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Porsche 911 (992) GT3 im ersten Test: Alte Schule

Um bis zu 150 Prozent mehr Downforce, 510 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 320 km/h sind nur einige Superlative, die der neue Porsche 911 GT3 zu bieten hat. Ob der Neue sein Geld wert ist, zeigt ein erster Fahreindruck auf der Rennstrecke Bilster Berg.


Der Porsche 911 (992) GT3 im Überblick


Pro

Stärken

  • - Feudale Fahrleistungen
  • - Emotionaler Sechszylinder
  • - Tolles Sportfahrwerk (f. d. Rennstrecke)
  • - Sichere Straßenlage
  • - Feinfühlige Regelsysteme
Contra

Schwächen

  • - Teils umständliche Bedienung
  • - Teuer in der Anschaffung
  • - Unübersichtliche Karosse

Lieber Benzin, statt Strom

Autobauer aus nah und fern überbieten sich derzeit in der beinahe schon täglichen Präsentation neuer Elektroautos. Das Grundrauschen ist klar zu vernehmen: E-Autos sind anscheinend nicht mehr aufzuhalten. Das sieht man in Stuttgart Zuffenhausen gewohntermaßen etwas anders, auch wenn Porsche, quasi in Alibi-Funktion, den elektrischen Taycan auf die Straße brachte.

Wahrlich herzergreifend wird es bei den Schwaben aber erst, geht es um Sechszylinder-Boxermotoren. Am liebsten sind ihnen solche ohne Turboaufladung. Dann stehen die Frauen und Mannen am Bilster Berg wie kleine Kinder vor ihrem neugeschaffenen Spielzeug. Detailverliebt wird der 375 kW/510 PS (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,3-12,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 304-283 g/km²) Renner vor der ersten Fahrt erklärt, die technischen Raffinessen gefeiert, als könne man damit zum Mond fliegen.

Porsche-911-992-GT3-Front-Side

Schon vorab an der Preisschraube gedreht

Gewiss ist zu diesem Zeitpunkt nur, dass Porsche bereits vor dem Launch des neuen GT3 dessen Preis nach oben korrigierte. Von 167.518 Euro auf jetzt 170.969 Euro ist es zwar kein weiter Weg, mit der Differenz zum einst ab 152.146 Euro angebotenen Vorgänger könnte man sich aber auch einen VW Polo nebst Sonderausstattung leisten. Spaß kostet, sagt der Volksmund und ein GT-Elfer war derlei noch nie ein billiges Vergnügen.

Dass er sein Geld wert sein könnte, soll der bis dato sportlichste Ableger im 992-Programm zunächst auf der Rennstrecke unter Beweis stellen. Für nichts anderes wurde er schließlich entwickelt. Normalerweise musst du an dieser Stelle alle Sinne zusammennehmen, um einen Vorsprung zum Vorgänger (den ich als RS-Variante zuletzt vor gut einem Jahr gefahren bin) wahrlich zu erfahren.

Porsche-911-992-GT3-Dynamic-Front

Verblüffende Fahrdynamik

Nicht so beim 992 GT3. Er verblüfft selbst bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und mit noch kalten UHP-Pneus ab der ersten Kurve. Dank der aus dem Le-Mans-Klassensieger 911 RSR übernommenen Doppelquerlenker-Vorderachs-Konstruktion wurden die Nick- und Wankbewegungen des 1.418 (Schaltgetriebe) bis 1.435 Kilogramm (PDK) schweren Wagens weiter reduziert, der Einfluss störender Querkräfte konnte in der Tat spürbar minimiert werden.

Die Vorderachse reagiert damit noch williger und leichtfüßiger auf Lenkbefehle als beim Vorgänger. Die überarbeitete LSA-Fünflenker-Hinterachse mitsamt neuer Stoßdämpfer und die nunmehr bis 2,0 Grad mitlenkende Hinterachse sorgen überdies dafür, dass auch das Heck des GT3 kein unvorhersehbares Eigenleben führt.

Porsche-911-992-GT3-PDK

PDK mit echtem Wählhebel

Über die Mausefalle hinunter in die Steinwand geschossen hat es schon so manchen Sportwagen ins Kurvenaus gedrängt. Das schaffst du natürlich weiterhin – der neue GT3 macht es dir, nicht zuletzt durch die feinfühligen Regelsysteme, aber leichter, heil in die Boxengasse zurückzukehren. Spätestens ab der Bilster Kuppe tritt dann der 510 PS starke 4,0-Liter-Sechszylinder-Sauger in Aktion. Ihn kannst du – ganz nach alter Schule – über die Maximalleistung von 8.400 Touren auf bis zu 9.000 Umdrehungen jagen, wobei er tönt, als gäbe es weder Ottopartikelfilter noch Geräuschemissionsvorschriften. Seine Gasannahme ist dabei fast digital, der Drehwille für einen Saugmotor nach wie vor begeisternd.

