Verwendet Mazda eigentlich noch den Werbeslogan „Zoom Zoom“? Falls nicht, sollte man sich in Zuffenhausen überlegen, ob man damit nicht für den 911 Turbo S wirbt (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 257 g/km²). Obgleich wir wissen, dass dies die deutsche Übersetzung für das japanische „Brumm Brumm“ ist, beschreibt die Wortwiederholung den neuen, den schärfsten und bisher teuersten Porsche 911 der Generation 992 am besten. Zoom: In 2,7 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer! Zoom: Von 100 auf null Stundenkilometer in etwas über 31 Meter! Wer ist da schon McLaren, wer Ferrari? Auf der Bundesautobahn zwischen München und Köln konnten wir zumindest keine ernsthaften Konkurrenten zum 650 PS starken 911 Turbo S Cabriolet ausmachen. Ok, ein gealterter Lamborghini Diabolo tauchte irgendwann vor uns auf. Aber bitte: eingesaugt und weggezoomt!
Der 911 Turbo S kennt kaum Feinde
Der allradgetriebene 911 Turbo S hat keine natürlichen Feinde, kennt meist nur Freunde und erhält nicht nur von Kennern durchwegs nach oben gereckte Daumen. Selten hat ein Elfer so viel Gegenliebe ausgelöst und die anderen Verkehrsteilnehmer gleichzeitig so entsetzt im Rückspiegel zurückgelassen. Wir können sie also verstehen, die Großindustriellen aus Nordrhein-Westfalen, die über Jahre kräftig verdient haben und sich mit Eintritt in den verdienten Teilruhestand ein Häuschen am Tegernsee gegönnt haben. Als graue Eminenzen stehen sie ihren Nachfolgern als Berater zur Verfügung – selbstverständlich entsprechend entlohnt. Und wie pendelt man nun am besten zwischen der Villa am See und dem Firmensitz in Wuppertal? Genau. Mit einem 250.000 Euro teuren und bis zu 330 km/h schnellen 911 Cabriolet.
Wandlungsfähiger Charakter
Entlang der Flaniermeilen klappt man bis 50 km/h und innerhalb von 12 Sekunden die Stoffmütze nach hinten, genießt die Sonne und die Blicke. Einige Kilometer später, kurz vor der Autobahn, kommt das gut gedämmte Dach wieder drauf und der Gasfuß drückt das kleine Schwarze einige Millimeter in Richtung Bodenblech. Es ist schier atemberaubend, wie der Turbo S seine Leistung locker lässig aus 3,8 Liter Hubraum und den sechs Boxer-Zylindern schüttelt. Die zwei Turbolader holen kurz Luft, das 8-Gang-PDK sortiert blitzschnell um und schon ist man von 70 auf 270 km/h geschossen! Dann warnt der Porsche, dass für mehr Geschwindigkeit noch mehr Reifendruck von Nöten wäre. 270 Stundenkilometer… genug, um schnell vom Bayerischen ins Rheinische zu kommen.
Rasend schnell, aber auch ziemlich laut
Ist die Autobahn frühmorgens um vier noch leer, kann man das Potential des Turbo S gänzlich auskosten. Ob der eilige Geschäftsreisende allerdings stets in den Sphären unterwegs ist, ist nicht ganz sicher. Denn die Geräuschkulisse ist dann doch von eher störender Natur. Bei Tempo 200 Radiohören ist nicht der Kracher. Und auch ein weiterer Punkt stört im 650 PS Sportler: das optionale elektronisch geregelte Sportfahrwerk. Ja, dieses gibt es nun erstmals auch beim Turbo S zu bestellen, es ersetzt das PASM-Serienfahrwerk und legt die Karosserie gänzlich um 10 Millimeter tiefer. Bitte nicht machen. Zumindest dann nicht, wenn man mit dem 911 Turbo S wirklich lange Strecken im Sinn hat.
Turbo S erstmals mit Sportfahrwerk
Wir wollen nicht sagen die härteren Dämpfer würden den Turbo S ruinieren. Doch sollte man sich bewusst sein, dass man mit dieser nur kleinen Investition den Grundcharakter des Autos deutlich verändert. Weg vom Gleiter, hin zum Heizer und GT2 RS Konkurrenten. Und eigentlich stand und steht bei den Turbo-Modellen von Porsche doch das Komfortabel-Straffe vor dem Unbarmherzig-Harten. Aber sei’s drum, der Testwagen ist damit ausgerüstet, also kann man auch über die Vorzüge des sportlichen Unterbaus berichten. Denn auf der Landstraße (und sei sie noch so schikanenlastig) liefert das Porsche 911 Turbo S Cabriolet eine verdammt gute Vorstellung ab. Hier greift alles ineinander. Der perfekte Antriebsstrang, die unübertroffene elektrische Lenkung, die beherzt zupackende Keramikbremsanlage und eben auch das mitunter robust arbeitende Fahrwerk, das dich jede Asphaltnaht spüren lässt.
