter möglich.
Obwohl der erste Eindruck den neuen Ford Bronco als technisch fähigen Offroader mit gefälliger Linienführung outet, gibt es auch ein paar Ecken und Kanten, bei denen man sich schon fragt, welchen Anspruch sie zwischen dem Ford-Hauptsitz in Dearborn und dem Produktionsstandort Wayne (der Begriff „wayne“ wird im englischen umgangssprachlich auch mit „ist mir egal“ gleichgesetzt) bei der Entwicklung und Fertigung an den Tag gelegt haben. Natürlich ist es fein, das Auto mit einer Ratsche und zwei Aufsätzen innert Minuten halb zerlegen zu können. Bei Richtgeschwindigkeit Tempo 130 fallen dir durch die bauartbedingten Windgeräusche allerdings die Ohren ab. Meine Tochter (3) fragte mich zudem, was da vorne auf der Motorhaube, denn für ein Stab im Fahrtwind wackelt. Warum das im Jahr 2024 technisch nicht besser gelöst ist, fragt sich offenkundig nicht nur die jüngste Generation.
Schon der Outer Banks ist im Gelände dauerhaft unterfordert
Verwunderung machte sich bei mir jedoch nicht nur wegen des altertümlichen Antennenstabs breit. Auch das unsauber verarbeitete Volant des Testwagens und die LKW-ähnliche Lenkung lösen bei mir Stirnrunzeln aus. Da braucht es beispielsweise schon viele Umdrehungen, um einmal von ganz links nach ganz rechts einzuschlagen. Möglicherweise gut für knifflige Geländefahrten, aber schlecht für den deutschen Discounter-Parkplatz. An dieser Stelle wollte ich als Kritik ursprünglich noch anführen, dass die Outer Banks Variante zwar mit einem zweistufigen Verteilergetriebe und zahlreichen Offroad-Fahrprogrammen, aber ohne Sperrdifferentiale vorne und hinten ausgeliefert wird. Nur, wo um Himmels Willen willst du heutzutage (legal) ein solches Offroad-Fahrzeug ausführen, außer in den wenigen in Deutschland verteilten Geländeparks? Alles andere bringt dir unter Umständen schneller eine Anzeige ein, als du Anzeigenhauptmeister schreiben kannst. Und wo kein schwieriges Geläuf ist, kann man auch auf die zusätzlichen Sperren und den aushängbaren Front-Querstabilisator des Modells Badlands verzichten.
Wer nun kein Offroadgelände in der Nähe hat, kann sich womöglich noch auf entsprechende Beziehungen in die Forst- und Landwirtschaft berufen. Ebensolche ermöglichten es mir während der eineinhalb Testwochen mit dem Ford Bronco immerhin ein paar Wald-, Wiesen- und leichte Geröllpisten unter die gewaltig gummierten AT-Reifen zu bekommen. Könnte der Bronco Emotionen zeigen, er hätte für diese kläglichen Versuche kaum mehr als ein müdes Lächeln übrig gehabt. Dank wildem Aprilwetter gelang es mir auf verschneiter Piste immerhin, den sogenannten „Trail Turn Assist“ materialschonend auszuprobieren. Nach der Aktivierung und vollem Lenkeinschlag wird das kurveninnere Hinterrad durch die Handbreme blockiert, damit der Bronco keine 12,2, sondern im Bestfall kaum acht Meter zum Wenden braucht.
Kräftiger Motor mit rauen Trinksitten – Dach und Türen fallen nach 20 Minuten
Kommen wir zum Herzstück des neuen Ford Bronco: Dem 2,7-Liter großen EcoBoost-V6. Leider hat es selbst im „Raptor“ (Fahrzeug in Deutschland nicht erhältlich) nicht mehr für einen V8 gereicht, aber der V6 hat mich dennoch positiv überrascht. Nicht nur durch seine lässige Kraftentfaltung, sondern auch durch seine Laufruhe und die überwiegend harmonische Beziehung mit dem verschliffen arbeitenden Zehngang-Automatikgetriebe. Letzteres ermöglicht es, dass der V6 bei maximalen 161 km/h gerade einmal gemütliche 2.500 Umdrehungen pro Minute drehen muss. Doch auch das beste Antriebskonzept kann der Stirnfläche und der schieren Masse des Bronco Outer Banks (EU-Leergewicht 2.289 kg) wenig entgegensetzen. Die Kraftstoffeffizienz fällt bei einem Testdurchschnitt von 13,5 Litern auf 100 Kilometer eher bescheiden aus. Kraft kommt durch Kraftstoff und der Ami braucht halt weiterhin ziemlich viel davon.
