Der Taycan ist ohne Überschwang ein Erfolgsmodell für Porsche. Von 301.915 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2021 entfielen 41.296 Einheiten allein auf die elektrische Sportlimousine. Damit entschieden sich sogar mehr Kunden für den Stromer als für den Klassiker 911 (38.464 Einheiten). Um jenen Verkaufserfolg weiter auszubauen, lockt Porsche seit dem vergangenen Jahr zusätzlich mit dem Cross Turismo, der ab März 2022 um den optisch zivileren, aber nicht minder teuren Sport Turismo ergänzt wird.
Beide Derivate sollen den klassischen Kombi als Fastback neu interpretieren, was rein äußerlich zwar gelingt, allerdings in einem verhältnismäßig kleinen Kofferraum mündet. Zwischen 405 und 1.171 Liter können im Heck verstaut werden, bereits ein Dacia Sandero Stepway liefert hier ähnlich geräumige 328 bis 1.108 Liter. Unterschlagen will ich an dieser Stelle nicht den Frunk, der, egal ob Allrad oder nicht, immerhin bis zu 84 Liter oder zwei paar durchnässte Laufschuhe oder ein durch den Matsch gezogenes Ladekabel fassen kann.
Doch ist es wirklich der Anspruch des Taycan, durch den Wald joggende Dacia-Fahrer als Neukunden zu gewinnen? Wohl eher nicht. Insbesondere der bis zu 440 kW/598 PS starke GTS Sport Turismo (Stromverbrauch kombiniert: 24,1-21,0 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km)² qualifiziert sich ob seiner Leistungswerte als Sportwagen mit gewissen Vorzügen. Zwar transportiert er im Zweifel nicht viel mehr als Luft und Liebe, dafür gibt es derzeit wohl kaum ein zweites Elektroauto, mit dem du so gerne und so ausdauernd eine zugeschneite Bergstraße hinaufbretterst.
Vorausgesetzt natürlich es liegt Schnee. Und wenn du nicht gerade in Levi oder Berchtesgaden wohnst, weißt du mit diesem Test immerhin, dass er es kann und sich insbesondere die GTS-Version wieder vom Rest der Modell-Truppe abzuheben weiß. Die zwei permanenterregten Synchronmaschinen, die im Systemverbund für elektrischen Allradantrieb sorgen sind das eine, wie feinfühlig Lenkung und Fahrwerk auf das stolze Leergewicht von mindestens 2.310 Kilogramm abgestimmt wurden, das andere.
Es verhält sich somit wie bei den anderen Gran Turismo Sport Varianten im Porsche-Lineup: Mehr Kompromiss aus Sportlichkeit und Alltagsnutzen geht nicht! Marschiert der Taycan GTS im Normalfall mit einer Dauerleistung von 380 kW/517 PS nach vorne, stehen im Overboost kurzzeitig 440 kW/598 PS zur Verfügung. Gesetz des Falls, du weißt, was du hinterm Lenkrad tust, scharren die maximal 850 Newtonmeter Drehmoment (bei Launch Control) so lange in der weißen Pracht herum, bis sie Grip finden.
Das geschieht dank der variabler Momentenverteilung in der Regel relativ schnell und selbst dann beschleunigt der Stuttgarter auf blankem Eis schneller auf 100 Stundenkilometer als der oben besagte Dacia das auf trockenem Asphalt je schaffen würde. Krallt sich der Taycan derweil selbst in den schwarzen Belag, stehen nach nur 3,7 Sekunden 100 km/h auf dem Tacho. Zum Vergleich: Ein Panamera GTS Sport Turismo (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 13,2-12,3 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 300-280 g/km²) benötigt für jene Paradedisziplin gut 3,9 Sekunden.
Abseits von diesem Zahlenwerk ist es aber das besonders satte Fahrgefühl, das im Falle des Taycan GTS Sport Turismo zu überzeugen weiß. Das Auto scheint aus einem Guss gefertigt zu sein, folgt mit gewissenhafter Präzision selbst kleinen Lenkbefehlen und beherrscht dank serienmäßiger Luftfederung sogar das lange Reisen. Per Knopfdruck werden die Zügel im Sportprogramm noch enger gehalten, das schiere Fahrzeuggewicht lässt sich zwar vor eisigen Kehren nicht wegdiskutieren, doch überrascht das insgesamt leichtfüßige Handling jedes Mal erneut.
Was spricht der Verbrauch entlang der Testroute inklusive Rossfeld-Panoramastraße als dynamischer Höhepunkt unserer ersten Ausfahrt? Im Schnitt 37 kWh auf 100 Kilometer, wobei hier weder Ladeverluste berücksichtigt sind noch ein echter Kaltstart überwunden werden musste – die beheizte Hotelgarage macht es möglich. Netto 83,7 kWh fasst die große Performancebatterie Plus serienmäßig im GTS, genug um selbst bei jenen Verbrauchswerten mehr als 200 Kilometer weit zu kommen. Mit einem kombinierten WLTP-Verbrauch zwischen 24,1 und 21,0 kWh je 100 Kilometer gibt Porsche selbst den Verbrauch an, im Idealfall soll der GTS Sport Turismo somit bis zu 490 Kilometer (bis zu 616 Kilometer innerorts) weit stromern können.
Geladen wird, wie bei den anderen Taycan-Modellen auch, maximal mit bis zu 270 kW am Gleichstrom-Lader, wobei es zum Erreichen dieses Wertes natürlich immer auf mehr als einen Faktor ankommt. Mit dem Update auf das neue PCM 6.0 rechnet das Navigationssystem nicht nur schneller, auch die Ladeplanung soll nun treffsicherer funktionieren. Was wir an dieser Stelle auf jeden Fall schreiben können, ist, dass das PCM weiterhin unter Komplettausfällen leidet und die nunmehr farbigen Icons im linken Bildschirmrand wenig zum klassischen Bedienumfeld des Taycan passen mögen. Ansonsten gilt, dass auch der Porsche-Stromer weiterhin über eine sehr gute Materialauswahl und eine hervorragende Verarbeitung verfügt. Platz ist zumindest vorne ebenfalls vorhanden, die Aussicht nach draußen (hier vor allem nach hinten) fällt jedoch ausgesprochen mager aus.
Vor beinahe einem Jahr hatten wir den Basis-Taycan in der Redaktion zu Gast und damals resümierte ich, dass man mehr Taycan eigentlich nicht bräuchte. Das stimmt auch weiterhin. Doch der GTS Sport Turismo macht bedeutend mehr Spaß und sieht überdies auch noch schnittiger aus. Der sehr gut gelungene Kompromiss aus Sportlichkeit und Alltagsnutzen gefällt, genauso wie die hervorragende Verarbeitung. Als echter Kombi geht der Sport Turismo allerdings nicht durch und dass auch drei Jahre nach dem Marktstart das PCM-System während der Fahrt komplett den Dienst versagt, passt nicht zum Basispreis von satten 132.786 Euro. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)