Dass er sich im AutoScout24-Test aber auch als richtig alltagstauglicher Kompakter präsentiert hat, kam überraschend.Wie sieht er aus?
Es gibt sie noch, die richtig coolen Proll-Kisten, und der Chef dieser Gang ist eindeutig der Honda Civic Type R. So wie er vom Band rollt, kommt manch anderer Kompakter nicht mal vom Tuner zurück. Am auffälligsten: der überdimensionale Heckspoiler. Die Frittentheke sich mit Wuchtgegen Auftrieb und beim Blick in den Rückspiegel erfreulicherweise nicht im Weg. Ebenfalls im Dienste der Aerodynamik arbeiten die vier Vortex-Generatoren, also kleine Finnen am Dach, die den Luftstrom dazu zwingen, entlang der Heckscheibe zu ziehen und nicht an der Dachkante abzureißen.
Ansonsten gibt es die typischen Kraftinsignien: Weit aufgerissene Lufteinlässe an der Front und eine nicht minder zerklüftete Heckschürze mit drei mittigen Endrohren. Interessant: Das mittlere der drei Rohre ist etwas dünner und sorgt mit Unterdruck dafür, dass der Motorsound bei niedrigem Tempo lauter ist als bei hohem; so vibriert es auf der Autobahn nicht im Innenraum. Was ebenfalls nicht fehlen darf: Eine Lüftungs-Hutze auf der Motorhaube, von der kühle Fahrtwind links und rechts in den Motorraum geleitet wird.
Wie ist er innen?
Der Civic ist erstaunlich geräumig, das gilt natürlich auch für den Type R. Allerdings kommt die Sportversion mit engen Sportsitzen, die auch 50 Millimeter tiefer montiert sind als im Normalo-Honda. Das sorgt zwar für noch mehr Kopffreiheit, allerdings fühlen sich alle nicht Modell-Athleten hier schnell ein wenig eingeengt. Passt man gut rein, geht der Komfort allerdings absolut in Ordnung, sogar auf der Langstrecke. Da stört schon eher die harte Plastik-Mittelkonsole, die Fahrer und Beifahrer gegen das Knie drückt. Auf ihr thront Griffgünstig der Schalthebel, darüber sitzt das Honda-typisch etwas umständliche Infotainmentsystem mit dem nicht besonders schnellen Navigationssystem.
Was steckt unterm Blech?
Der Zweiliter-Turbobenziner unter der Haube ist ein alter Bekannter, ihn haben die Ingenieure vom Vorgänger übernommen, dem hierzulande nur gut zwei Jahre Laufzeit gegönnt wurden. Die neue Abgasanlage lässt allerdings zehn PS mehr zu, der Vierzylinder kommt jetzt also auf 320 Pferdestärken. Zwischen 2.500 und 4.500 Umdrehungen liegen 400 Newtonmeter Drehmoment an, die von einer präzisen, knackigen Sechsgang-Schaltung verwaltet werden, die beim Runterschalten mit ein bisschen Zwischengas für den perfekten Kraftschluss sorgt. Wer in Anbetracht der stattlichen Leistung eine Kardanwelle sucht, wird enttäuscht: Der Type R gibt seine Kraft ausschließlich an die Vorderräder ab, ein Sperrdifferenzial hilft bei der Verteilung zwischen den mindestens 20 Zoll großen Rädern.
Wie fährt er?
Was überrascht: Der Type R hält sich bei Bedarf ziemlich zurück. Wer beim Druck auf den Motor-Startknopf auf peinlich-lautes Gebrüll und pubertäre Machtdemonstrationen wartet, wird enttäuscht, der Vierzylinder brummt ganz manierlich vor sich hin und niemand muss sich schämen, wenn er morgens kurz vor sechs den Honda in der Reihenhaussiedlung anwirft. Ähnlich zahm präsentiert er sich auch im Stadtverkehr: Weder zappelt er über den oft maroden Asphalt, noch sorgt eine superstraffe Kupplung für Schmerzen im rechten Bein. Nein, der Alltag lässt sich mit dem kleinen Macho ganz bequem gestalten, und in den Kofferraum geht mit 420 Litern auch einiges rein.
