Bereits im Januar haben wir uns dem Porsche 718 Cayman GTS 4.0 (hier) gewidmet (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,8 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 246 g/km²). Damals noch im portugiesischen Estoril, muss sich der Mittelmotor-Sportwagen nun auf der Nürburgring Nordschleife behaupten. Bekanntermaßen wurde der 2,5-Liter-Vierzylinder-Turbo des alten GTS vorzeitig in Rente geschickt und zur Freude vieler Enthusiasten wieder durch einen freiatmenden Sechszylinder-Boxer, diesmal mit vier Liter Hubraum, ersetzt. Glatt 400 PS drückt der 718 Cayman GTS 4.0 auf die Kurbelwelle und damit nominell 20 PS weniger als die Baureihen-Spitze um Cayman GT4 und Boxster Spyder (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,9-10,2 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 249-232 g/km²).
Großartiger Sechszylinder-Boxer
Im Alltag fallen die fehlenden Pferdchen allerdings nicht ins Gewicht und selbst auf dem Track macht der hochdrehende Sechszylinder eine großartige Figur. So ist der GTS 4.0 mehr als nur ein Geheimtipp im Porsche-Regal, ist er nicht nur günstiger als ein GT4, sondern kann auch einem 911 (992) Carrera S mit 450 PS annehmbar folgen, wenn auch zu keiner Zeit überholen (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,0-9,6 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 227-220 g/km²). Woher wir diese Weisheit nehmen? Im Rahmen des Sport Auto Perfektionstrainings 2020 hatten wir die Gelegenheit zum direkten Vergleich. Dabei trennen den Biturbo-911 nicht nur beim Motor Welten vom 718 – technisch ist der Elfer schlichtweg das neuere Auto.
GTS 4.0 ab sofort auch mit PDK
Doch bietet der 718 Cayman weiterhin alles, was das Motorsportherz im Jahr 2020 höherschlagen lässt. Den kräftigen und bis 7.800 Touren drehenden Mittelmotor hatten wir angesprochen, die ideale Gewichtsverteilung und das perfekte 6-Gang-Schaltgetriebe noch nicht. So sitzt das 400 PS Aggregat ziemlich genau in der Mitte des Wagens, was bedeutet, dass circa 46 Prozent der Fahrzeugmasse vorne, 54 Prozent hinten lasten. Das Schaltgetriebe arbeitet in gewohnter Präzession, ist kurz, knackig und die Gänge rasten feudal in den einzelnen Gassen ein. Ein 7-Gang-PDK steht mittlerweile auch zur Wahl, ermöglicht noch fixere Rundenzeiten, vermindert allerdings die Verbundenheit zwischen Sportwagen und Fahrer.
Im Innenraum nicht mehr taufrisch
Und gerade dort setzt der Cayman seit je her an. Wird dem großen 911 gerne nachgesagt er sei mittlerweile zu wuchtig und digital, spielt insbesondere der neue GTS 4.0 die Trumpfkarte des gefühlsechten Performancekünstlers aus. Dabei stimmt es nur bedingt, dass 718 Cayman und Boxster ins digitale Hintertreffen geraten sind. Zwar ist das Porsche Communication Management System der Generation 4.0 nicht mehr taufrisch, Apple CarPlay und Android Auto sind aber genauso mit von der Partie wie die Möglichkeit, die Porsche Track Precision App nutzen zu können. Letztere wurde vor kurzem runderneuert und tritt langsam, aber sicher aus ihrem bisherigen Schattendasein hervor.
Die Porsche Track Precision App
Zumindest für Porschefahrer könnte sie in naher Zukunft eine Alternative zu anderen Telemetrie-Apps, wie beispielsweise Harry’s GPS Laptimer, darstellen, bietet die Porsche App doch den Vorteil, unmittelbar auf diverse Fahrzeugparameter zugreifen zu können. Per WLAN-Hotspot und optional mittels USB-Kabel werden Smartphone und – in unserem Falle – 718 Cayman GTS 4.0 miteinander verbunden, das Mobilgerät dient als Analysegerät und Dashcam. Unter anderem Lenkwinkel, Gaspedalstellung und G-Kräfte werden in Echtzeit übertragen, gespeichert und anschließend dem Videobild hinzugefügt. Parallel sorgt das GPS-Signal dafür, dass die Fahrzeugposition sowie erfahrene Rundenzeiten exakt ermittelt werden. Um dies zu bewerkstelligen, hat Porsche weltweit zahlreiche Rennstrecken(-varianten) vorkonfiguriert in der App hinterlegt.
