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Grenzbereich: Arctic Trucks – Ohne Weg zum Ziel

Hierzulande dürfen SUV und Offroader nur selten die gut asphaltierten Straßen verlassen und erobern sie einmal einen rutschigen Feldweg, behaupten die meisten Fahrer schon, sie wären im Gelände gewesen.

Anders sieht die Welt im kleinen Inselstaat Island aus, wo geteerte Straßen eine Seltenheit sind und selbst viele Geländewagen an ihre Grenzen stoßen.
Zwischen alter neuer Welt liegt Island, auf dem mittelatlantischen Rücken und damit sowohl auf der nordamerikanischen als auch auf der eurasischen Platte. Das führt nicht nur zu zahlreichen Erdbeben und vulkanischer Aktivität, sondern auch zur kulturellen Vermischung. So gehört der Inselstaat politisch zwar zu Europa, doch die Nähe zu den USA ist spürbar. Die Isländer lieben Burger und Hot Dogs, wohnen in windigen, flachen Häusern und legen Straßen durch dünn besiedelte Wohngebiete, die breiter sind als manch deutsche Bundesstraße.

Kein Wunder, dass die Isländer auf diesen breiten Wegen auch gerne mit großen Autos unterwegs sind. SUV und Geländewagen bestimmen das Straßenbild. Zwar sind die Offroader in der Hauptstadt Reykjavík oft auch nur Imageträger wie bei uns, doch schon wenige Kilometer nach der Stadtgrenze sind die harten Geländewagen oftmals notwendig. Denn viele Orte, vor allem im Hochland, sind schlicht weg mit einem normalen Fahrzeug nicht zu erreichen.

Wenig Asphalt, viel Schotter

13.004 Straßenkilometer gibt es auf Island, 4.331 Kilometer davon sind asphaltiert; der Rest sind Schotterpisten. Abseits der einmal um die Insel führenden Þjóðvegur 1, der Ringstraße (target=undefined), empfiehlt sich also ein geländegängiger Untersatz, zumal Wasserdurchfahrten und im lang andauernden Winter nicht geräumte Wege zum Alltag gehören.  Und teilweise sind die Straßen so unwegsam, dass auch gestandene Geländewagen an ihre Grenzen stoßen. Da hilft nur der vorherige Besuch bei Arctic Trucks in Reykjavík.  Seit über zwanzig Jahren machen die Jungs dort aus ohnehin schon großen Allradlern Fahrzeuge, die so gut wie nichts und niemand mehr aufhalten kann.

Von Island bis Dubai

Als Antwort auf die in Island zunehmenden Fahrzeug-Umbauten in der eigenen Garage gegen Ende der Achtziger Jahre – Auslöser war vor allem die Verfügbarkeit größerer Reifen aus den USA – wurde die Firma 1990 als  Tochter des hiesigen Toyota-Importeurs unter dem Namen  „Toyota Accessories“ gegründet. Toyota wollte den Kunden die Eigenregie-Umbauten abnehmen und damit zum einen die Sicherheit und Qualität erhöhen, freilich aber auch Geld daran verdienen.

1997 wurde die Abteilung vom ehemaligen Chef des Toyota-Importeurs als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert und von ihm unter dem Namen Arctic Trucks weitergeführt. Schon zwei Jahre drauf wurde eine Niederlassung in Norwegen gegründet, mittlerweile gibt es weitere Standorte in Finnland, Russland, Südafrika, Brasilien und sogar Dubai, wo sich seit 2008 die Scheichs an den monströsen Offroadern erfreuen.

