Die Luft für leistungshungrige Familienväter wird dünn. Wo es einst sogar eine Auswahl an V8-Motoren in der oberen Mittelklasse gab – und das nicht nur bei den deutschen Premium-Herstellern – sucht man heute sogar Sechszylinder meist vergeblich. Auch der Peugeot 508 PSE (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 1,8 l/100km; Stromverbrauch kombiniert: 15,9 kWh/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 42 g/km)² vermisst einen großvolumigen Antriebsstrang unter der mächtigen Motorhaube. Ein 1,6-Liter-Vierzylinder mit Turboaufladung soll es richten. Doch er bekommt Unterstützung von gleich zwei Elektromotoren, die den Sportsgeist wecken sollen.
Auch optisch stehen die Zeichen bei der schnellsten 508-Version auf Dynamik. Das edle Selenium-grau des Testwagens bildet einen wunderbaren Kontrast zu den neongelben PSE-Elementen, die nicht nur vorne im Stoßfänger zu finden sind, sondern auch am Diffusor und den kleinen Aero-Flaps neben den Auspuffrohren. Highlight der Sport Engineered-Zutaten ist aber die Bremsanlage, gigantische 380 mm-Leichtbaubremsscheiben, die beinahe aussehen wie Streitwagenräder, werden von leuchtend gelben Vier-Kolben-Festsätteln in die Zange genommen und versprechen schon optisch Großes. Auch die 20-Zoll-Leichtmetallfelgen im Schaufelrad-Design mit ihren Michelin Pilot Sport 4S-Reifen signalisieren klar: Hier meint es jemand ernst.
Im Interieur ist man dann allerdings wieder etwas zurückhaltender im Styling gewesen. Ein paar Logos auf Lenkrad und Anbauteilen muss neben einer Alcantara-/Kunstleder-Polsterkombination mit neongelben Kontrastnähten ausreichen in Sachen sportlichem Flair. Geblieben ist die gewöhnungsbedürftige Anordnung des i-Cockpits mit tief stehendem und beinahe quadratischem Lenkrad, das die Blickführung auf das Instrumentarium über das Volant erzwingen will. Vor allem durch die flache Dachlinie wird allerdings das Finden einer bequemen Sitzposition nicht jedem leichtfallen. Wer jedoch im Größenraster der französischen Entwickler liegt, der kann sich durchaus mit dem frischen Layout anfreunden und die Vorzüge genießen. Denn ergonomisch passt es – wenn es passt – erstaunlich gut.
Überhaupt ist „passen“ ein gutes Wort für viele Bereiche des Peugeot 508 PSE. Er spielt die Vorzüge des großen Stellantis-Baukastens mindestens so gut aus, wie die VW-Produkte ihr MQB-Portfolio. Vom Infotainmentangebot über die Bedienbarkeit bis hin zur Materialauswahl liegt alles auf einem sehr ordentlichen Niveau. Raum für Kritik bleibt klein, wenngleich der 508er in keinem Bereich nach oben ausreißt – aber eben auch nicht nach unten. Stattdessen ist er guter Durchschnitt, was an dieser Stelle als Lob zu verstehen ist.
Der Kofferraum übrigens ist durch den Hybrid-Antrieb nicht eingeschränkt. Der elektrochemische Kraftspeicher für die beiden Elektromotoren liegt unter der Rücksitzbank und im ehemaligen Kardantunnel versteckt. So hält der Peugeot 508 PSE die vollen 487 Liter Ladevolumen wie seine Geschwister bereit. Mit der geteilt umlegbaren Rückbank und der weit aufschwingenden Heckklappe steht auch größeren Transportaufgaben nichts im Wege.
Um neben der überarbeiteten Optik und der vielversprechenden Rad-Reifen-Kombination auch für Sportaufgaben gerüstet zu sein, überarbeiteten die PSE-Ingenieure das Flaggschiff tiefgreifend. Eine an der Vorderachse um 24 Millimeter verbreiterte Spur und die am Hinterwagen immerhin 12 Millimeter messende Verbreiterung sorgen für eine besser Abstützung des Aufbaus in scharf gefahrenen Kurven und legen den Grundstein für eine steifere Kinematik des Fahrwerks. Dazu kommen Änderungen an den Stabilisatoren, der Lenkabstimmung und natürlich der Stoßdämpfer.
