Manches Mal ist es doch interessant zu sehen, wie sich die Menschen blenden lassen. An SUVs wird sich auf breiter Front gestoßen, doch Pick-ups laufen bei vielen unter dem Radar eines übergewichtigen Privatwagens.
Wurde ich in so mancher Privatstraße ob der Opulenz eines Mercedes GLS schon einmal schief beäugt, wirkt der Mitsubishi L200 im trendigen Offroad-Look eher wie das Arbeitsgerät eines Landschaftsgärtners (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 200 g/km²).
So stört es auch niemanden, wenn ich mit dem 5,31 Meter Trumm auf dem Gehweg parke, solange die Warnblinkanlage eingeschaltet ist und es ein wenig nach Arbeit aussieht.
Den auf der Pritsche montierten All-Terrain-Ersatzreifen nimmt derweil kaum jemand wahr, genauso wenig wie die oben aufgespannten Anfahrhilfen für sandiges Terrain. Sie künden davon, dass es sich hier nicht um ein reines Arbeits-, sondern auch um ein Spaßgerät handelt.
Mitsubishi Deutschland zeigt anhand verschiedener Themenwelten, wie flexibel der L200 zu konfigurieren ist. Camper, Jäger und Handwerker werden ebenso abgeholt wie der ambitionierte Offroad-Fan. Umbauten im Wert von über 17.000 Euro (exklusive Montagekosten) machen im Falle unseres Testwagens den L200 zu einer wahren Allzweckwaffe abseits befestigter Wege.
Ein um 45 Millimeter höhergelegtes Fahrwerk sorgt für mehr Bodenfreiheit, der optionale Unterfahrschutz hält grobes Gestein von Ölwanne und Tank fern. 18 Zoll AT-Reifen von Falken geben im Gelände zwar halt, auf geteerten Wegen neigen sie allerdings zu unschönen Nebengeräuschen.
Insgesamt ist der alltägliche Fahrkomfort durch die Umbauten nicht unbedingt gesteigert worden. Doch weiß man (hoffentlich) um jenen Umstand, bevor man sich für solch eine Offroad-Pritsche entscheidet.
Mit dem besagten Zubehör liegt das Wohlfühltempo auf der Autobahn irgendwo bei 120 Stundenkilometer, die maximalen 171 km/h laut Werk muss man betont nicht ausprobieren. Zur gemächlichen Gangart passt sodann der 2,3 Liter große Vierzylinder-Diesel. Er leistet 110 kW/150 PS und stemmt 400 Newtonmeter. Das maximale Drehmoment steht dabei in einem recht kleinen Fenster zwischen 1.750 und 2.250 Umdrehungen bereit, was der Agilität des L200 nicht sonderlich zuträglich ist.
Immerhin: Der Verbrauch pendelt sich bei vorausschauender Fahrweise schnell im Bereich unter neun Liter auf 100 Kilometer ein, was für den grobmotorischen Selbstzünder sowie das zu bewegende Gewicht von gut 2,3 Tonnen sicherlich noch vertretbar ist.
Im Gelände entpuppt sich der kernig klingende Turbodiesel dagegen als williger Begleiter, der sehr gut mit dem sechsstufigen Wandlergetriebe harmoniert. Dass die Automatik im Zweifel über eine Sekunde braucht, um einen anderen Gang einzulegen, ist nur für Sportfahrer ein Problem. Jene müssen sich allerdings fragen, ob sie mit dem Mitsubishi L200 nicht vielleicht den falschen Pick-up gewählt haben.
Böschungswinkel von 30° vorn, 22° hinten und ein Kippwinkel von 45° ermöglichen es dem L200 in der Theorie selbst gröbere Geländepassagen zu meistern. In der Praxis entpuppt sich die am Testwagen montierte TJM-Winde allerdings als limitierender Faktor - zumindest was den Böschungswinkel vorn anbelangt.
Zu tief ist das Bergungsteil verbaut, der Haken wird immerwährend und im wahrsten Sinne durch den Dreck gezogen. Dass im Eifer des Gefechts nach nur kurzer Zeit die Sicherungsklappe aufgerieben wird, ist kaum verwunderlich.
Begeisterung weckt der L200 dagegen durch seinen zuschaltbaren Allradantrieb. Der „Super Select 4WD-II“ (ab Ausstattungsvariante PLUS) leistet beachtliches und bietet neben einem sperrbaren Mittendifferenzial sowie einer Geländeuntersetzung zusätzlich ein auf Knopfdruck 100 Prozent sperrbares Hinterachsdifferenzial.
Wäre der Mitsubishi Pick-up nicht derart unübersichtlich, er würde glatt als vollwertige Bergziege durchgehen. Verschiedene Fahrmodi, eine eigene Offroad-Traktionskontrolle und eine Bergabfahrhilfe komplettieren die Allradfähigkeiten des Japaners.
Da ein Pritschenwagen aber meistens weniger zum Kraxeln, sondern mehr zum Gütertransport verwendet wird, noch ein paar Eckdaten zur Ladefähigkeit: 152 auf 147 Zentimeter beträgt die Ladefläche bei der Doppelkabine. Bis zu einer Tonne können aufgeladen und nochmals bis zu 3,1 Tonnen an den Haken genommen werden.
Bei solchen Anhängelasten gilt es die eigene Führerscheinklasse gut im Auge zu behalten und auch die 150 PS des Turbodiesels werden bei voller Beladung deutlicher an ihr Limit kommen.
Währenddessen setzt der Nutzfahrzeugcharakter des L200 im Innenraum merkliche Grenzen. Zum Verreisen mit der ganzen Familie samt Vierbeiner eignet sich der Mitsubishi kaum, der Beinraum in der zweiten Reihe ist mehr als eingeschränkt. Hinzu kommt die nahezu senkrecht gestellte Lehne der Rückbank, die gemütliches Sitzen zur Herausforderung macht.
In Sachen Materialverarbeitung überrascht der L200 dagegen mit seiner Qualität. Selbst im gröbsten Gelände klapperte nichts, der Hartplastikinnenraum wirkt wie für die Ewigkeit erdacht. Beim Infotainment gibt sich Mitsubishi gleichwohl knausrig, die Headunit verfügt aber immerhin über eine Schnittstelle zu Android Auto und Apple CarPlay.
Pritsche gut, alles gut! Der Mitsubishi L200 ist ein wahres Arbeitstier, das mit entsprechenden Umbauten zum tauglichen Offroader mutiert. Dann wird aus dem Biedermeier fast schon ein Lifestyler, wenngleich der Ford Ranger diese Nische aber besser besetzt. Insbesondere als höhergelegte Off Road-Variante sucht man Langstreckenkomfort allerdings mit der Lupe. Hier ist Kompromissbereitschaft ist gefragt. Die Umbauten können übrigens alle beim autorisierten Mitsubishi-Partner in Auftrag gegeben werden. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)