Dass mehr in ihm steckt, als man in der Großstadt merkt, kommt spätestens auf der kurvigen Landstraße ans Tageslicht. Schon im Komfortmodus klebt der Type R auf der Straße, wer noch mehr Dynamik will, schaltet in den Sport-Modus. Oder in das R-Programm. Dann aber ist tatsächlich Schluss mit Komfort, und die Bandscheiben werden bei jedem Sandkorn auf dem Asphalt in Mitleidenschaft gezogen. Die 3-Wege-Formel für maximalen Fahrspaß: Anbremsen, Lenken, Gasgeben. Ohne zu zucken verzögert der Civic auch beim heftigen Tritt in die Eisen vor der Biegung souverän, nur um kurz darauf wieder kraftvoll au den vollen zu schöpfen. Ab 2.500 Touren quetscht der nicht zu überhörende Turbolader die maximale Kraft aus dem Vierzylinder, willig klettert die Nadel des Drehzahlmessers weiter auf bis zu 7.000 Umdrehungen. Das Radio kann man dann getrost ausschalten, der jetzt kernige Klang ist der beste Soundtrack für die zackige Kurvenhatz.
Vermisst man den Allradantrieb? Ein klares Nein! Untersteuern kennt der Type R so gut wie gar nicht, nur manchmal zerrt er etwas an der Lenkung. Doch dank der mechanischen Sperre, zusätzlicher Bremseingriffe am kurveninneren Rad und der ausgetüftelten Aerodynamik sind Traktionsprobleme wirklich selten. Zwar lassen sich mit reichlich Anstrengung Gummispuren auf die Straße zeichnen, im Alltag aber haben die Pneus immer optimalen Grip.
Was kann er sonst noch?
Auch wenn der Civic imm noch ein bisschen spacig aussieht, in Sachen Technik gibt er sich relativ Bodenständig. Klar, die gängigen Assistenten sind erhältlich, einige davon gibt es aber nur in der besseren GT-Ausstattung. Zum Beispiel die Tot-Winkel-Überwachung, die Einparkhilfe oder den Ausparkassistenten. Spurhalteassistent, Auffahrwarner und der Abstandstempomat sind dagegen immer Serie. In Sachen Connectivity beherrscht der Honda die üblichen Smartphone-Anbindungen, also Apple Car Play und Android Auto, außerdem können die Handy auch kabellos geladen werden.
Was kostet er?
Los geht’s mit dem Honda Civic Type R bei 36.490 Euro, die fast komplett ausgestattete GT-Version liegt bei 39.490 Euro. Damit ist der Japaner ein echtes Schnäppchen in der Über-300-PS-Klasse: Am nächsten sind noch die knapp über 40.000 Euro teuren Ford Focus RS und VW Golf R dran, Audi S3, BMW 140i und Mercedes-AMG A 45 rücken nochmal mindestens zehntausend Euro weiter nach oben. In Anbetracht dessen, dürften auch die gut zehn oder mehr Liter Sprit, die der Honda auf 100 Kilometer verbrennt, vertretbar sein. Ein Kompakt-Sportler für jedermann ist der Honda Civic Type R sicher nicht, dafür ist die Optik einfach zu ausgefallen, zu protzig. Wem der große Heckflügel und die aggressive Front aber zusagt, der bekommt mit dem Japaner tatsächlich einen echten Allrounder, der sich im Alltag überraschend angenehm zahm präsentiert. Doch wehe wenn er losgelassen: Gibt man dem Turbo-Benziner die Sporen, legt er sich mächtig ins Zeug und die äußerst gelungene Fahrwerksabstimmung lässt einen fast vergessen, dass hier kein Allradantrieb am Werk ist. Dass er dazu in der 300-PS-Klasse noch einer der günstigsten ist, macht ihn zusätzlich attraktiv.