An das Abschiednehmen müssen wir uns wohl gewöhnen. Nach und nach verlassen uns die hubraumstarken Boliden. Die Sechs-, Acht- und Zwölfzylinder. Auch Porsche muss emissionsärmere Fahrzeuge verkaufen, muss weg vom klimaschädlichen CO2-Rucksack. Im wahrsten Sinne ausgewachsene Dynamiker wie der hier getestete Cayenne Turbo GT (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 14,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 319 g/km)² passen da nicht mehr ins Bild. 640 PS und 850 Newtonmeter Drehmoment, allradgetrieben, aber nicht elektrifiziert – sowas hat zumindest in Europa keine Zukunft mehr. Wobei das ja so ganz auch wieder nicht zu stimmen scheint. Denn Lamborghini, bekanntermaßen ebenfalls zum VW-Universum zählend, hat den nochmals erstarkten 4,0-Liter-V8-Biturbo im Urus sehr wohl im Programm halten können. Porsche dagegen zieht unter das kurze Leben des Turbo GT bereits im kommenden Monat einen Schlussstrich.
Ob wir hier nun ein Lehrstück interner Firmenpolitik oder lediglich findig ausgelegte Emissionsstandards südlich der Alpen sehen – das werden wir an dieser Stelle kaum ergründen können. Fakt ist, der Porsche Cayenne Turbo GT fliegt zum umfangreichen Facelift im April 2023 ersatzlos aus dem Programm. Und bevor der racinggrüne Testproband, dem wir bereits 2021 auf dem schwedischen Gotland Ring auf den Zahn fühlen konnten, ins Museum geschickt wird, darf er auf deutschen Straßen noch einmal alles geben. Alles bedeutet, dass der 2,3-Tonner mittels Launchcontrol in 3,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 hechtet. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei wahnwitzigen 300 km/h. Wie wir mittlerweile wissen, ist so ein neuer Lamborghini Urus Performante (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 14,1 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 320 g/km)² zwar einen Hauch schneller, doch bleibt der Tempo-300-Lastwagenclub weiterhin klein und fein.
Dass der 4,94 Meter lange Turbo GT seine Leistung stets allzu leicht aus dem Ärmel schüttelt, daran sollte niemand einen Zweifel hegen. Wie sehr es dich allerdings ins Lederpolster drückt, ist schon eine Schau. Das ist Porsche-Taycan-Niveau! Nur, dass es dank der serienmäßigen Titansportabgasanlage weitaus besser klingt. Das tonangebende 4,0-Liter-Aggregat baut dabei das Maximaldrehmoment von 850 Newtonmetern ab 2.300 Umdrehungen auf, die Nennleistung von 640 PS liegt ab 6.000 Touren an. Im Normalfall kommst du daher nie in die Verlegenheit das Gaspedal auch nur ansatzweise gen Bodenblech zu drücken. Schließlich ist der Führerschein auch so schon immerzu in Gefahr. Ganz gleich ob auf Landstraßen oder Autobahnauffahrten, kaum jemand rechnet damit, dass ein bulliger Cayenne derart schnell von hinten heraneilt und dann nicht einmal vor der nächsten Kurve kapituliert.
Die hochbauenden Eigenheiten, das schiere Gewicht – all das spielt beim Cayenne Turbo GT eine eher untergeordnete Rolle. Zwischen Stuttgart, Weissach und Leipzig hat man kaum einen technischen Aufwand gescheut, damit sich das SUV sportwagenähnlich bewegen lässt. Das adaptiv geregelte Luftfahrwerk samt 17 Millimeter Tieferlegung und aktiver Wankstabilisierung ist da sicherlich eines der zahlreichen Puzzleteile. Zusammengesetzt wird das Bildnis dann durch härtere Dämpfer, ein längeres Fangseil bei den elektronischen Stabilitätsprogrammen und dem heckbetonten Allradantrieb inklusive Torque Vectoring. Du merkst beim Gasgeben am Kurvenscheitel förmlich, wie es den Turbo GT in die Biegung hineinzieht. Wanken oder gar Schieben über die üppigst dimensionierten Vorderräder? Eher nicht so.
Nun ist das ja alles ganz fein, aber wie sieht es mit dem alltäglichen Fahrkomfort aus? Schließlich bietet sich auch das Cayenne Coupé ob seiner Größe weiterhin als vielseitiger Familien- und Reisebegleiter an. Anders als beim ebenfalls kürzlich getesteten BMW X5 Competition (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,6-13,3 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 307-303 g/km)² schafft es der Cayenne Turbo GT in der Tat „weicher“ abzurollen. Klar schlägt es auch im Normal Modus ab und an etwas deutlicher in die Fahrgastzelle durch, doch in aller Regel bleibt die Harmonie nicht auf der Strecke. Wenngleich die Lenkung im Vergleich reinrassiger Porsche-GT-Fahrzeuge etwas an Rückmeldung vermissen lässt, bei den SUV der Generation höher, schwerer, schneller ist sie ganz weit vorn dabei. Als Mittler zwischen Gasfuß und V8 agiert derweil ein bekanntes Achtgang-Automatikgetriebe von ZF, das mal sanft, mal rabiat schaltend agiert. Ganz in Abhängigkeit davon, in welchem Fahrmodus man sich gerade befindet. Und die großen Keramikstopper, die beim rassigsten aller Cayenne Serie sind? Sie verzögern vehement und nachhaltig.
Letzteres kann über den Verbrauch nicht gerade geschrieben werden. 15 bis 17 Liter Super Plus auf 100 Kilometer sollten schon kalkuliert werden. Mindestens. Was uns schlussendlich in den mittlerweile etwas betagten Innenraum führt. Seit 2018 hat sich dort wenig getan, blendet man die Updates beim Infotainment-System einmal aus. An Wertigkeit fehlt es dem Interieur dennoch nicht und wer schon über 200.000 Euro für einen Cayenne ausgibt, dürfte sich immerhin darüber freuen, dass ziemlich viel Leder und Carbon bereits Teil der Serienausstattung sind. „Neodyme“ ist die offizielle Akzentfarbe des GT-Cayenne, die sich nicht nur bei Ziernähten, Sitzmittelbahnen und Gurten wiederfinden lässt, sondern wahlweise auch bei den Felgen. Auf allen vier konturierten Sitzplätzen nimmt man indes sehr bequem Platz, der Mittelsitz hinten ist beim Coupé nur ein Ablagefach.
In vielen Fahrsituationen lässt einen der Porsche Cayenne Turbo GT positiv-fassungslos zurück. Für derartige Manöver hätte es vor Jahren noch einen Neunelfer gebraucht, heute sind viele Kurvenkunststücke auch mit solch einem Trumm Auto möglich. Vernünftig kann und will der Turbo GT allein schon ob seines Verbrauchs nicht sein. Auch ein Grund, weshalb er zukünftig in Europa nicht mehr angeboten wird. Es folgt, so wird gemunkelt, eine weitere teilelektrische Eskalationsstufe oberhalb der bekannten PHEV-Modelle. Dann irgendwann, für das stark überarbeitete Modelljahr 2024. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
*Herstellerangaben