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Grenzbereich: Jaguar C-X75 – Öko-Biest

Was kommt raus, wenn ein Auto die Eigenschaften von Opel Ampera (elektrische Reichweite), Bugatti Veyron (Fahrleistungen) und Toyota Prius (Verbrauch) in sich vereinen soll?

Laut Jaguar die ultimative Rennsemmel C-X75, welche zwar ein neues Auto ist, sogar eines mit Überflieger-Technik, dessen Zukunft jedoch im Museum liegt. Vorm Einmotten konnte ich Jaguars Leuchtturmprojekt einmal selber fahren. Beim Namen C-X75 dürfte es einigen dämmern: Richtig! 2010 stellten die Briten auf der Pariser Autoshow die extrem flache und atemberaubend schnell ausschauende Studie vor, die gleich noch über eine ganz besondere Antriebstechnik verfügte: Das Fahrzeug war mit vier Elektromotoren bestückt, die mit Hilfe einer Batterie und zwei Strom generierenden Turbinen extreme Fahrleistungen, einen niedrigen Verbrauch und große Reichweiten garantieren sollte.

Womit kaum jemand rechnete: Nur wenige Monate nach dem Messeauftritt hat sich Jaguar für den Serienbau des C-X75 entschieden, allerdings technisch anders als noch in der Studie angedeutet und beschränkt auf eine Auflage von 250 Exemplaren und zu einem atemberaubend hohen Stückpreis von einer Million Euro.

Glanz und Gloria

Mit diesem späten Nachfolger des XJ220 hatte Jaguar gewiss den Nerv der Zeit und vor allem auch den der Freunde der Marke getroffen und der Marke insgesamt viel Glanz eingebracht. Bereits Ende 2011 hat man mit den konkreten Arbeiten am C-X75-Serienprojekt begonnen. Als maßgeblichen Entwicklungspartner hat Jaguar die in der Nähe von Oxford beheimatete Formel-1-Schmiede Williams mit ins Boot genommen und waren zwischenzeitlich bis zu 70 Mitarbeiter an Bau und Entwicklung beteiligt. Im August 2012 war bereits der erste Prototyp fertig, im Januar 2013 wurde das fünfte Exemplar fertig gestellt.

In der Zwischenzeit kristallisierte sich aber auch heraus, dass eine Kleinserie wohl wenig Chancen auf Erfolg haben dürfte. Nach Aussage von Jaguar sah man eine zu geringe Käuferschicht für ein derart exklusives und teures Spielzeug. Im Dezember 2012 fiel bereits die Entscheidung, das Projekt auf Eis zu legen und blieb es damit beim Bau von fünf Prototypen. Vielleicht waren es aber nicht allein die schlechten Marktchancen, möglicherweise sind auch die Kosten aus dem Ruder gelaufen, oder war die Technik doch zu anspruchsvoll. Meine kurze Ausfahrt mit einem der ersten fünf Exemplare war vor allem eine Bestätigung für die letztere These.

Mit 862 PS auf der Landebahn

Stilecht wird mir die Möglichkeit einer Probefahrt auf dem ehemaligen Militärflughafen in Mendig ermöglicht. Vor einer Hangar-artigen Industriehalle stehen gleich drei der futuristischen Flachmänner, die jeder für sich einzigartig sind und in einigen Details Unterschiede aufweisen. So blieb ein C-X75 unlackiert und zeigt dieses Exemplar selbstbewusst seinen ganz aus Karbon bestehenden Leichtbau-Körper.

Anders als noch bei der Studie angedacht, hat der von Williams montierte C-X75 keine Turbinen mehr an Bord und aus den einst vier sind dann zwei Elektromotoren geworden. Diese können ihren Strom für rund 60 Kilometer Reichweite aus einer 250 Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Batterie ziehen. Doch Hauptantriebsquelle ist ein turbo- und kompressorgeladener 1,6-Liter-Vierzylinder, der knapp über 500 PS an die Hinterräder werfen kann. Mit dieser Leistung und im Zusammenspiel mit den beiden E-Motoren sind die Fahrleistungen fast auf Veyron-Niveau. Dank 862 PS Systemleistung soll der Sprint unter drei Sekunden dauern, die Höchstgeschwindigkeit bei etwa 320 km/h liegen.