Das verbaute 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe ist derweil vom Vorgänger 991.2 übernommen und bietet neben blitzschnellen Gangwechseln eine weite Besonderheit. Da noch eine mechanische Verbindung zwischen Bedieneinheit und Getriebe besteht, hat es auch der altbewährte Wählhebel wieder in den GT3 geschafft. Er ist optisch kaum vom 6-Gang-Schaltgetriebe zu unterscheiden, das kostenneutral zur Wahl steht.

Porsche-911-992-GT3-Interieur-MT

Handschalter für Puristen

Mit dem Handschalter entsendet mich Porsche sodann ins Umland, um auch die normalen Straßenqualitäten des Neuen zu erfahren. Ist die Koordination zwischen Kupplungs- und Gaspedal erst einmal verinnerlicht, tut man sich ob ihrer Qualitäten schwer zwischen beiden Getrieben zu wählen. Puristischer, ehrlicher (und ein paar Kilo leichter) ist die manuelle Schaltung. Für das letzte Quäntchen Geschwindigkeit auf der Rennstrecke ist das PDK in jedem Fall vorzuziehen.

Auf den teils bemitleidenswert schlecht geteerten Straßen um Bad Driburg offenbart der neue Porsche GT3 allerdings auch weiterhin, dass er kein einfacher Sonntags-Cruiser ist. Beide Hände am Lenkrad sollten schon sein, damit der 510 Bolide nicht vorzeitig seine eigenen Wege geht. Die Fahrwerksabstimmung lässt hier vor allem hölzerne Verbindlichkeit erkennen.

Indes gibt der Sportwagenbauer 3,4 bis 3,9 Sekunden für den Standardsprint aus dem Stand auf 100 Stundenkilometer an. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 318 (PDK) beziehungsweise 320 km/h (Schaltgetriebe) erreicht.

Porsche-911-992-GT3-RearTrack

Keine Assistenten, dafür eine Auto-Lift-Funktion

Mit Blick in den Innenraum werden sich Porschekenner sofort zurechtfinden. Die seitenhaltstarken Vollschalen sind bekannt, ebenso das Alcantara-Volant und die mittlerweile sehr digitale Instrumentenlandschaft. Als Neuerung lässt sich der neumoderne Informationsoverkill im Track-Mode auf das Wesentliche reduzieren.

Der Sport Plus-Modus hat übrigens ausgedient. An seine Stelle tritt der besagte Rennstrecken-Modus, der sich ebenso wie der normale Sport-Modus nach den individuellen Bedürfnissen konfigurieren lässt. Dass Porsche keine erweiterte Fahrassistenz, dafür aber eine programmierbare Auto-Lift-Funktion im 992 GT3 anbietet, darf positiv im Sinne der alten Schule gewertet werden. Nur am Lenkrad sollte noch einmal Hand angelegt werden, bedient man im Eifer des Gefechts ungewollt so manche Fahrzeugfunktion.

Porsche-911-992-GT3-Side-Rear

Erstes Fazit

17,5 Sekunden schneller ist der 992 gegenüber dem 991.2 GT3 auf der Nürburgring Nordschleife. Wie das gelungen ist kann jeder selbst erfahren, ist der technische Vorsprung doch ab dem ersten Meter wahrlich spürbar. Der neue GT3 bleibt damit unter den Sportwagen das fein schneidende Skalpell, das an den richtigen Stellen nochmals nachgeschärft wurde. Dass seine kompromisslose Machart zulasten der Alltagstauglichkeit geht, liegt in der Natur der Sache. Preislich fischt Porsche ab rund 171.000 Euro aber definitiv am oberen Ende der Preisskala nach potenziellen Interessenten.

Wer am Ende noch mehr Sportlichkeit wünscht, wartet auf die RS-Variante. Ein dezenteres Touring-Modell ohne hängendem Heckgeflügel soll ebenfalls wieder angeboten werden. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: Porsche)

Technische Daten*

  • Modell: Porsche 911 (992) GT3
  • Motor: Sechszylinder-Boxer-Sauger, 3.996 ccm
  • Leistung: 510 PS (375 kW) bei 8.400 U/min
  • Drehmoment: 470 Nm bei 6.100 U/min
  • Antrieb: Hinterradantrieb, 6-Gang-MT/7-Gang-PDK
  • Verbrauch kombiniert: 13,3-12,4 l/100 km²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 304-283 g/km²
  • Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 3,4-3,9 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 318-320 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,57 m/1,85 m/1,28 m
  • Gewicht: ca. 1.418-1.435 kg
  • Grundpreis: ab 170.969 Euro

*Herstellerangaben

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