Willkommen zurück, will man dem neuen Opel Astra zurufen. Jenem Lieblingsmitbewerber des Volkswagen Golf, der sich unter GM-Vorsitz vor allem zwischen 2004 bis 2021 nur in kleinen Tippelschritten weiterentwickeln konnte. Optisch, aber auch technisch bewegten sich H-, J- und K-Astra spürbar in einer gewissen Komfortzone, die erst das hier zu sehende L-Modell imstande war zu verlassen. Jetzt, unter der Einbettung in den französisch geführten Stellantis-Konzern, scheint man die Rüsselsheimer wieder mit anderen Augen zu sehen. Als Technologie- und Kompetenzzentrum für künftige Modelle – nicht nur für Opel selbst.
Basierend auf der in Hessen mitentwickelten Plattform EMP2 V3 (Efficient Modular Platform 2) ist der neue Opel Astra ein spürbar frischeres Auto geworden. Was die Antriebsmöglichkeiten angeht, aber auch bei der Außengestaltung. Das mit dem Mokka eingeführte „Vizor“-Gesicht ziert ebenfalls den Astra, zeigt Anleihen an den Manta A und soll nach Angaben der Opelaner eine Art Kompass mit je einer vertikalen und horizontalen Achse darstellen. Nun, die Damen und Herren Designer müssen es wissen, doch auch für das Auge des Autors wirkt die Linienführung mehr als gefällig.
Elegant ist die Sensorik in der Frontmaske versteckt, optional werden scharf gezeichnete IntelliLux Pixel-LED-Scheinwerfer gereicht und hinten gibt es einen knackigen Abschluss samt Kofferraumdeckel aus Kunststoff. Nicht etwa, um die gewichtigen 1.750 Kilogramm des vorläufigen Top-Hybriden mit 133 kW/180 PS Gesamtleistung (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,1 l/100 km; Stromverbrauch kombiniert: 15,1-14,2 kWh/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 25 g/km; elektrische Reichweite: 59-71 km)² zu kaschieren, sondern weil sonst kein vergleichbar feinliniges Fugenbild möglich gewesen wäre. Der Teilzeitstromer lastet damit rund 350 Kilogramm schwerer auf dem Stahlfahrwerk als der nackte Basis-Benziner.
Eine adaptive Dämpferregelung gibt es nicht zu bestellen, wobei den Fahrwerkern gemeinhin ein guter Kompromiss zwischen komfortabler Alltagstauglichkeit und sportlicher Verbindlichkeit gelungen ist. Einzig kürzere Stöße oder dicht aufeinander folgende Bodenwellen quittiert der Rüsselsheimer eine Spur zu hölzern. Sehr direkt, aber wenig mitteilsam fällt dagegen die Lenkung aus. Bisweilen nervös reagiert das Volant auf kleinste Richtungswechsel, wobei nur sehr entfernt über das Treiben der Vorderräder informiert wird. An jene Eigenheiten mag man sich noch schneller gewöhnen können, das Bremsgefühl blieb allerdings bis zuletzt zu synthetisch – was der vehementen Verzögerung natürlich keinen Abbruch tut.
Schneller als bei anderen Herstellern setzt bei stärkeren Bremsmanövern zudem der Warnblinker ein und auch das ESP ist um frühzeitige Regelkonformität bemüht. Dass derweil sowohl der adaptive Tempomat als auch der Spurführungsassistent zu den ungeübteren ihrer Zunft zählen, passt nicht ganz zum angedeuteten Sicherheitsgedanken bei Opel. Doch auch beim jüngst durchgeführten NCAP-Crashtest konnte der Kompakte bei den Assistenzsystemen nicht vollends brillieren. Lediglich vier von fünf Sterne zeichnen den Golf-Konkurrenten fortan aus.
