Die Technik soll weitgehend ausgereift sein und befindet sich in mehreren Prototypen in praktischer Erprobung. Mit einem dieser B-Klasse F-Cell haben wir in und um Monaco eine etwa 100 Kilometer lange Testrunde gedreht – fast geräusch- und völlig emissionsfrei.
Sie glauben fest an den Erfolg ihrer Technik und sie glauben auch daran, dass sich diese Technik allgemein durchsetzen wird. Die Mercedes-Strategen räumen der Brennstoffzelle größte Chancen ein, auf lange Sicht den klassischen Verbrennungsmotor abzulösen. Der Stromerzeuger ist zuverlässig, leise, ermöglicht hohe Reichweiten, arbeitet absolut emissionsfrei und soll nach Aussage von Mercedes ab 2015 zudem bezahlbar sein.
Zwar gesteht Mercedes offen ein, dass noch einige Hürden zu überwinden sind und vor allem eine flächendeckende Versorgung mit klimaneutralem Wasserstoff ein Problem darstellt. Doch mit der jüngst ins Leben gerufenen Wasserstoff-Offensive „H2 Mobility“ will man dieses strukturelle Problem in einem breiten Bündnis von Industriepartnern und der Bundesregierung bis 2020 in den Griff bekommen.
Schnell und leise
Mit fast schon beschwörender Inbrunst preisen die Verantwortlichen bei Mercedes das Großserienpotenzial ihrer Technik und den Aufbau einer entsprechenden Versorgungs-Infrastruktur. Man muss wohl so selbstbewusst auftreten, um andere auch wirklich von dieser neuen Technik und dem anstehenden Wandel unserer Mobilität zu überzeugen. Springt der Funke beim Volk nicht über, könnte das ambitionierte Projekt scheitern.
Die Fahreigenschaften der B-Klasse F-Cell wecken auf jeden Fall große Hoffnungen und Vorfreude auf diese saubere und eigentlich schon recht nahe Autozukunft. Der Wagen sieht, abgesehen von großen F-Cell-Aufklebern an den Seiten, zunächst wie eine normale B-Klasse aus. Auch innen finden sich auf den ersten Blick keine Hinweise auf die besondere Antriebstechnik. Der Zündschlüssel wandert klassisch ins Zündschloss und mit einem Dreh nach rechts macht man den Stromer fahrbereit. Auf ein Motorengeräusch wartet man dagegen vergeblich. Legt man den Gangwahlhebel auf D, muss man nur noch mit dem Fuß vom Brems- aufs Gaspedal wechseln und leichtfüßig wie leise nimmt der Wagen Fahrt auf. Lediglich ein dezentes, turbinenhaftes Surren hat uns begleitet.
Funktionsprinzip der Brennstoffzelle
Stark vereinfacht ausgedrückt reagiert in einer Brennstoffzelle Wasserstoff mit Sauerstoff. Dabei entstehen Wasser und elektrischer Strom. Etwas detaillierter lässt sich die Funktionsweise wie folgt beschreiben: Eine Brennstoffzelle verfügt über zwei Elektroden, den Negativpol Anode und den Postivpol Kathode. An der Anodenseite werden die im Tank gespeicherten Wasserstoff
Zwei Stromquellen
Auf dem großen Farbdisplay in der Mittelkonsole kann man sich statt Navi
Die Batterie allein kann die B-Klasse nur bis zu einer mittleren Geschwindigkeit in Schwung halten. Den Strom für schnelles Beschleunigen und höhere Geschwindigkeiten erhält die F-Cell B-Klasse vor allem aus der Brennstoffzelle. Drei Tanks im Fahrzeugboden speichern gut vier Kilo Wasserstoff. Dieses auf 700 bar komprimierte Gas reicht, um für gut 400 Fahrkilometer Strom zu erzeugen.
Drei Euro für 100 Kilometer
Auf unser rund 100 Kilometer langen Testroute haben wir allerdings immer mal wieder mit Zwischenspurts das beeindruckende Längsdynamikpotenzial der immerhin 290 Newtonmeter Drehmoment ausgetestet und so laut Bordcomputer mit unserer Fahrweise den Wasserstoffkonsum auf etwa 1,3 Liter pro 100 Kilometer getrieben. Die Nadel der Tankanzeige blieb dennoch beruhigend weit rechts. Eine öffentliche Wasserstoff-Tankstelle gibt es in Südfrankreich nämlich nicht.
In Deutschland befinden sich derzeit übrigens nur sieben öffentliche Wasserstoff-Tankstellen. Dort kostet ein Kilo Wasserstoff übrigens zwischen acht und neun Euro. Bei einem Verbrauch von einem Kilo auf 100 Kilometer ist ein Brennstoffzellen-Auto beim Spritverbrauch also nicht teurer als ein vergleichbar motorisierter Benziner. Bei Mercedes rechnet man künftig gar mit einem Preis von gut drei Euro pro Kilo Wasserstoff. Bei steigenden Rohölpreisen dürfte demnach ein Brennstoffzellen-Auto bei den Betriebskosten im Vergleich zum konventionellen Pkw also absolut konkurrenzfähig sein.
Bis 170 km/h
Problemlos konnten wir die F-Cell B-Klasse recht zügig bis auf 120 km/h beschleunigen. Dabei wirkt der Antrieb keineswegs angestrengt oder überfordert. Sogar bis 170 km/h soll die B-Klasse schnell fahren, was wir angesichts der Geschwindigkeitsbegrenzungen in Frankreich nicht überprüfen wollten. Doch unser Prototyp wirkte keineswegs so, als könnte er dieses Niveau nicht erreichen. Ansonsten fährt sich die B-Klasse F-Cell fast wie ein stinknormales Auto, allerdings merkt man dem Wagen ein gewisses Mehrgewicht an und ist die Fahrwerksabstimmung wohl auch deshalb nicht ganz so feinfühlig und komfortabel wie bei einer normalen B-Klasse.
Der Kleinserie folgt die Großserie
Von 2010 bis 2012 will Mercedes die von uns getestete F-Cell B-Klasse in Kleinserie bauen. Insgesamt sollen 200 Fahrzeuge entstehen. Die Autos sollen vor allem an Unternehmen aber auch an Privatkunden vermietet werden. Noch ist Mercedes allerdings auf der Suche nach Partnern. Etwa jeweils die Hälfte der Fahrzeuge soll in Europa und USA an den Mann gebracht werden. Es gibt zwar bereits Interessenten, doch muss Mercedes wohl auch aktiv nach weiteren Abnehmern suchen. Abenteuerlustige und solvente Pioniere sind hier gefragt, denn billig wird das Mieten einer F-Cell B-Klasse nicht und die vorläufig noch fehlenden Wasserstofftankstellen schränken die Alltagstauglichkeit ein. So werden sich zum Beispiel 20 Fahrzeuge dieser ersten Kleinserie in Hamburg konzentrieren, wo parallel bis 2014 insgesamt vier Wasserstofftankstellen entstehen sollen.
Nur ein Jahr später ist bereits die Großserienproduktion eines Mercedes Brennstoffzellen-Fahrzeugs geplant. Diese Serienversion dürfte auf der nächsten B-Klasse-Generation basieren und soll in etwa das technische Niveau und die Alltagstauglichkeit bieten, die wir bei den aktuellen Prototypen erfahren konnten. Preislich soll das Serienmodell dann auf dem Niveau eines gut ausgestatteten Kompaktmodells liegen, also wohl zwischen 30.000 und 50.000 Euro kosten.