Was bist du? Das war unser erster Gedanke, als die Lexus RC F Track Edition auf den Hof gerollt kam (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,3 l/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 258 g/km²). Rein äußerlich betrachtet ist man geneigt zu sagen: Hier steht ein waschechter BMW M4 GTS Konkurrent. Die Motorhaube aus Kohlefaser, der Heckflügel üppig dimensioniert und hinter den 19 Zöllern nicht wesentlich kleinere Keramik-Bremsscheiben montiert. Doch schon beim Öffnen der großen Türen kommen erste Zweifel, ob es Lexus wirklich ernst meinte mit dem Leichtbau und der Rennstreckentauglichkeit. Denn im Vergleich zum regulären RC F erkennt man kaum den Willen zur Reduktion – ganz im Gegenteil.
Außen hui, innen zu viel
Die sehr bequemen Sportsitze sind elektrisch verstellbar, das zentrale 10,3 Zoll Display zeigt groß die Navigationskarte und aus der Mark Levinson Anlage tönt das Lieblingslied via Bluetooth-Audio. Eine Klimaautomatik ist freilich auch an Bord und wirkt ob ihrer Kühlleistung klar für den amerikanischen Markt konzipiert. Einzig das perforierte Sportlenkrad, der ebenfalls gelochte Automatikwählhebel und die im Testwagen tonangebende rote Innenausstattung mögen eine gewisse Sportlichkeit vermitteln. Aber sei’s drum: Vielleicht sind es die kraftvollen Werte unter der Motorhaube, die für eine dynamische Stimmung sorgen.
Acht ist Trumpf
Im Bug schlummert nämlich kein turbogeladener Vier- oder Sechszylinder, sondern der gleiche freiatmende Achtzylinder, der auch das Lexus LC Coupé befeuert. 464 PS und 530 Newtonmeter leitet ein 8-Gang-Automatikgetriebe an die Hinterräder, welche den rund 1,8 Tonnen schweren Wagen im Bestfall in nur 4,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Damit soll die Track Edition rund 0,2 Sekunden schneller auf Landstraßentempo eilen als der reguläre Lexus RC F. Jene Werte müssen wir der Toyota-Tochter glauben, denn die aufgezogenen Winterpneus haben bei frühsommerlichen Temperaturen ihre liebe Mühe, die Kraft auch auf die Straße zu bekommen.
Nicht immer laut, dafür unverfälscht
Damit haben wir das Kapitel des ersten Motorstarts gekonnt übersprungen, gibt es hier ohnehin nicht viel zu berichten. Leise säuselnd geht der fünf Liter große Achtzylinder zu Werke und passt damit eher in eine Oberklasselimousine, als in einen Sportwagen mit vier faustdicken Endrohren. Erst wer das großvolumige Aggregat jenseits der 4.000 Touren treibt, bekommt ordentlich was auf die Ohren. Wir hören wahrhaftigen Motorklang und keine nachbearbeiteten Töne aus irgendwelchen Lautsprechern. Ist sie nun also angekommen, die Sportlichkeit?
Es fehlt der Handschalter
Nur solange man den Motor mittels der manuellen Gasse des Automatikgetriebes auch im Bereich der Nennleistung hält. Ab 4.800 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment an, erst spät ab 7.100 Touren stehen alle Pferdestärken bereit. Regiert die Getriebeelektronik hingegen allein, versanden sportive Momente schnell im trägen Schaltverhalten. Und so wünschen wir uns eigentlich einen Handschalter, um die Glanzmomente des Achtzylinders auch wirklich auskosten zu können. Denn jene Lichtblicke gibt es zwischendurch immer wieder. Zum Beispiel, wenn das sehr spontane Ansprechverhalten des V8 mit Ansauggeräuschen zusammenfällt, die uns unweigerlich an einen Ford Mustang denken lassen.
Härtefall Fahrwerk
Beim Thema Fahrwerk dann aber die Kehrtwende um 180 Grad. Ist die Normal-Stellung des adaptiv regelbaren Dämpfersystems für den Alltag noch kommod ausgelegt, wildert die Lexus RC F Track Edition ab „Sport S“ im Revier waschechter Sportwagen. Der Wagen liegt nun spürbar knackiger auf dem Asphalt, Kurvenfahrten werden leichter und der Kontakt zur Fahrbahn wirkt direkter, wenngleich eine gewisse Restbehäbigkeit bleibt. Im noch schärferen Fahrmodus „Sport S+“ haben es die Ingenieure dann allerdings übertrieben. Bretthart wäre noch gelinde ausgedrückt. Betonartig trifft es eher. Beinahe krampfhaft versucht die Track Edition des Lexus RC F hier ihrem Namen gerecht zu werden, kann aber über das Fahrwerk nicht ausgleichen, was der restliche Wagen nicht zu bieten hat.
Die Track Edition ist kein Track-Tool
Und so tut man gut daran, den Japaner eben nicht als kompromissloses Track-Tool einzuordnen, sondern als eine Art fernöstliches Muscle-Car. Der sämige Motor, das geschmeidige Getriebe und die gut gewichtete Lenkung tragen dazu bei, dass man lieber in angepasster Geschwindigkeit dahingleitet, als die Höchstgeschwindigkeit von 270 Stundenkilometer auszuloten. Außerdem kommt dann auch der Show-Effekt des aerodynamischen Designs vollends zur Geltung. Langsamfahren reduziert zugleich den Schmerz an der Zapfsäule. Dieser kann durchaus größer ausfallen, vernichtet der RC F gerne mehr als 15 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer.
Tolle Verarbeitung, miese Bedienung
Und auch die Bedienung von Cockpit und Multimediasystem verlangt vom Fahrer viel Konzentration und eine ruhige Gangart. Via nervösem Touchpad dirigiert man einen Zeiger fummelig über das Mitteldisplay, die Spracheingabe ist kaum hilfreich und der Aufbau der einzelnen Menüs wirkt selten durchdacht. Dafür glänzt der Lexus mit einer hochwertigen Verarbeitung und einem originellen Innenraumdesign nebst cooler Carboneinlagen.
Fazit
Fisch oder Fleisch, Track-Tool oder Grand Tourer? Was ist sie nun, die Lexus RC F Track Edition? Für unseren Geschmack qualifiziert sich der Japaner am ehesten als Muscle-Car. Der V8-Motor kräftig, das Getriebe seidig und das Fahrwerk ein Mix aus Komfort und Sportlichkeit - diese Kombination erinnert an Coupés aus amerikanischer Produktion. Was gleichermaßen auf das Fahrverhalten zutrifft. Trotz 70 Kilo weniger auf den Rippen schafft es der vor allem optisch angeschärfte RC F aber nicht, diese Würze auch auf die Straße zu bekommen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Lexus RC F Track Edition
- Motor: Achtzylinder-V, 4.969 ccm
- Leistung: 464 PS (341 kW) bei 7.100 U/min
- Drehmoment: 530 Nm bei 4.800 U/min
- Antrieb: Hinterradantrieb, 8-Gang-Automatikgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 11,3 l/100 km²
- CO2-Emission: 258 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,70 m/1,85 m/1,39 m
- Gewicht: ca. 1.840 kg
- Grundpreis: 107.250 Euro
*Herstellerangaben