Der Volkswagen-Konzern ist noch nie für Entscheidungsfreude oder besondere Innovationskraft bekannt gewesen. Stattdessen allerdings für Gründlichkeit und sauberes Durchkonstruieren einer Idee. So gehörte man etwa beim Boom der SUV nicht zu den Ersten am Markt, nun aber zu den mit den besten Verkaufszahlen.
Das gleiche Spiel zeigte sich bei der Elektrifizierung der Modellpalette. Während andere Hersteller früh mit ihren Erstlingswerken am Start waren und sich von den innovationsstarken Startups wie Tesla getrieben sahen, bleib man bei VW entspannt. Mit dem e-Golf und den elektrischen Drillingen Up, Mii und Citigo bot man solide, aber eben keine herausragenden Produkte an. Denn das Besondere sollte dem MEB vorbehalten bleiben, dem „Modularen Elektrobaukasten“. Er ist der Dreh- und Angelpunkt sämtlicher aktuellen Elektrifizierungsanstrengungen und dabei so flexibel, dass man ihn sogar an andere Hersteller wie etwa Ford verkauft.
Während man in Wolfsburg auf cooles Marketing und besonders außergewöhnliches Design der auf dem MEB aufbauenden ID-Reihe setzt und auch Audi den Q4 e-tron eher auffällig gezeichnet hat, bietet Škoda so etwas wie die angenehm unaufdringliche Alternative an: den Enyaq. Das Elektroauto für die, die einfach ein gutes Elektroauto wollen. So wirkt es zumindest auf den ersten Blick. Kann sich dieser Eindruck im AutoScout24-Test bewahrheiten?
Optisch wirkt der Škoda Enyaq iV 80 (Stromverbrauch kombiniert: 16,3 kWh/100km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²) wie aus dem Vollen gefräst. Scharfe Kanten prägen seinen Stil, dazu dominieren große Flächen, die das überhaupt gigantische Volumen des Stromers gar nicht erst zu kaschieren versuchen.
Die geschlossene Front, seine steil stehende Windschutzscheibe und das sich verjüngende Heck mit seitlichen Aero-Finnen am Dachspoiler sorgen dennoch für eine beeindruckende Windschlüpfrigkeit des großen Tschechen. Nur 0,257 beträgt der cw-Wert, was nicht nur für weniger Verbrauch sorgt, sondern auch den Komfort im Innenraum steigert. Denn Windgeräusche treten gar nicht erst auf.
Doch es nicht nur die leise Akustik, die im Interieur begeistert, sondern die Škoda-typisch sehr gute Raumausnutzung. Im Enyaq hat man alle sich bietenden Register des entfallenen Kardantunnels genutzt und bietet nicht nur in der ersten Reihe, sondern auch im Fond noch üppigere Ablageflächen und generöse Bewegungsfreiheit.
Auch die durch den unterflur verbauten Akku erhöhte Sitzposition hat ihre Vorteile. Denn der Škoda Enyaq iV 80 punktet so durch eine SUV-artige Übersicht, ohne durch deren Protz zu missfallen – auch wenn er in den teuren Ausstattungslinien mit bis zu 21-Zoll großen Leichtmetallfelgen deutlich um die Aufmerksamkeit der Passanten buhlt.
Allerdings sollte man den Enyaq eher als Van, denn als SUV sehen. Und das ist positiv zu verstehen. Der große Elektro-Tscheche bietet vor allem Platz und Variabilität in Hülle und Fülle, nicht zuletzt dank seine von 585 Liter auf fast 1.800 vergrößerbaren Kofferraum und die bis zu 1.000 kg Anhängelast.
Die Vielseitigkeit ist nicht nur auf das Sichtbare beschränkt, sondern auch das Unsichtbare bietet sprichwörtlich spannendes. Der von uns gefahrene Škoda Enyaq iV 80 bildet so etwas wie die obere Mitte des Modellprogramms. Mit seinem 150 Kilowatt starken Heckmotor, in alter Währung immerhin 204 PS, schöpft seine Kraft aus einer 77 kWh fassenden Lithium-Ionen-Batterie, die als eine Art Skateboard flach zwischen den Achsen liegt. Daneben gibt es die 60er-Modelle mit kleinerem Akku, oder aber die X-Modelle mit einem weiteren Motor an der Front und nun ganz neu auch das RS-Modell in der Coupé-Karosserie.