3,8 Liter Verbrauch - theoretisch

Doch Ziel war es beim C-X75 außerdem, ihn so sparsam wie ein Prius werden zu lassen. Dem Downsizing-Motor und der elektrischen Reichweite sei Dank, darf Jaguar den Normwert mit eigentlich bescheidenen 3,8 Litern angeben. Man könnte theoretisch auch mit null Litern hinkommen, 50 Liter wären ebenso denkbar.

Grund für diese gewaltige Verbrauchs-Spreizung sind die beiden Fahrmodi. Einerseits kann sich nämlich der C-X75 rein elektrisch bewegen. Hierfür gibt es an der Vorder- sowie an der Hinterachse insgesamt zwei gleichstarke Motoren, die zusammen 300 kW leisten. Mit ihnen kann der 1,7 Tonnen leichte Jaguar bereits recht zügig beschleunigen, allerdings nur auf maximal 150 km/h. Und wer den C-X75 lediglich für kurze Strecken als Berufspendler hernimmt, könnte das rennsporttaugliche Geschoss so sogar als Null-Emissions-Auto bewegen.

Lautlosantrieb übertrieben laut

Bei der praktischen Demonstration des C-X75 darf ich allerdings nur auf dem Beifahrersitz den rein elektrischen Modus erleben. Wesentlich eindrucksvoller als das Beschleunigungsverhalten, welches ich als durchaus zügig empfand, war jedoch die Klangkulisse, die einen irgendwie futuristischen Spannungsbogen bot, der vom Klang her an eine startende Turboprop-Maschine erinnerte. Der Klang war allerdings reine Show und insbesondere auch in seiner Lautstärke etwas übertrieben.

Doch der eigentliche Höhepunkt, in Hinblick auf Fahrspaß als auch auf den Verbrauch, ist es, wenn der hemmungslos kreischende Benziner die Hauptantriebsarbeit in Kombination mit einem automatisierten Siebengang-Getriebe verrichtet. Diesen Modus konnte ich sogar selbst am Lenkrad auskosten. Behelmt und im Rennoverall musste ich mich umständlich an den Rohren des Überrollkäfigs in das teilweise mit Großserienteilen garnierte und doch sehr experimentell anmutende Cockpit setzen.

Meilen, nicht km/h

Röhrend, röchelnd, pfeifend nimmt der Wagen sanft Fahrt auf, bewege ich mich zunächst vorsichtig das Gaspedal streichelnd in Richtung Landebahn. Doch umgehend gewinne ich Vertrauen, empfinde den C-X75 trotz seiner extremen Auslegung und der Enge als fast schon alltagstauglich. Mit etwas mehr Gas geht es mal nach links, mal nach rechts. Die Lenkbefehle werden direkt umgesetzt, der extrem steife Wagen lässt sich zudem nahezu wankfrei um die Ecken scheuchen. Mit gut 50 Sachen geht es um die letzte Kurve auf die lange Gerade. Jetzt lasse ich der Experimental-Katze freien Lauf, die Klangkulisse ist ohrenbetäubend und springt die Drehzahlnadel auf meinen maximalen Gasbefehl dem fünfstelligen Bereich regelrecht entgegen. Es bleibt kaum Zeit, den nächsten Gang per Schaltwippe am Lenkrad einzulegen und ein paar Wimperschläge später zeigt der Tacho 180 an. Keine km/h übrigens, sondern Meilen. Und schon deutet der Instruktor auf dem Beifahrersitz mir mit einer Handbewegung an, wieder zu bremsen, denn am Ende der Startbahn wartet eine scharfe Rechtskurve auf mich. Das war’s dann auch schon wieder.