Motorsound at its best
Und dann wäre da natürlich noch der Motorsound. Aus den zwei ovalen Endrohren der klappengesteuerten Sportabgasanlage tönt es trotz Ottopartikelfilter rotzig frech, inklusive Schubblubbern und intensiver Ansaug- und Ablassgeräusche der beiden Turbolader. Im Gegensatz zum optisch gewagten Doppel-Spoilerwerk hinten (dessen ausfahrbare Stufe abhängig von der Fahrsituation auch als Airbrake dient), wirkt die Klangkulisse nicht übertrieben und stets genau richtig. Vorne übrigens fährt bei Bedarf (oder auf Knopfdruck) der Bugspoiler pneumatisch in Stellung, damit der Abtrieb an der Vorderachse beim Schnellfahren weiter optimiert wird. Angst vor Bodenschwellen oder Tiefgarageneinfahrten muss man allerdings nicht haben. Auch mit Sportfahrwerk ist der 911 Turbo S nicht so tief wie ein GT3 RS (hier im Test). Optional steht zudem eine Liftfunktion für die Vorderachse zur Verfügung.
Testwagenpreis 250.000 Euro – und der Innenraum?
Wir hatten es geschrieben: 250.000 Euro verlangt man bei Porsche schnell für ein Turbo S Cabriolet, der Grundpreis liegt bei ebenfalls augentränenden 228.000 Euro (inkl. 16 % MwSt.). Wenngleich es an der Innenraumverarbeitung in einem Elfer wenig zu kritteln gibt: etwas nüchtern wirkt das Cockpit schon. Freilich hat der Kunde es selbst in der Hand, wie viel Leder er wünscht. Plastikschalter bleiben aber Plastikschalter und die teildigitale Kombianzeige in den Außenbereichen schlecht abzulesen. Nervig: Das Kartenmaterial des Porsche-Navis scheint aus den 1990er Jahren zu stammen. Über das Fehlen einiger Kreisverkehre und Neubaugebiete kann man hinwegsehen – aber Tankstellen einzublenden, die es schon seit geraumer Zeit nicht mehr gibt, das muss nicht sein. Vor allem nicht bei einem Auto, das für eine Viertelmillion im Preisblatt steht.
Der Tankwart, dein bester Freund
Ansonsten gilt, dass das adaptive Sportgestühl auch für die längere Fahrt mehr als geeignet ist, der Sport-Tex-Bezug eine sehr interessante Volllederalternative darstellt und der zweite Cupholder des Handschuhfachs aus dem Vorgänger fehlt. Das Getränk des Fahrers steckt vor der Mittelarmlehne in einem labbrigen Plastikeinsatz und kann weiterhin nur als Scherz empfunden werden. Immerhin fasst es Getränkedosen jeder Couleur. Weniger zum Scherzen dürfte man aufgelegt sein, muss man den Turbo S in sehr regelmäßigen Abständen tanken. Bewegt man den Wagen artgerecht auf der noch freien Autobahn, laufen gut und gerne 20 Liter auf 100 Kilometer durch die Einspritzdüsen. Viel weniger als 14 Liter Super Plus sollte man im gemischten Drittel nicht erwarten.
Fazit
Leistung satt! Das Porsche 911 Turbo S Cabriolet ist die nächste Evolution an Supersportwagen, die nicht nur ziemlich schnell, sondern gleichzeitig ziemlich sicher zu fahren sind. Galten die ersten 911-Turbos noch als Witwenmacher, kann den 992 Turbo S eigentlich jeder Fahren, der etwas Sinn und Verstand walten lässt. Der Allradantrieb nimmt dem 3,8-Liter-Biturbo-Monster im Heck des Elfers den Schrecken, die perfekte Abstimmung von Lenkung und Fahrwerk ermöglichen präzise Fahrmanöver und der Grenzbereich ist dank fein agierender Fahrhilfen weit nach oben gedehnt. Das optionale Sportfahrwerk ist allerdings zu viel des Guten, der Innenraum wirkt für den heftigen Grundpreis zu nüchtern und in Sachen Infotainment (hier besonders das Kartenmaterial) wird es schleunigst Zeit für ein Update. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Technische Daten*
- Modell: Porsche 911 Turbo S Cabriolet
- Motor: Sechszylinder-Boxer, Biturbo, 3.745 ccm
- Leistung: 650 PS (478 kW) bei 6.750 U/min
- Drehmoment: 800 Nm bei 2.500 U/min
- Antrieb: Allradantrieb, 8-Gang-PDK
- Verbrauch kombiniert: 11,3 l/100 km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 257 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 2,8 s
- Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,53 m/1,90 m/1,30 m
- Gewicht: ca. 1.650 kg
- Grundpreis: ab 228.000 Euro
*Herstellerangaben