Es ertönt vom Beifahrersitz eine Stimme, die mahnt, man sei bei erlaubten 100 km/h und noch dazu in Österreich gerade mit Tempomat 130 unterwegs. Es folgt der Hinweis, dass auf den Schilderbrücken zusätzlich „IG-L“ (Immissionsschutzgesetz-Luft) zu lesen sei und man bei einer Radarkontrolle mit empfindlichen Geldstrafen rechnen müsse. Das stimmt, gilt im Tiroler Transitkorridor zwischen Kufstein und Brennerpass aber nur für diejenigen, die mit einem klassischen Verbrenner oder Plug-in Hybrid unterwegs sind. Der Porsche Taycan 4S Cross Turismo (Stromverbrauch kombiniert: 24,8-21,4 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; elektrische Reichweite: 415-488 km)² hingegen, darf, Kraft seiner vollständigen Batteriebetriebenheit, zumindest etwas schneller stromern. Es ist quasi mit ihm möglich bei unseren alpenländischen Nachbarn dauerhaft die Überholspur zu nutzen – zumindest auf Teilstrecken in Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich und der Steiermark.
Bereits seit einigen Jahren gilt jene Regelung für inländische Autofahrerinnen und Autofahrer, nach einem Rechtsstreit auf EU-Ebene seit Anfang 2021 auch für alle Ausländer, bei denen das Fahrzeug anhand eines entsprechenden E-Kennzeichen von außen als Elektroauto erkennbar ist. Jene gesetzliche Ausnahme bei der Geschwindigkeitsbegrenzung dürfte allerdings bis heute nur wenigen bekannt sein. Ungläubig sind die Blicke auch anderer (österreichischer) E-Auto-Fahrer als wir vor der nahenden festen Radarfalle nicht die Geschwindigkeit reduzieren. Typisch Porsche-Fahrer könnte man meinen. Doch würde diese legale Raserei selbstredend auch mit einem Dacia Spring funktionieren, würde er denn die 130-km/h-Marke überhaupt erreichen.
Dass die zwei permanenterregten Synchronmaschinen mit ihrer zwischenzeitlichen Gesamtleistung von 360 kW/490 PS und einer Overboost-Spitze von 420 kW/571 PS bei jenen Geschwindigkeiten stets unterfordert sind, versteht sich von selbst. Im Range- und bei angepasster Geschwindigkeit im Normal-Modus koppelt der allradgetriebene Taycan 4S aus Effizienzgründen seit der leichten Modellpflege 2022 zudem die Vorderachse ab (zuvor wurde immerzu die stärkere Hinterachse lahmgelegt). Die Dreikammer-Luftfederung geht ab 90 km/h ohnehin in Tiefstellung. So lassen sich schon ein paar Kilowattstunden je 100 Kilometer einsparen, wenngleich ein Testverbrauch um 25 bis 27 kWh immer noch hohe Hausnummern sind. Insbesondere, wenn die netto 83,7 kWh große Batterie des Porsche mit teurem Saft aus der autobahnnahen Schnellladesäule gespeist wird.
An eben diesen erlebten wir allerdings eine durchaus positive Überraschung. Denn beim Laden an der 300-kW-Säule der ortsansässigen Aral-Tankstelle hegten wir bislang immer Zweifel, ob denn da wirklich so viel Strom rauskommt, wie angegeben. Die im Januar getesteten 800-Volt-Genesis-Modelle jedenfalls schafften (auch vorkonditioniert) kaum mehr als 150 kW aus dem Starkstromkabel zu ziehen. Der Taycan hingegen klotzte bei einer Batterietemperatur um 30 Grad und mit 15 Prozent Restenergie mit satten 250 kW. So macht E-Mobilität Spaß, so schafft man es in der Tat in nur wenigen Minuten Elektronen für mehrere hundert Kilometer nachzuladen. Auch an der Ladesäule ist man also mit dem Porsche Taycan weiterhin auf der Überholspur unterwegs – selbst wenn sich der Wagen keinen Meter bewegt.
Trotz der wiederholt erfreulich schnellen Ladevorgänge mangelt es dem Porsche Taycan mit der großen Performancebatterie Plus dennoch an ausreichend Reichweite. Nein, wir sind keine Fans davon mittels Hypermiling große Wegdistanzen hinter Lkw-Kolonnen abzuspulen, daher sind 300 bis 350 Kilometer in unseren Augen das Höchste der Gefühle. Jedenfalls wenn es draußen nicht allzu kalt ist. Das ist okay, mehr aber auch nicht. Dieser Umstand dürfte sich mittlerweile auch auf dem wachsenden Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos niederschlagen. Denn im Verhältnis zu einem ähnlich einzuordnenden Panamera Sport Turismo (vor allem jene mit V8-Antrieb), ist der Taycan 4S Cross Turismo aus zweiter Hand mittlerweile deutlich günstiger zu haben.