Bei den umgerechnet fast 290 km/h war allerdings noch nicht Schluss und hätte es mit nur etwas mehr Anlauf auch für deutlich über 300 km/h gereicht. Der C-X75 wirkte dabei alles andere als angestrengt oder überfordert und machte die Karosserie keinerlei Anstalten, abheben zu wollen oder bedenklich leicht zu werden. Ein ausgeklügeltes Aerodynamik-Arsenal, unter anderem mit einem ausfahrbaren Heckspoiler, sorgt für den nötigen Abtrieb.

Kurze Bauzeit, großer Aufwand

Auf meiner kurzen Startbahnrunde lief alles glatt und hat mich der enorme Vortrieb, für den immerhin drei potente Motoren verantwortlich sind, schwer beeindruckt. Andere Kollegen hatte allerdings etwas mehr Probleme. So kam es zu dem ein oder anderen Dreher, bei einem Kollegen war der Vortrieb zwischenzeitlich zugeschürt und ein wiederum anderer Kollege hat einen Bremsplatten provoziert. Es handelt sich eben doch um echte Prototypen, die zudem in der Rekordzeit von gut 18 Monaten entwickelt und aufgebaut wurden. Doch obwohl es sich um kapriziöse Hightech-Maschinen handelt, hat Jaguar bei der Demonstration keineswegs die Fahrzeuge geschont, sondern uns animiert, die gewiss irrsinnig teuren Autos richtig zu fordern. Und in meinem Fall hat der C-X75 mit mir nur eines gemacht: Mir ein seliges Grinsen ins Gesicht gezaubert.

Allerdings wird mir bei der nachfolgenden Inaugenscheinnahme der Technik auch klar, dass sich dieses Rennsportgerät wohl kaum als Serienfahrzeug eignen kann. Dafür sind die fahrfertigen C-X75 einfach zu kompliziert, die Technik viel zu sehr auf extreme Fahrleistungen hin getrimmt. Eine Zahl verdeutlicht bereits das überzüchtete Wesen des Hightech-Renners: An Bord befinden sich sage und schreibe 14 Kühler. Und ein Blick unter die große Heckklappe zeigt ein höchst komplexes Wirrwarr von Leitungen, Kabeln und Aggregaten. Gibt es Probleme, kann man sich den Besuch bei einer Werkstatt sparen, denn jeder Mechaniker würde sich beim Öffnen der Heckklappe mit seinen schlimmsten Alpträumen konfrontiert sehen. Der für den C-X75 verantwortliche Jaguar-Projektmanager Felipe Austin Bodely räumt ein, dass man im Prinzip für jeden C-X75 einen persönlichen Mechaniker abstellen müsste.

Diffuse Ziele

Ein wenig wundern muss man sich allerdings schon, warum ein solches Fahrzeug überhaupt entwickelt und in fünffacher Ausführung gebaut werden musste, wenn es denn gar nicht für Kundenhände geeignet ist. Laut Jaguar ging es bei diesem Projekt auch um die Entwicklung von zukunftsweisender Technologie und könnten Aspekte von Antrieb oder Karosserie auch in spätere Serienmodelle einfließen. Vielleicht hat Jaguar aber auch nur zeigen wollen, dass man zu ähnlichen Großtaten wie Porsche fähig ist, die ebenfalls mit der extrem teuren Hybridflunder 918 demonstrieren, wo in Hinblick auf eine zunehmende Elektrifizierung des Antriebs derzeit der Hammer hängt. Und vielleicht sollen die fünf C-X75-Prototypen, die wohl noch auf der ein oder anderen Messe zu bewundern sein dürften, möglicherweise doch den Weg für eine spätere Serienversion vorbereiten. Diese sollte dann allerdings über eine vielleicht weniger komplexe Rennsporttechnik verfügen, aber bitte weiterhin diese abartig geile Performance bieten.

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