Zunächst einmal: Die Kategorisierung "Sportlimousine" haben wir vorgenommen. Bei der Daimler AG hingegen hat man den viertürigen GT in die Coupé-Schublade gesteckt. Und seine Namensgebung ist - so viel Häme sei erlaubt - in sich widersprüchlich. Ein Viertürer ist nämlich per Definition niemals ein Coupé. Und umgekehrt geht die Rechnung auch nicht auf (Mercedes-AMG GT 53 4Matic+ 4-Türer-Coupé: Kraftstoffverbrauch kombiniert: 9,4-9,1 l/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 215-209 g/km²).
Egal, ist man nun versucht zu sagen. Der CLS macht schließlich seit 16 Jahren vor, wie es geht, vier Türen elegant mit einem knackigen Fließheck zu kombinieren. Auf diesem baut auch das Mercedes-AMG GT 4-Türer Coupé auf, selbst wenn sein Name etwas anderes suggeriert. Mitnichten ist es ein um zwei Türen verlängerter AMG GT. Vielmehr ist das GT 4-Türer Coupé ein längerer CLS mit großer Heckklappe - und verändertem Interieur.
Von Fahrmodi, Displayschaltern und Comand
Dank besagter Heckklappe lädt man selbst sperriges Gepäck über eine stattliche Ladekante ins tiefe Abteil. Nach dem Beladen nimmt man auf aufpreispflichtigen AMG Performance Sitzen (Plus 2.320,50 Euro) Platz, die zwar ausreichend dimensioniert sind, nach einigen 100 Kilometern aber doch recht hart werden. Außerdem fällt die neugestaltete Mittelkonsole auf, die mit allerlei sogenannten Displayschaltern bestückt wurde. Über diese regelt man neben der Audiolautstärke die Start-Stopp-Automatik, den Heckspoiler, Auspuff- und Fahrwerkscharakteristik sowie den allgemeinen Fahrmodus.
Wo diese neuen Tastenfelder ursprünglich als Innovation gefeiert wurden, fassen sie sich im echten Leben leider etwas billig an. Zudem fragt man sich, weshalb es am Lenkrad abermals Einstellmöglichkeiten für Fahrmodi, Heckspoiler und AMG Dynamics gibt (als Bestandteil des AMG Dynamic Plus Pakets zu 3.867,50 Euro). Eins von beidem hätte auch gereicht. Grundsätzlich gestartet wird übrigens im Comfort-Modus, mittels "Individual" kann man sich wie gewohnt sein persönliches Set-Up zusammenstellen.
Eine noch viel dringlichere Frage stellt sich: Warum liefert Daimler seinen Kunden in dieser Fahrzeug- und Preisklasse für 2.142 Euro Aufpreis noch das mittlerweile völlig veraltete Comand-Online-System, wenn man doch MBUX bereits im Regal stehen hat? Seine langsamen Ladezeiten und umständliche Bedienung sind nicht mehr konkurrenzfähig.
Kompromissbereitschaft ist gefragt
Außen fällt abgesehen von der außergewöhnlichen Lackierung in jupiterrot (ohne Aufpreis) und seiner schieren Größe die wahrhaft fette Bereifung des Testwagens ins Auge. Rundum 21 Zoll messend, vorne mit 315er und hinten mit 275er Gummis bestückt. Zum großartigen Gripverhalten der aufgezogenen Pneus gleich mehr.
Doch zunächst zum insgesamten Fahreindruck. Dieser fällt eher zwiespältig aus. Denn das Mercedes-AMG GT 53 4-Türer Coupé scheint sich nicht sicher zu sein, was für eine Art Auto es gerne sein möchte: Komfortabler Cruiser oder waschechter Sportwagen? Nehmen wir den Comfort-Modus: Hier wird sehr früh hoch und erst sehr spät heruntergeschaltet. Das Fahrwerk dämpft dann selbst grobe Pisten sehr sämig ab.
Der GT liegt dennoch satt auf der Straße, gibt genügend Rückmeldung über den Fahrbahnzustand und auch der Geradeauslauf ist vorbildlich. Das Drehzahlniveau ist dank neun verfügbarer Gänge meistens sehr niedrig, entsprechend günstig der Verbrauch. Wir maßen 9,5 Liter pro 100 Kilometer bei gemäßigter Fahrt. Doch während sich der Antriebsstrang geräuschmäßig hier sehr zurück hält, sind Wind- und Abrollgeräusche längst nicht auf S-Klasse- und auch nicht auf CLS-Niveau.
Für die Landstraße ist er zu groß
Klickt man sich durch die einzelnen Fahrmodi, ergibt sich irgendwie kein schlüssigeres Bild. Der schärfste Modus "Race" versucht beispielsweise alles, um die 2,1 Tonnen Lebendgewicht zu kaschieren. Das Fahrwerk wird extrem steif, die wahrhaft gute Lenkung wird noch einmal spürbar direkter. Nur der Reihensechszylinder gurgelt beim Herunterschalten seltsam künstlich und undefinierbar vor sich hin. Im Automatikmodus wird so gut wie nie unterhalb von 4.000 Umdrehungen pro Minute hochgeschaltet und das gesamte Auto scheint in diesem Modus verdrängen zu wollen, dass es zwei Meter breit, fünf Meter lang und eben besagte 2,1 Tonnen schwer ist. Und damit Abmessungen besitzt, die für die Hatz auf der Landstraße eigentlich völlig untauglich sind.