Ein Schnäppchen wird der erste elektrische Sportkombi der Stuttgarter damit zwar immer noch nicht, doch kann so zumindest ein preisgünstigerer Einstieg gelingen. Denn eins macht auch der Taycan 4S Cross Turismo klar: Er ist vor allem fahrdynamisch ein echter Porsche! Abseits von Reichweitendiskussionen und mit dem Bewusstsein rund 2,3 Tonnen durch die Gegend zu bugsieren, beherrscht der Taycan das Kurvenfahren wie kaum ein zweites Elektroauto. Die Frage nach ausreichend Leistung stellt sich schon beim 4S nicht wirklich, wenngleich Superbike-ähnliche Überholmanöver dem Turbo S vorbehalten sind (Stromverbrauch kombiniert: 24,0-22,5 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km; elektrische Reichweite: 428-458 km)².
Immer wieder bemerkenswert ist zudem der teilweise deutlich spürbare mechanische Umschaltvorgang des Zweigang-Getriebes an der Hinterachse, der wahlweise durch einen heroisch klingenden Sportsound untermalt wird. Insbesondere der Cross Turismo überzeugt derweil durch eine sehr harmonische Fahrwerksabstimmung, die sowohl auf der Langstrecke als auch auf der Landstraße kaum Wünsche übriglässt. Ebenfalls ein Gedicht ist die sehr direkte und fein gewichtete Lenkung und das griffige, weil kompaktbauende Volant. Ob sich derweil die Investition in die sündhaft teuren Keramik-Bremsen unseres Testwagens lohnt, muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Die Verzögerungsleistung der hinter den beinahe komplett geschlossenen Felgen kaum sichtbaren optionalen Bremsanlage ist auf jeden Fall mehr als vehement.
Etwas ratlos lässt einen hingegen auch vier Jahre nach dem Marktstart die schwache und in ihrer Intensität nicht einstellbare Schubrekuperation zurück. Sie lässt sich nicht, wie mittlerweile üblich, per Schaltpaddels, sondern primär über einen Knopf am Lenkrad einstellen. One-Pedal-Driving ist also mit dem Porsche Taycan weiterhin nicht möglich, genauso wenig wie der intuitive Wechsel eines Musiktitels per Lenkradtaste. Jener Umstand führt uns zum Schluss noch in den Innenraum.
Rückengeplagt sollte niemand sein, der sich für einen Taycan interessiert. Der Einstieg in die tief montierten Sportsitze gelingt eher umständlich, zudem befindet sich für viele Lenker die fahrfertige Sitzposition auf Höhe der B-Säule. Da spricht man dann eher von reinfallen, statt reinsetzen. Abgesehen davon wird man von einem tadellos verarbeiteten Cockpit empfangen, die Platzverhältnisse vorne sind gut, hinten nur ausreichend. Auch Kleinkinder im Kindersitz stoßen schon sehr früh an die Rückenlehne der Vordersitze an. Der Kofferraum des Cross Turismo indes fasst zwischen 405 und 1.171 Liter Gepäck, im Frunk stehen weitere 84 Liter bereit.
Auch mit dem Porsche Taycan 4S Cross Turismo bist du stets auf der Überholspur unterwegs. Mit Tempo 240 auf der deutschen Autobahn, durch entsprechende Gesetzmäßigkeiten schneller als andere im Ausland (Österreich) und natürlich an der Ladesäule, wo der Stuttgarter wahrlich Spitzenleistungen erzielt. All dieser Vorsprung kostet freilich ordentlich Geld und treibt den Testwagenpreis auf über 160.000 Euro. Die Wahrheit ist aber auch: Bereits jetzt verliert der Taycan im Verhältnis mehr an Wert als ein Porsche Panamera. Der Blick auf den Gebrauchtwagenmarkt kann daher lohnen. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)
Modell | Porsche Taycan 4S Cross Turismo |
Motor | 2x Elektromotoren, 800 Volt-System |
Systemleistung | 490 PS (360 kW) (im Overboost bis zu 571 PS) |
Drehmoment | 650 Nm |
Antrieb | Allradantrieb, 1-Gang-/2-Gang-Getriebe |
Batterie | 83,7 kWh (netto) Lithium-Ionen |
Ladeleistung max. AC/DC | 22/270 kW |
Verbrauch kombiniert | 24,8-21,4 kWh/100 km² |
CO2-Emissionen kombiniert | 0 g/km² |
Elektrische Reichweite kombiniert | 415-488 km km |
Beschleunigung (0–100 km/h) | 4,1 s |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h |
Abmessungen (L/B/H) | 4,97 m/2,14 m/1,41 m |
Kofferraumvolumen | 446-1.212 Liter + 84 Liter Frunk |
Anhängelast | 0 kg |
Gewicht | ca. 2.350 kg |
Grundpreis | ab 119.914 Euro |
*Herstellerangaben