Neben der Antriebstechnik ist auch die Informationstechnik der MEB-Fahrzeuge nahezu identisch. Im Škoda Enyaq fällt allerdings das Mittendisplay auffallend groß aus, was noch einmal für eine besonders gute Übersichtlichkeit sorgt. Allerdings mussten wir im Test einige Systemabstürze verzeichnen, bei denen die Software zwar immer selbsttätig wieder hochfuhr, dies allerdings erst nach einige Minuten des schwarzen Bildschirms. Die ständig weiterentwickelte Software soll hier allerdings Abhilfe schaffen – und es gehört zu einer neuen Computertechnologie einfach dazu, dass am Anfang noch nicht alles reibungslos läuft. Dafür sitzt der Funktionsumfang: Sprachsteuerung, Routenführung und sogar die Ladestopp-Planung hat der Škoda Enyaq gut im Griff. Das mit der Stabilität dürfte alsbald in den Griff zu bekommen sein, VW etwa hat just den 3.0er-Softwarestand ausgerollt, das Gros der Probleme beheben dürfte.
Vergessen ist das alles, wenn der Škoda Enyaq iV 80 einmal in Fahrt ist. Wer sich für das optionale DCC-Adaptivfahrwerk entschieden hat, der wird schon auf den ersten Metern mit einem Fahrkomfort verwöhnt, der den Verbrenner völlig vergessen macht. Mit schmatzender Souveränität hilft das zusätzliche Batteriegewicht für ein wirklich oberklassiges Abrollverhalten. Dazu kommt die sehr intelligente Rekuperationssteuerung, die den Enyaq gerade auf der Autobahn wunderbar in Schwung hält. Zusammen mit den auch durch die doppelte Isolierverglasung perfekt abgeschirmten Störgeräuschen überzeugt das auch den schärfsten Gegner der Elektromobilität.
Dazu kommt die überraschende Handlichkeit durch die feinfühlige Lenkung, die zudem durch einen großen Lenkeinschlag und kleinen Wendekreis erfreut. Überhaupt ist das Konzept aus Heckmotor und Heckantrieb gut durchdacht, denn nicht nur dank der guten Traktion macht der große Enyaq tatsächlich Fahrfreude. Obwohl das bei einem auf Effizienz getrimmten Stromer sicher nicht an erster Lastenheft-Stelle gestanden haben dürfte.
Im Prospekt notiert der Škoda Enyaq iV 80 mit einem WLTP-Reichweitenwert von 529 Kilometern. Der bei teilweise frostigen Temperaturen durchgeführte Test sorgte für deutlich reduzierte Werte. Wir kamen im Schnitt etwa 350 Kilometer bei normaler Fahrweise, die keine Rücksicht auf die elektrische Antriebsform nahm. Damit liegt der Enyaq im Konkurrenzumfeld durchaus gut. Ein Autobahnverbrauch von etwa 25 kWh/100km kann sich ebenso sehenlassen wie der Testschnitt von 21 kWh/100km.
Im Sommer dürfte es leicht fallen diesen Wert auf Werte um 18 kWh/100km zu drücken und damit dann deutlich über 400 Kilometer zwischen den Ladesstopps abspulen zu können. Dort lädt der Škoda Enyaq iV 80 übrigens weiterhin „nur“ mit 125 kW, die höheren Ladeleistungen des MEB-Baukastens bleiben vorerst den VW-Modellen vorbehalten. Für den Alltag wichtiger ist indes die Ladefähigkeit von 11 kW an der Wechselstrom-Wallbox. Hier gibt sich der Tscheche keine Blöße und erfüllt den Soll wunderbar, ohne größere Verlustleistungen. In gut sieben Stunden ist auch der komplett leere Akku wieder voll.
Wer ein geräumiges, praktisches und vor allem sehr komfortables Auto sucht, der darf den Škoda Enyaq iV 80 in die engere Auswahl ziehen. Daneben ist er aber vor allem auch eins: Ein sehr gutes Elektroauto. Denn er überzeugt mit Effizienz, guter Reichweite und solider Ladefähigkeit. Man muss allerdings auf den Coolness-Faktor verzichten. Denn entgegen manch anderem Konkurrenten macht der Tscheche aus seinen Talenten kein großes Aufheben um seine Talente. Stattdessen setzt er das Selbstbewusstsein. Und das macht ihn zum perfekten Alltags-Stromer. (Text & Bilder: Fabian Mechtel)