Wobei man sich einig ist, dass der Wert des Abends eben darin besteht, dass man sich den alkoholisch bedingten Rausch am Folgetag nicht gegenseitig vorwirft. Ähnlich ist das mit dem ungezügelten Durst des Jeep Cherokee – den möchte man ihm auch nach zwei Wochen nicht vorwerfen.
Wenn es noch Automarken mit unverfälschtem Image gibt, dann zählt Jeep mit Sicherheit dazu. Obwohl der US-Hersteller sich seit einigen Jahren mit Patriot und Compass (nur in den USA) bemüht politisch etwas korrekter unterwegs zu sein, verbindet man mit der Marke eben Offroader von echtem Schrot und Korn. Der Jeep Cherokee soll beides verbinden, die Geländefähigkeit und ein straßentaugliches Fahrverhalten. Ersteres wird über einen hervorragenden – und einzigartigen – Allradantrieb erreicht, letzteres soll durch ein ziviles Fahrwerkssetup gelingen.
Sympathisch bis harmlos
Der Cherokee ist dem großen Jeep Commander wie aus dem Gesicht geschnitten, erste Reaktionen liegen zwischen „sympathisch“ und „zu brav“ oder gar „harmlos“. Die Karosserie birgt gestalterisch mit ihrer Kombi-Silhouette kaum Überraschungen, die deutlich ausgestellten vorderen Kotflügel sind eine Reminiszenz an den Ur-Jeep, den Wrangler. Die Trittbretter (Serie ab Limited) jedoch funktionieren meist nur als Hosenbein-Beschmutzer, vor allem wenn man den Jeep auch zweckgebunden einsetzt. Die nach oben öffnende Heckklappe (das Heckfenster lässt sich separat öffnen) gibt den Zugang in den hoch liegenden und nur knapp 420 Litern fassenden Kofferraum frei.
Die Rückbank ist geteilt umklappbar, was das Ladevolumen auf bis zu 1.400 Liter vergrößert. Echtes Highlight ist jedoch das ausschließlich für die Topversion als Option erhältliche, SkySlider genannte Stoffschiebedach (€ 1.430), das den Himmel über fast die gesamte Dachlänge hereinlässt. Zwar konnten wir bei Temperaturen von weit unter Null Grad kaum die Praxisrelevanz testen, doch trösteten wir uns mit dem Gedanken, dass man es bei passenderen Temperaturen sowohl von vorne als auch von hinten öffnen könnte.
Komfortabler Begleiter
Auf langer Strecke überzeugt der Jeep Cherokee mit einem ausgesprochen komfortablen Fahrwerk, Tempomat und Sitzposition erleichtern einem den Kilometerfraß. Die Sitzheizung ist im Winter wegen der Lederbezügen im Dauerbetrieb, die sonstige Bedienung gibt sich dank weniger Optionen kinderleicht. Als wichtigstes Bedienteil entpuppt sich schon bald der Hebel für den Allradantrieb - weniger wegen seines dauerhaften Einsatzes als vielmehr wegen seiner durchdachten Funktion.
Musste man sich bisher bei der Wahl seines Offroaders zwischen permanentem und zuschaltbarem 4x4 entscheiden, bietet erstmals und einzig der Jeep Cherokee mit seinem Selec-Trac II genannten System eine weitere Option: den abschaltbaren permanenten 4x4.
Einzigartiger Allradantrieb
Dahinter verbirgt sich ein elektronisch geregelter permanenter Allrad, der einerseits die Kraftverteilung in Abhängigkeit von der Fahrsituation variabel zwischen Vorder- und Hinterachse regelt. Damit ist er einem herkömmlichen permanent-Allrad (beispielsweise mit einem Torsen-Differenzial) überlegen. Doch andererseits lässt sich der Allrad auch deaktivieren, so dass man auch mit einfachem Hinterradantrieb fahren und so den Kraftstoffverbrauch deutlich senken kann. Zusätzlich gibt es noch eine echte Geländeuntersetzung, die gleichzeitig das Zentraldifferenzial sperrt und somit für bestmögliche Traktion unter schwierigen Bedingungen sorgt. In diesem Modus ist auch eine Hill-Descent-Control verfügbar, eine Bergabfahrhilfe, die mittels selektiver Bremseingriffe an allen vier Rädern Steilabfahrten den Schrecken nimmt.
Im Gelände souverän
Trotz einer vergleichsweise geringen Verschränkung (der vorderen Einzelradaufhängung geschuldet) gibt sich der Jeep Cherokee im Geländeeinsatz dank geschickt regelndem Allradsystem keine Blöße. Auch die Übersichtlichkeit der kantigen Karosserie wird hier positiv vermerkt, mangelnde Windschlüpfrigkeit gereicht hier zum Vorteil.
Zum Nachteil allerdings gereicht sie dem Verbrauch. Obwohl mit 177 PS (bei gut zwei Tonnen Leergewicht) kaum übermäßig motorisiert, sind auf tempobegrenzter Autobahnfahrt in der Praxis mindestens 11,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer zu verbuchen. Dieser Praxisverbauch steht in krassem Gegensatz zu den angegebenen 9,0 Litern nach EU-Norm. Dabei liegen die Fahrleistungen des 2,8 Liter großen Commonrail-Diesels auf normalem Niveau (Spitze 179 km/h, 0-100 km/h in 10,5 Sekunden). Überraschend positiv fällt jedoch der ruhige Lauf des großvolumigen Vierzylinders (fast 700 ccm pro Zylinder) und der spontane Antritt auf.
Fazit
Angesichts der Stärken des Jeep Cherokee möchte man ihm seine ungezügelten Trinksitten nicht vorwerfen. Muss man aber, denn angesichts der Fahrleistungen ist ein Praxisverbrauch von fast zwölf Litern bei Tempo 130 – zumal bei deaktiviertem Allradantrieb - weder zeitgemäß noch tolerabel.
Doch der Jeep Cherokee ist selten, sympathisch, komfortabel, langstreckentauglich, sehr geländegängig und er hat auf Wunsch ein Riesen-Schiebedach. Dabei lässt er sich dank seiner kompakten Maße (mit 4,5 m Länge ist er nur 30 Zentimeter länger als ein Golf) auch im Stadtgetümmel spielerisch dirigieren und parken.
Wer auf Schiebedach und Automatikgetriebe verzichten kann ist mit der Basisvariante Sport ab knapp € 32.000 Mitglied im Jeep-Club. Die von uns getestete Top-Variante Limited Exclusive kostet mit dem SkySlider-Dach, Metallic-Lack (€ 690) sowie Soundsystem und Festplattennavi (€ 2.690) und den serienmäßigen 18-Zoll-Rädern genau 43.300 Euro.