Also wieder zurück zum eigenhändigen Fahrgeschehen und zum eigentlichen Herzstück des neuen Opel Astra: dem teilelektrischen Doppelherzantrieb. Auf ihn sind sie in Rüsselsheim besonders stolz, ist er doch der erste Hybridstrang in einem Astra überhaupt. Auf 110 kW/150 PS kommt der 1,6-Liter-Turbobenziner, nochmals 81,2 kW/110 PS steuert die E-Maschine bei. Macht unterm Strich keine 260 Pferdestärken, sondern im Systemverbund laut Opel lediglich 133 KW beziehungsweise 180 PS. Mehr als ausreichend, um vor allem die Vorderräder allzu oft in Bedrängnis zu bringen. Abgesehen davon liefert das Motorenduo, gekoppelt an eine Achtgangautomatik, eine äußerst ausgewogene Vorstellung ab.
Umschaltvorgänge zwischen der neuen und alten Antriebswelt sowie Fahrstufenwechsel gelingen meist unmerklich, der Verbrenner wird nur bei Fahrten jenseits des Kickdowns wirklich hörbar. Die E-Maschine für sich hat zudem genügend Dampf um den Astra mühelos auf bis zu 135 km/h zu beschleunigen, wobei der verbaute 12,4 kWh-Akku (brutto) für 59 bis 71 WLTP-Kilometer ausreichen soll. In der Praxis sind es derweil eher 40 bis 45 Kilometer die elektrisch zurückgelegt werden können, so denn man regelmäßig über den eher kläglich dimensionierten 3,7-kW-Bordlader nachlädt. Im Testdurchschnitt genehmigte sich der Opel Astra Hybrid sodann flott erfahrene 6,5 Liter je 100 Kilometer laut Bordcomputer, wobei der Benzinverbrauch, wie immer bei PHEV-Fahrzeugen, vor allem durch das persönliche Lade- und Streckenprofil bestimmt wird.
Fehlt zum Schluss noch der Blick in den Innenraum. Hier erhält der bislang positive Eindruck des neuen Astra einen entscheidenden Dämpfer. Das sogenannte Pure Panel, also der Verbund aus zwei Bildschirmen mit viel Schwarz drumherum, wirkt wie ein schlecht gemeinter Versuch. Die angepriesene Echtglas-Abdeckung gab es bis dato nur bei Präsentationsfahrten in Form einer höherpreisigen Pro-Variante zu bestaunen – die Serie fährt derzeit einzig im kratzempfindlichen Kunststofffinish vor. Bislang taucht auch keine weitere Display-Option im Konfigurator auf. Die Bedienqualität ist durchwachsen, gerade das Kombiinstrument nervt aufgrund seiner eingeschränkten Darstellung ohne Drehzahl- und Tachoskala. Gut: Nicht alle echten Tasten (und der Lautstärkenregler) sind dem Rotstift zum Opfer gefallen.
Ferner haben es die Entscheider bei Opel geschafft, sich sowohl mit dem Ton des Blinkers als auch mit dem fummeligen Reißverschlussverhau um die Isofix-Befestigungspunkte auf der Rückbank ein Denkmal zu setzen. Die Hosenbeine schrappen am scharfkantigen Hochglanzplastik der Mittelkonsole und Platz gibt es nur in der ersten Reihe, wenngleich auch hier der Fahrerfußraum nur Mittelmaß ist. Immerhin trumpft der Astra optional mit gewohnt sehr guten AGR-Sitzen (Aktion gesunder Rücken) auf, die über eine Klimatisierungs- und umfangreiche Massagefunktionen verfügen.
Optisch und antriebstechnisch ist der neue Opel Astra Hybrid ein großer Wurf geworden. Er fährt flott, liegt gut, braucht wenig Benzin und kann in der Praxis bis zu 45 Kilometer rein elektrisch zurücklegen. Innovationen wie die Pixel-LED-Scheinwerfer oder die feudalen AGR-Sitze bringen zusätzlich einen Hauch Ober- in die Kompaktklasse. Hingegen fehlt dem Rüsselsheimer im Innenraum klar der Feinschliff. Die Displaylandschaft, die Materialauswahl und die Bedienqualität könnten besser sein. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)