Der Kia EV9 auf einen Blick
- Kia-Flaggschiff als 6- oder 7-Sitzer
- Bis zu 2.318 Liter Kofferraumvolumen
- Bis zu 2,5 Tonnen Anhängelast
- 505 km WLTP-Reichweite
- GT-Line mit 385 PS und 700 Nm Drehmoment
- Grundpreis ab 72.490 Euro
Der neue Kia EV9 ist eine opulente Erscheinung. Größer geht es bei Kia in Europa nicht. Die Breite beträgt 1,98 Meter.
Mit was haben wir es hier zu tun?
Der neue Kia EV9 ist nichts Geringeres als das größte Auto, das die Koreaner hierzulande derzeit im Programm haben. Mit einer Länge von 5,01 Metern überragt er selbst den nicht kleinen Sorento um 20 Zentimeter und lässt sich maximal mit sieben Sitzplätzen bestücken. Dennoch kann der erste Eindruck manchmal täuschen – länger als ein neuer 5er BMW ist auch der EV9 nicht. Unser Testwagen fährt indes in der Sechssitzer-Variante mit „Relaxation“-Einzelgestühl in der zweiten Reihe vor. Da kommen schon Van-Gefühle auf, und als Gegenspieler darf sich durchaus der ID. Buzz von Volkswagen erkoren fühlen. Das liegt auch am Preis: Denn mit 72.490 Euro ist dieses große Familienauto, genauso wie der elektrische Bulli, eher etwas für Menschen ohne erweiterte Geldsorgen.
Durch die Namensbezeichnung „EV“ gibt es sodann wenig Rätselraten um die Antriebsform: In der Basis mit Heckantrieb ausgestattet, besitzt unser allradgetriebener Kia EV9 Testwagen jeweils einen permanenterregten Synchronmotor an der Vorder- und Hinterachse. Die Systemleistung beträgt maximal 283 kW/385 PS und das Drehmoment beläuft sich auf bis zu 700 Nm. Das ist für einen Pampersbomber mehr als ausreichend und beschleunigt den deutlich über 2,7 Tonnen schweren Koloss (als GT-Line) in nur 5,3 Sekunden auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit wird auf 200 km/h begrenzt. Die netto 95,0 kWh große Lithium-Ionen-Batterie soll derweil WLTP-Reichweiten von bis zu 505 Kilometern ermöglichen (Stromverbrauch kombiniert: 22,8 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km)².
Trotz seiner Größe lässt sich der Kia EV9 auch anständig durch Kurven treiben. Bis zu 385 PS sorgen für ordentlich Vortrieb.
Wie fährt sich der Kia EV9 AWD GT-Line?
Wie bereits von Kollege Rudolf Bögel beim ersten Test zum Kia EV9 angemerkt wurde: „Kein Porsche 911, okay, aber agil.“ Das können wir auch für die Fahrt in heimischen Gefilden durchaus bestätigen. Denn auch wenn das Stahlfahrwerk auf der komfortablen Seite des Lebens daheim ist, ist der EV9 keineswegs verlegen, auch engere Kurven sportiv zu meistern. Die Lenkung arbeitet ausreichend direkt. Hinterachslenkung, adaptive Dämpfer, ein Luftfahrwerk oder andere dynamikfördernde Features gibt es jedoch nicht. Die beiden Elektromotoren bringen ihre Leistung stets sauber auf die Straße, Druck ist immerzu ausreichend vorhanden und so wird auch die Höchstgeschwindigkeit anstandslos erreicht. Mittlerweile typisch für solche eine Fahrzeuggröße: Die Übersichtlichkeit zu allen Seiten leidet, ohne Kameras geht in kleineren Parklücken oder Parkhäusern oftmals wenig.
Richtige Freude kommt dann beim Laden auf. Das 800-Volt-System des EV9 erlaubt an geeigneten HPC-Ladestationen eine maximale Ladeleistung von 210 kW, die selbst unter winterlichen Testbedingungen erreicht wurde. Da geht es schon ziemlich flott von 10 auf 80 Prozent, die 24 Minuten des Herstellers wirken da durchaus glaubhaft. Aus dem Reich der Mythen entspringt dagegen die Gesamtreichweite von rund 500 Kilometern. Mehr als 380 Kilometer zeigte der Bordcomputer selbst bei einer 100 Prozent geladenen Batterie nicht an, auf Langstrecken bleiben zwischen fünf und 80 Prozent sogar nur noch knapp 290 Kilometer übrig. Hier kocht auch Kia nur mit Wasser, wobei sich der Stromdurst über eine knappe Testwoche hinweg auf etwa 25 kWh je 100 Kilometer (ohne Ladeverluste) eingependelt hat. Das ist, betrachtet man etwa einen Audi Q8 e-tron im Vergleich, zwar immer noch in Ordnung, ein Effizienzmeister wird der EV9 aber nicht mehr werden.
Zählt man das exta Klimadisplay dazu, besteht das Cockpit des EV9 aus drei Bildschirmen. Die Bedienung geht leicht von der Hand, es gibt ausreichend Lademöglichkeiten und Staufächer.
