Wenn es einen Autobauer gibt, der sich mit Superlativen auskennt, dann sicherlich Porsche. Die Stuttgarter sind hinlänglich bekannt für ihre fahrdynamische Expertise und verhalfen auch dem gar nicht mal so sportlichen „Sport Utility Vehicle“ Anfang der 2000er zu bis dato ungekannter Performance. 2002 erschien der erste Porsche Cayenne auf Touareg-Basis, 2006 kam der erste Cayenne Turbo S mit heute immer noch vorzeigbaren 521 PS in den Handel.
19 Jahre später ist der Porsche Cayenne, nach dem Macan, das weltweit am stärksten nachgefragteste Produkt der Süddeutschen und fährt zum Modelljahreswechsel in einer neuen Top-Variante vor. Der Cayenne Turbo GT besitzt mit 471 kW/640 PS (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,9-11,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 271-264 g/km²) den bisher stärksten Porsche-V8 ohne Elektrifizierung und will mehr denn je den Typus eines Geländewagens, mit dem eines Sportautos verbinden. Dafür darf der Turbo GT als erster Cayenne überhaupt 300 km/h rennen und sprintet von null auf Tempo 100 in sagenhaften 3,3 Sekunden.
Als wären die von Werksfahrer Lars Kern auf der Nürburgring Nordschleife erzielten 7:38,9 Minuten nicht schon Performance-Beweis genug, soll der Debütant auch auf dem schwedischen Gotlandring zeigen, dass jene Papierwerte wirklich in ernstzunehmenden Rundenzeiten münden. So durfte auch der gemeine Autojournalist im hohen Norden ein paar Pirelli P Zero Corsa (Semislicks!) quälen und mit dem neuen Cayenne Turbo GT entlang der fahrdynamischen Grenzen tänzeln.
Mehr als 2,3 Tonnen bringt das aktuell schärfste Porsche-SUV fahrbereit auf die Straße und die Ingenieure haben es mit einem tiefen Griff in die Trickkiste geschafft, dass dieses Trumm Auto fast schon unerhört leichtfüßig durch enge Schikanen drapiert werden kann. Technisch wird – serienmäßig – alles aufgefahren, was zwischen Weissach, Zuffenhausen und Leipzig an Hightech auffindbar war: Ein heckbetonter Allrad mit Sperre, Torque Vectoring, ein, im Vergleich zum regulären Cayenne Turbo (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 264 g/km²), um 17 Millimeter niederes Luftfahrwerk, adaptiv geregelte Dämpfer mit aktivem Wankausgleich, eine Hinterachslenkung sowie fest zupackende Keramikbremsen.
Letztere weisen vorne einen Durchmesser von 440 und hinten von 410 Millimeter auf und sind bitternötig, um der gewichtigen Urgewalt von 640 PS und 850 Newtonmeter gebührend Einhalt zu gebieten. Wenngleich der doppelt aufgeladene 4,0-Liter-V8 auf der langen Geraden einem 911 Turbo S (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 11,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 254 g/km²) erschreckend nahekommt, in Kurven bleibt der Sportwagen dem SUV freilich überlegen. Im spät erfahrbaren Grenzbereich schiebt die Fuhre dann erwartbar über die stets 22 Zoll messenden Vorderräder und erst wer es wirklich darauf anlegt, wird den Porsche Cayenne Turbo GT zum Powersliden animieren.
Da so ein Über-Cayenne mindestens 196.078 Euro kosten soll, wird man diesen sicherlich nicht immer auf letzter Rille fahren. Etwas material- und wertverlustschonend bewegt, hast du dann auch Zeit dich an der sehr präzisen Lenkung, dem harmonischen 8-Gang-Automatikgetriebe und natürlich am Auspuffklang zu erfreuen. Ja, diesen gibt es noch und Porsche hat mit der aufwändig konstruierten Titanabgasanlage nicht nur 18 Kilogramm Gewicht (im Vergleich zum Cayenne Turbo) eingespart, sondern wahrlich eine passende akustische Untermalung geschaffen. Apropos Gewichtsreduktion: Dank des serienmäßigen Carbondachs sinkt der Fahrzeugschwerpunkt, was ebenfalls der Fahrdynamik zuträglich ist.
Wer am Ende genug vom Trackday hat, wechselt per Knopfdruck zurück in den normalen Fahrmodus und wird feststellen, dass der Porsche Cayenne Turbo GT zugleich als opulenter Reisewagen dienen kann. Trotz üppiger Sportbereifung ist der Abrollkomfort beachtlich, dank Doppelverglasung bleiben unliebsame Außengeräusche fern der Passagiere. Weiterhin sinkt der Spritverbrauch auf normalen schwedischen Straßen bei maximal Tempo 80 in Richtung der 11 Liter auf 100 Kilometer, was den Cayenne Turbo GT aber weiterhin keinen Nachhaltigkeitswettbewerb gewinnen lässt. Und wer die Sinnhaftigkeit eines solchen Autos am Stammtisch ob dessen Zugkraft hervorheben will, dem sei vorab gesagt, dass dank der mittig platzierten Abgasanlage keine Anhängerkupplung lieferbar ist.
Im hochwertig gearbeiteten Innenraum bleibt derweil fast alles beim Alten. Neben GT-spezifischen Sportsitzen und der modellbestimmenden Kontrastfarbe „Neodyme“ fällt vor allem das überarbeitete Porsche Communication Management, kurz PCM, ins Auge. Es ist auf die Version 6.0 geupdatet und wird später im Jahr auch in allen anderen Cayenne-Modellen zum Einsatz kommen. Insgesamt gelingt die Bedienung nun ein ganzes Stück intuitiver, die Sprachsteuerung wurde ebenfalls überarbeitet. Diese erkennt nun lapidar gesprochene Ansagen, versteht aber weiterhin weder Spaß noch den Befehl, um beispielsweise das Head-up Display zu deaktivieren.
Das Porsche Cayenne Turbo GT Coupé eignet sich sicherlich nicht, um einen sozial- und umweltpolitischen Diskurs anzuregen. Doch gerade die enorme Unvernunft, die jenem Automobilkonzept innewohnt, macht es am Ende durchaus reizvoll. 640 PS in einem SUV braucht kein Mensch, verpackt wurden sie aber in einem längs- wie auch querdynamisch herausstechenden Gesamtpaket. Ob die im Alltag kaum erfahrbaren Unterschiede zum regulären Turbo Coupé allerdings eine Preisdifferenz von knapp 45.600 Euro rechtfertigten, muss am Ende jeder Cayenne-Fan für sich selbst entscheiden. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: Hersteller)