Dennoch: Die erste Links-Rechts hastig angegangen, funktioniert das Kurvenwedeln mit dem beleibten GT doch verblüffend leichtgängig. Maßgeblich dafür verantwortlich ist die ausgefuchste Fahrwerksgeometrie und die vorher angesprochene, sehr üppige Bereifung. Untersteuern? Existiert allenfalls auf dem Papier. Übersteuern? Existiert vielleicht. Allerdings sollte im Fall der Fälle die Auslauffläche sehr großzügig bemessen sein. Quasi ohne Seitenneigung legt sich der GT in die Kurve, hat dank serienmäßigem 4Matic-Allradantrieb Traktion ohne Ende, lässt sich präzise platzieren und kommt letzten Endes extrem zügig aus dem Asphaltgeschlängel wieder heraus.
Damit wäre der GT dann, das muss man ihm lassen, auch weit von einem Standard-CLS entfernt, der bei den erreichten Kurventempi wohl längst die Segel gestrichen hätte. Die Zügel kräftig angezogen macht das auch richtig Freude, zumal auch der Motor eine wahrlich gute Figuar abgibt.
Ein Sahnemotor in einem zu schweren Auto
Der recht frisch entwickelte drei Liter große Reihensechszylinder ist ein Musterbeispiel an Laufkultur, hängt wunderbar spontan am Gas und seine 435 PS lassen sich viel besser dosieren als die 612 PS aus dem GT 63 S. Zudem dreht er vibrationsfrei bis knapp 7.000 Umdrehungen und beschleunigt den AMG in würdigen 4,5 Sekunden auf Tempo 100. Seine "Elektrifizierung", in Form eines von BorgWarner stammenden integrierten Startergenerators, merkt man allerdings im allgemeinen Fahrbetrieb nicht. Lediglich im städtischen Stop-and-Go-Verkehr macht sich dessen Kombination mit dem 48-Volt-Bordnetz in einer deutlich längeren Segel-Phase unterhalb von 15 km/h bemerkbar.
Die Durchzugskraft des intern M256 genannten Aggregats ist angesichts von 520 Newtonmetern ab 1.800 Umdrehungen natürlich nicht mit der eines kräftigen Turbodiesels oder des mächtigen 4.0 V8 zu vergleichen. Er benötigt stetige Drehzahl und einen schweren Gasfuß. Der Weg zu den angegebenen 285 km/h Höchstgeschwindigkeit ist aber auch dann vergleichsweise lang. So gut der Motor auf der Landstraße funktioniert, macht der GT 53 leider auf der Autobahn einen wenig souveränen Eindruck. Er wird seinem optischen Auftritt manchmal nicht unbedingt gerecht. Man wünscht sich diesen Motor in einem deutlich kleineren, leichteren Auto, das zu seiner sehnigen Attitüde passt.
Fazit
Wir halten fest: Das Mercedes-AMG GT 53 4-Türer Coupé kann komfortabel sein. Wenn auch mit gewissen Abstrichen bei Geräuschentwicklung und allgemeinem Sitz- und Fahrkomfort. Sportlich kann er auch, wenngleich er für die wirklich sportive Hatz auf der Landstraße prinzipiell mindestens eine Nummer zu groß und mehrere hundert Kilogramm zu schwer ist. Letzteres kaschiert er gekonnt, bei ersterem sind ihm die Hände gebunden. Zu einer sportlichen Fahrweise passt der sahnige Motor, der allerdings den Punch eines vergleichbaren BMW M-Aggregats vermissen lässt. Und der in einer kleineren Hülle besser aufgehoben wäre. Zuletzt verbleibt damit der etwas zwiespältige Eindruck eines Autos, das nicht recht weiß, was es jetzt sein möchte: Sportlicher Cruiser, sehniger Sportler, oder irgendwas dazwischen? Es gibt sie wohl, die überflüssigen Autos. (Text und Bild: Maximilian Planker)
Technische Daten*
- Modell: Mercedes-AMG GT 53 4-Türer Coupé
- Motor: 3.0-Sechszylinder-Reihenmotor
- Leistung: 435 PS (320 kW)
- Drehmoment: 520 Nm
- Antrieb: Allrad, Neungang-Automatik
- Verbrauch kombiniert: 9,4 - 9,1 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 215 - 209 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,5 s
- Höchstgeschwindigkeit: 285 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 5,05 m/1,95 m/1,44 m
- Gewicht: 2.045 kg
- Tankvolumen: 66 l
- Grundpreis: ab 109.182,50 Euro
*Herstellerangaben