Wie ist der Kia EV9 innen – taugt er für Familien?
Ist man ehrlich zu sich selbst, ist die einzige Rechtfertigung für solch ein Auto, dass man stets ziemlich viele Personen gleichzeitig von A nach B transportieren muss. Wer drei Kinder (oder mehr) hat, landet schnell im Van-Segment und darf sich unter anderem zwischen Opel Zafira Life, Mercedes Vito oder dem klassischen VW Bus entscheiden. Für alle, die an dieser Stelle aus dem bekannten Kasten-Baumuster mit Diesel ausbrechen wollen, kann der elektrische EV9 eine interessante Alternative sein. Doch es kommen auch Fragen auf bei der Platzgestaltung. Würde der 1,94 Meter große Autor hinter sich selbst sitzen wollen, ist es da nicht mehr weit her mit dem Knie- und Beinraum. Außerdem wirkt das Relaxation-Gestühl der Sechssitzer-Variante alles andere als entspannend.
Witzlos sind die weitreichenden Verstellmöglichkeiten bis hin zur angedeuteten Liegefläche, wenn selbst der pubertäre Nachwuchs unweigerlich an die Vordersitze stößt und kaum die unteren Extremitäten unterbringt. Besser man bleibt direkt beim günstigeren Siebensitzer und erhält dadurch nicht nur einen Sitzplatz mehr, sondern auf Knopfdruck auch eine durchgehend ebenerdige Ladefläche ohne größere Lücken. Der Kofferraum selbst fasst zwischen 333 und 2.318 Liter - zusätzlich gibt es bei der Allrad-Variante weitere 52 Liter unter der Fronthaube. Als Seltenheit im Elektrosegment kann der allradgetriebene Kia EV9 zudem bis zu 2,5 Tonnen schwere Anhänger an den Haken nehmen.
Die Sechssitzer-Variante des EV9 verfügt in der Mittelreihe über sogenannte Relaxation-Sitze. Für wirkliche Entspannung fehlt es allerdings an Beinraum, die Lehne lässt sich nicht weit genug nach hinten stellen. Dafür können die Sitze beheizt und gekühlt werden.
Gute Qualität, gute Assistenten
Positiv fällt unser Urteil zur Verarbeitungsqualität aus. Erneut zeigt Kia, wie man einen hochwertigen (und tierfreien) Innenraum herstellen kann, obwohl das Auto nicht im sechsstelligen Bereich landet. Die Übersichtlichkeit und Bedienbarkeit des Infotainment-Systems gefällt ebenfalls. Apple CarPlay und Android Auto funktionieren kabellos und es stehen ausreichend USB-C-Steckplätze zur Verfügung. Gleichermaßen erwähnenswert sind die gut funktionierenden Assistenten, wobei sich der Spurhalteassistent (per Lenkradtaste) sowie der nervige EU-Tempowarner (über die Favoriten-Taste und zwei weitere Klicks) unkompliziert deaktivieren lassen.
Der Kofferraum fasst zwischen 333 und 2.318 Liter. Sperrige Gegenstände transportiert man allerdings besser mit der Siebensitzer-Variante, da es mit dieser keine störenden Lücken zwischen den umgelegten Sitzen gibt.
Fazit
Mit dem Kia EV9 lässt sich definitiv weniger Kasten wagen. Für den großen Familientransport taugt der Koreaner ebenso wie für ausgedehnte Ladeaufgaben - der Siebensitzer mehr als der Sechssitzer. Mit 385 PS ist die allradgetriebene GT-Line zudem befähigt, bis zu 2,5 Tonnen schwere Anhänger zu ziehen und per 800 Volt-Technik werden Ladepausen auf ein zeitliches Minimum reduziert. Die Haare in der SUV-Suppe? Eine schlechte Übersichtlichkeit, die überschaubare Langstreckenreichweite (5-80 Prozent ca. 290 km) und die, für große Menschen, kaum nutzbaren Relaxation-Sitze. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten Kia EV9 AWD GT Line (6-Sitzer)*
- Modell: Kia EV9 AWD GT Line (6-Sitzer)
- Motoren: 2 permanenterregte Synchronmaschinen
- Leistung: 283 kW (385 PS)
- Drehmoment: 700 Nm
- Antrieb: Allrad, 1-Gang-Reduktion
- Batterie: 99,8 kWh Lithium-Ionen
- Verbrauch kombiniert: 22,8 kWh/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²
- Elektrische Reichweite kombiniert: 505 km²
- Ladeleistung: 11 kW AC/210 kW DC
- Beschleunigung (0-100 km/h): 5,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 5,02 m/1,98 m/1,78 m
- Radstand: 3,10 m
- Wendekreis: 12,4 m
- Kofferraum: 828–2.393 l + 52 l Frunk
- Gewicht/Zuladung: ca. 2.749 kg/542 kg
- Anhängelast/Stützlast: 2.500 kg/125 kg
- Preis Kia EV9 AWD GT Line: ab 82.380 Euro
*Herstellerangaben