App arbeitet nicht immer fehlerfrei
Neben der Aufzeichnung der eigenen Fahrleistungen, dient die Track Precision App aber auch zur persönlichen Fahrstilanalyse und zeigt bereits live während der Fahrt Verbesserungen oder Verschlechterungen zur Referenzzeit beziehungsweise Referenzrunde an. Weiterhin können selbst Action-Kameras durch die App sekundengenau hinzugeschaltet werden und ermöglichen später ein Bild-in-Bild-Erlebnis. Soviel zur Theorie. Denn in der Praxis harmonieren Bild, Fahrzeugdaten und Bedienung nicht immer, die Zuverlässigkeit der App ist zudem stark vom verwendeten Smartphone-Betriebssystem abhängig. Android ist hierbei gegenüber iOS klar im Vorteil, verzeichneten wir dort weniger Verbindungsabbrüche und im Nachgang ein schnelleres Videorendering. Etwas Entwicklungsarbeit ist also noch erforderlich, bis die Track Precision App in aller Einfachheit und Zuverlässigkeit funktioniert. Der generelle Funktionsumfang erscheint aber beachtlich und dürfte ambitionierte Porschefahrer in der Findung der Ideallinie durchaus unterstützten können.
Fahrwerk offenbart Abstand zwischen GTS 4.0 und GT4
Keine Entwicklungsarbeit bedarf es mehr beim 718 Cayman GTS 4.0. Denn losgelöst vom App-Geschehen ist der 4.0 ein bestens abgestimmter Straßenrennwagen, der zwischen Schwedenkreuz, Ex-Mühle und Hohe-Acht beachtliches leistet. Freilich: Ein GT4 setzt dem Treiben noch die Krone auf, verfügt dieser unter anderem über ein deutlich verbindlicheres Fahrwerk, was wiederum auf die Alltagstauglichkeit schlägt. Der Anspruch des 718 Gran Turismo Sport an sich selbst garantiert hingegen spürbaren Restkomfort, wirkt auf der Nordschleife aber betont nicht deplatziert. Schnell gefahren tänzelst du mit dem Cayman GTS 4.0 immer an der Grenze der Fahrdynamik und hältst den Stuttgarter mit feinfühligen Lenkbewegungen zwischen Unter- und Übersteuern in der Spur. Den Rest regelt die Elektronik, ohne dich als Fahrer zu sehr zu bevormunden. Wer den 718 dagegen ohne Fahrhilfen bedienen will, muss von wacher Natur sein. Als Übungsfeld empfiehlt sich dafür allerdings ein anderer Spielplatz als die Grüne Hölle.
Alltagstaugliche Verbrauchswerte
Über den Einsatz der Porsche Keramikbremse kann im Cayman derweil gestritten werden, gerade auf dem Ring sorgt sie allerdings für eine sichere Verzögerungsleistung – auch nach vielen Runden am Stück. Sofern die Kondition des Fahrers mitspielt, stellen längere Ausflüge auf die Nordschleife auch an anderer Stelle kein Problem dar. So hält sich der 4,0-Liter-Sechszylinder-Boxer selbst beim Spritkonsum kräftig zurück. 20-25 Liter auf der Nordschleife klingen nach viel, erscheinen im Vergleich zu manch Turbo-Kollegen aber beinahe kleinlich. Auf dem Weg von München zur Nürburg rekapitulierte der Bordcomputer (auch dank der adaptiven Zylinderabschaltung) sogar einen alltagsnahen Verbrauch zwischen 8,5 (!) und 10 Liter Super Plus. Ein kräftiges Hoch also auf großvolumige Saugmotoren, die nicht nur effizient sein, sondern im Falle des Porsche 718 Cayman GTS 4.0 zudem verdammt gut klingen können. Trotz Ottopartikelfilter und aktueller Abgasnorm.
Fazit
Für den Porsche 718 Cayman GTS 4.0 kann man schlicht und ergreifend nur voll des Lobes sein. Beengte Platzverhältnisse und das mittlerweile angestaubte Interieur stehen einsam auf der Soll-Seite, sollten wahre Sportwagen-Enthusiasten aber nicht abschrecken. Im Gegenteil: Der GTS 4.0 bietet im gesamten Porsche-Regal das derzeit wohl beste Preis-/Leistungsverhältnis und düpiert nicht nur den deutlich sportiveren 718 GT4. Neben guten Fahrleistungen auf der Rennstrecke bietet der 4.0 nach bester Gran Turismo Machart auch eine hohe Alltagstauglichkeit, kombiniert mit sehr moderaten Verbrauchswerten. Was die Porsche Track Precision App angeht, so sind wir überrascht, dass Porsche bisher nicht mehr die Werbetrommel für die Smartphone-App gerührt hat. Mit den nächsten Updates sollten aber so manche Kinderkrankheiten ausgemerzt und vor allem die Kompatibilität mit iOS-Geräten weiter verbessert werden. (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Rossen Gargolov)
Technische Daten*
- Modell: Porsche 718 Cayman GTS 4.0
- Motor: Sechszylinder-Boxer, 3.995 ccm
- Leistung: 400 PS (294 kW) bei 7.000 U/min
- Drehmoment: 420 Nm zwischen 5.000 und 6.500 U/min
- Antrieb: Hinterradantrieb, 6-Gang-Schaltgetriebe
- Verbrauch kombiniert: 10,8 l l/100km²
- CO2-Emissionen kombiniert: 246 g/km²
- Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,5 s
- Höchstgeschwindigkeit: 293 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,41 m/1,80 m/1,28 m
- Gewicht DIN ca.: 1.405 kg
- Grundpreis: 80.703 Euro (inkl. 16% MwSt.)