Es war dann doch etwas überraschend, dass der Jeep Avenger das Car of the Year (COTY) 2023 (externer Link) wurde. Und das gleich zu Beginn des Jahres. Aber die COTY-Jury trifft ihre Entscheidungen eben immer im Voraus und für 2022 konnten wir durchaus noch nachvollziehen, warum ein sehr gutes Auto wie der Kia EV6 als Erstplatzierter aus dem Rennen ging. Beim Jeep Avenger hingegen ist das Ergebnis seitens der buntgemischten europäischen Juroren-Truppe deutlich schwieriger nachzuvollziehen. Denn bei ersten Testfahrten im spanischen Málaga zeigte das Stellantis-Produkt doch so manche Schwäche. Das viele grobe Hartplastik im Innenraum beispielsweise, das bisweilen gar nicht mal so sanft federnde Fahrwerk und der dafür aufgerufene Preis haben zumindest für unser Verständnis wenig mit einem Auto des Jahres zu tun.
Versteht uns an dieser Stelle nicht falsch: Der in der Elektroversion 156 PS starke Jeep Avenger (Stromverbrauch kombiniert: 15,9-15,3 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; elektrische Reichweite kombiniert: bis zu 404 km)² sieht wirklich adrett aus, verkörpert zumindest als gut ausgestattetes Pressefahrzeug im statischen Zustand das Image einer robusten Offroad-Marke. Unter dem Blechkleid allerdings arbeitet noch PSA-Technik, die innerhalb des Stellantis-Konzern kurz vor ihrer Ablösung steht. Zwar wird beteuert, dass bis zu 60 Prozent der Teile rein auf den Avenger zugeschnitten wurden, aber die alternde CMP-Plattform (Common Modular Platform) mit all ihren Nachteilen (Frontantriebsarchitektur, daher kein Frunk, Mitteltunnel auch in der zweiten Sitzreihe) lässt sich eben nicht verleugnen. Brüder und Schwestern im Geiste sind somit unter anderem der Opel Mokka, der gerade geliftete DS 3 und der Peugeot 2008. Rätselhaft bleibt zudem, wie Jeep innerhalb jenes eng angelegten Gerüsts einen elektrischen 4x4 mit einer weiteren E-Maschine an der Hinterachse realisieren will. Das auf dem Pariser Autosalon 2022 vorgestellte 4x4-Konzept gab darüber auf jeden Fall keine Aufschlüsse. Und so bleibt der Avenger das bis dato einzige Modell von Jeep ohne Allradoption.
Ob die Kunden von diesen Umständen derweil etwas mitbekommen, hängt maßgeblich von den persönlichen Ansprüchen an ein SUV ab. Bist du etwa auf der Suche nach einem hipp aussehenden Stadt-Crossover mit Elektroantrieb, der zugleich sparsam ist (Testverbrauch in Spanien um 15,5 kWh/100 km gem. Bordcomputer) und eine Realreichweite um 250 bis 300 Kilometer schafft, dann ist der lediglich 4,08 Meter lange Jeep Avenger auf jeden Fall eine Überlegung wert. Legst du hingegen sehr viel Wert auf ein gut funktionierendes Onboard-Navi, eine annehmbare Materialqualität, Platz in der zweiten Sitzreihe und einen ordentlich dimensionierten Kofferraum (lediglich 355 Liter mit Doppelboden), solltest du den Jeep Avenger vor dem Kauf wohl etwas ausgiebiger testen.
Und dann wäre da freilich noch der Preis. Gerne wird mittlerweile angeführt, dass die mindestens 37.000 Euro, vor Abzug des deutschen Umweltbonus, für ein elektrisches B-Segment-SUV doch gar nicht so teuer wären. Doch steht der Jeep Avenger dann gar nur auf Stahlfelgen und ohne sonderliche Annehmlichkeiten in der Garage. Erst ab der 38.500 Euro teuren Longitude-Variante gibt es beispielsweise Aluminiumräder und beheizbare Außenspiegel. Mindestens 40.500 Euro muss derjenige hinlegen, der in der Altitude-Ausstattungslinie zusätzlich den großen 10,25-Zoll-Digitaltacho, eine elektrische Heckklappe und den adaptiven Tempomaten haben möchte. Die Spitze des preislichen Eisbergs markiert indes der Jeep Avenger Summit, der sich mit ein paar kleinen Zusatzextras auf 46.510 Euro bringen lässt. Ausgenommen von der Optionsliste ist übrigens eine echte Anhängerkupplung. Denn für den (Elektro-)Avenger gibt es lediglich eine Fahrradträgeraufnahme zu kaufen - die erlaubte Anhängelast dagegen beträgt null Kilogramm.
Laut Jeep wurde der Avenger bereits 22.000 Mal vorbestellt, wobei der Hersteller offen ließ, wie viele Kunden sich überhaupt für das teure Elektro-Modell entschieden haben. Denn anders als in Deutschland, wird der kleinste Jeep der Firmengeschichte in ausgewählten Märkten, darunter das Jeep-Kernland Italien (Anteil am SUV-Markt rund 10 Prozent), aber auch in Polen und Spanien als wesentlich günstigere Verbrenner-Variante feilgeboten. Da werden aus 37.000 Euro in Deutschland (vor etwaigen Subventionen) dann schnell 22.900 bis 23.300 Euro in Italien, oder 21.600 Euro in Polen.
Immerhin kann das bei uns rein elektrisch vorfahrende Kompakt-SUV für so viel Geld seine netto 51 kWh große Batterie mit bis zu 100 kW am DC-Schnelllader mit Elektronen versorgen. Laut Werk soll so in nur drei Minuten Strom für weitere 30 Kilometer nachgeladen werden können. Prüfen konnten wir diese Angaben während der ersten Testfahrten allerdings nicht. Die Maximalleistung von 115 kW/156 PS (man verwendet gegenüber früheren CMP-Plattform-Modellen erstmals einen stärkeren E-Motor von der Stellantis-Kooperative „Emotors“) steht übrigens nur im Sport-Modus sowie beim Kickdown zur Verfügung. Ansonsten kommt der Italo-Franko-Amerikaner auf eine Nennleistung um 80 kW/109 PS, im Effizienzmodus werden nur noch 60 kW/82 PS erreicht. Die Leistungsentfaltung geht für die Fahrzeugklasse und ein Gewicht von rund 1.550 Kilogramm in Ordnung, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 155 km/h angegeben.
Das Auto des Jahres 2023, es hat definitiv noch Luft nach oben sich zu eben diesen zu entwickeln. Optisch ist der Jeep Avenger zwar ein Hingucker geworden und zumindest in Spanien konnten auch niedrige Verbrauchswerte erzielt werden. Allerdings muss die hippe Elektromobilität bei Jeep teuer erkauft werden. Ein fairer Deal erscheint uns dagegen die Benziner-Variante, die mit Händlerrabatten um 20.000 Euro starten dürfte. Nur eben nicht in Deutschland. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)
*Herstellerangaben