Wenig braucht es hingegen, um dem Ford-Geländewagen mittels dem beigelegten Bordwerkzeug zu einem Striptease zu verhelfen. Dach und Türen lassen sich, bis auf den sperrigen Überbau der Ladefläche, im Zweifel sogar ohne zweite Person ab- und wieder anbauen. 20 Minuten sollten für Ungeübte reichen. Das so entstehende Frischluftvergnügen ist allerdings, laut Ford, nur im Gelände und nicht auf öffentlichen Straßen zu nutzen. Eine rechtliche Absicherung des Herstellers, denn die hiesige Straßenverkehrsordnung verbietet das Fahren ohne Türen nicht explizit. Ein entscheidender Vorteil gegenüber dem Jeep Wrangler: Die Außenspiegel bleiben immerzu am Fahrzeug. Und damit das Wageninnere nicht leidet, falls es beim Offenfahren doch einmal regnen sollte, ist robuster Kunststoff das vorherrschende Material im Bronco. Die Qualität und Machart ist (bis auf das zuvor erwähnte Lenkrad) okay, das Gestühl breit und rückenfreundlich straff mit Leder gepolstert. Die Platzverhältnisse vorne wie hinten fallen gut aus, in den Kofferraum passen bis zu 820 Liter. Für die mediale Bespaßung sorgt derweil Fords Sync 4-Infotainment-System inklusive kabellosem Apple CarPlay und Android Auto. An der einfachen und logischen Bedienung samt extra Klimasteuerung hatte ich sodann auch nichts auszusetzen.
Der Ford Bronco taugt nicht als Zugfahrzeug
Und was macht man nun mit einem Geländewagen, für den es hierzulande kaum Gelände gibt und keine Herstellererlaubnis, um ohne Dach und Türen auf den einschlägig bekannten Flaniermeilen laue Sommerabende zu genießen? Man nutzt es vielleicht als Zugfahrzeug für allerhand schwere Anhänger. Damit transportiert man dann Yacht oder Gaul, Bauholz oder zwei Paletten Zement. Wer im bayerischen Süden daheim ist, sieht schon das ein oder andere Kuriosum hinter G-Klasse, Range Rover oder Porsche Cayenne hängen. Volle 3,5 Tonnen dürfen diese Autos ziehen. Der Ford Bronco Outer Banks bringt es dagegen nur auf klägliche 1,25 Tonnen. Schlimmer geht immer: Die Variante Badlands packt gar nur eine Tonne. Das reicht dann überspitzt für einen Fahrradträger und zwei E-Bikes.
Fazit
Geländeprofi ohne Auftrag lautet der Titel dieses Fahrberichts. Und wahrlich, der neue Ford Bronco ist als Geländewagen reinsten Wassers geboren. Er sieht (vor allem ohne Dach und Türen) cool aus und fährt sich souverän. Nur fehlt ihm hierzulande eben das passende Betätigungsfeld. Auf der Autobahn ist er außerdem zu laut, verbraucht zu viel und taugt durch die geringe Anhängelast nicht als Zugfahrzeug. Obendrein ist er in Europa zu teuer, um ihn „einfach mal so“ in den Steinbruch oder durch den eigenen Wald zu jagen. Wie es besser geht zeigt Ford mit dem geländegängigen Ranger Pick-up, der motorabhängig auch 3,5 Tonnen an den Haken nehmen darf und mit Doppelkabine schnell 25.000 Euro günstiger ist. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)