Je nach Fahrmodus – Electric, Comfort, Hybrid, Sport und 4WD stehen zu Wahl – werden die Kennlinie sämtlicher Systeme jeweils angepasst und die zu Verfügung stehenden Motoren in ihre Leistung variiert. Für den Peugeot 508 PSE muss das ein hoher Entwicklungsaufwand gewesen sein, denn mit mehreren adaptiven Fahrwerkssystemen und gleich drei zu steuernden Motoren gibt es eine Vielzahl zu applizierender Parameter.
Im Normalfall setzt sich der Peugeot 508 PSE elektrisch in Bewegung. Dafür sorgt der zwischen Motor und Getriebe liegende erste Elektromotor mit 110 PS. Ihm springt bei höherer Anforderung der 1.6-Liter-Vierzylinder mit 200 PS und 300 Nm zur Seite. Erst bei drohendem Traktionsverlust oder maximaler Beschleunigung nimmt auch der Hinterachs-Motor mit 112 PS seine Arbeit auf. Schon das Rechenspiel allein zeigt, dass der Performance-Hybrid eine komplexe Angelegenheit ist, denn: Es sind nicht 422 PS, die nach vorne ziehen, sondern laut Hersteller maximal 360 PS und 520 Nm.
In nackten Zahlen präsentiert sich der PSE dennoch beeindruckend sportlich. Nur 5,6 Sekunden vergehen für den Landstraßensprint, auch die 200er-Marke wird mit guten 20,7 Sekunden gemeistert. Selbst die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h erreicht er in seiner Machart durchaus souverän. Denn das Fahrwerk liegt auch bei diesen extremen Tempi sehr gut auf der Straße.
Ein großes Aber zeigt allerdings erstmals über 190 km/h. Hier wird der Hinterachs-Antrieb ausgekuppelt und der Vortrieb ebbt spürbar ab. Überhaupt bringt der Peugeot 508 PSE die potenten Leistungswerte nur auf das Parkett, wenn seine 11,5 kWh-Batterie (Elektrische Reichweite laut WLTP: 42 Kilometer; Testreichweite: ca. 25-30 Kilometer) ausreichend Ladung vorrätig hat. Ist der Kraftspeicher erschöpft wird die Sache schnell zäh. Denn das einst so bärige und satte Beschleunigen weicht dann einem nur noch sehr sanften Vorwärtsdrang – untermalt vom angestrengten Ton des 1.600er-Motors. In Sachen Ladegeschwindigkeit spendieren die Franzosen ab Werk eher magere 3,7 kW, gegen Aufpreis wird immerhin ein On-Board-Lader mit 7,4 kW angeboten.
Der Peugeot 508 PSE ist fahrerisch eine Gratwanderung. Was in einem Moment sehr gut passt, wenn Fahrwerksabstimmung und Kraft der drei Motoren voll aufspielt, kann im nächsten Moment ins Gegenteil umschlagen. Auch ist der Franzose mit fast 1,9 Tonnen Leergewicht ein schwerer Geselle, was sich besonders auf kurvigen Landstraßen nicht mehr verstecken lässt. Hier hätte eine heckbetontere Auslegung der Antriebsstrategie sicher helfen können, man entschied sich aber für die vorsichtigere, untersteuernde Variante.
Und so hinterlässt der PSE einen durchwachsenen Eindruck mit Blick auf seine Fahrdynamik. Objektiv kann man ihm wenig vorwerfen, aber subjektiv ist er längst nicht so lebendig wie seine Vorfahren oder kleinen Brüder, die noch auf den Namen GTi hörten.
Wessen Alltag sich im Kurzstrecken-Pendelverkehr mit anschließender Kinder- und Shoppingversorgung abspielt, der findet im bequemen und praktischen Peugeot 508 PSE einen sehr guten Partner, der auch optisch einiges hermacht. Im richtigen Augenblick kann er auch auf der Autobahn oder über Land für große Freude sorgen. Wem allerdings der Fahrdynamik-Gedanke auf jedem Kilometer wichtig ist, der sollte seine Entscheidung überdenken. Doch das gilt nicht nur für den Peugeot 508 PSE, dieses Problem teilen alle Power-Hybride mit ihm. Denn der Spaß ist nur so lange groß, solange die Batterie genug Saft für die boostende Zusatzkraft hat. (Text und Bild: Fabian Mechtel)