Spezialisiert auf Toyota

Mittlerweile operiert Arctic Trucks unabhängig von Toyota, doch arbeiten die Isländer weiterhin eng mit dem japanischen Hersteller zusammen. Zwar werden auch Fords, Hyundais, Isuzus, Mitsubishis und Nissans umgebaut, doch das Hauptaugenmerk liegt weiterhin auf Toyota. Land Cruiser und Hiluxkönnen auch fertig umgebaut bei Arctic Trucks bestellt werden, die die Autos dann direkt vom Toyota Werk in Südafrika beziehen

In der modernen Werkstatt am Stadtrand von Reykjavík werden die  Autos quasi komplett auseinander genommen, die in Frage kommenden Teile umgebaut oder ersetzt und anschließend wieder zusammen gefügt. Das dauert, je nachdem was modifiziert wird, bis zu 300 Arbeitsstunden – dann ist der Toyota Land Cruiser oder Hilux allerdings auch fit für eine Antarktis-Expedition.  

Dass sich Arctic Trucks vor allem auf den Umbau des Toyota Land Cruiser speziaisiert hat, überrascht nicht. Der japanische Offroader eignet sich nicht nur Dank verhältnismäßig einfacher Technik gut für die Modifikation, sondern ist zudem auch das meist verkaufte Fahrzeug in Island.  Dementsprechend vielfältig ist auch das Angebot von Arctic Trucks. Am eindrucksvollsten ist jedoch der Umbau zum AT38 oder AT44, das heißt mit 38 oder 44 Zoll großen Reifen auf allerdings nur 15 Zoll messenden Felgen.

Räder im Mittelpunkt

Die Räder stehen im Mittelpunkt des Umbaus und die riesigen Reifen werden, wie auch die zweiteiligen, verschraubten Felgen, von Arctic Trucks selbst entwickelt. Schließlich sind die Räder einer der wichtigsten Faktoren, wenn es darum geht, im schweren Gelände weiter voran zu kommen.  Die größere Auflagefläche sorgt für geringeren Druck, damit die Fahrzeuge auf weichem Untergrund wie Schnee oder Matsch nicht so leicht einsinken.  Außerdem sorgen die üppigen Dimensionen für mehr Bodenfreiheit, was beim Überwinden von Felsen oder Wasser nötig ist. Und die im Gelände mit nur geringem Luftdruck befüllten Reifen schlucken einen Großteil der Unebenheiten, was wiederum die Federung des Fahrzeugs entlastet und für mehr Stabilität sorgt.

An den Dimensionen der Räder orientiert sich der restliche Umbau. 44 Zoll große Reifen, das entspricht einem Durchmesser von rund 112 Zentimetern, brauchen viel Platz im Radkasten. Und den verschaffen sich die Mechaniker ganz martialisch mit der Flex. Achsen, Federn und Dämpfer werden dann entsprechend umgebaut und die Bremsen angepasst. Auch der Tank muss beim AT44-Umbau weichen und wird etwas kleiner, dafür spendiert Arctic Trucks dem Land Cruiser einen zusätzlichen 90 Liter Tank. In Summe stehen dann rund 160 Liter Sprit zur Verfügung. Die braucht der Toyota vor allem im Gelände, denn auf der Straße ist er mit gut 14 Litern Diesel auf 100 Kilometer zwar nicht sparsam, aber noch im normalen Rahmen unterwegs.

Belastbare Serien-Motoren

Abgesehen vom Kälteschutz ändert Arctic Trucks am Motor kaum etwas. Lediglich ein Chip-Tuning wird für den 165 PS starken Drei-Liter-Toyota-Diesel angeboten, wodurch die Leistung auf rund 200 Pferdestärken anwächst. Wichtiger sind im Gelände ohnehin die 410 Newtonmeter Drehmoment, die in der Regel von einem automatischen Fünf-Gang-Getriebe mit Untersetzung und Kriechgang verwaltet werden. Außerdem verbauen die Isländer hunderprozentige Differentialsperren an Vorder- und Hinterachse, die ein extra Kompressor per Tastendruck aktiviert.

Noch bevor der umgerüstete Land Cruiser zeigen darf, was er kann, muss sich der Fahrer beweisen. Denn der Einstieg in den AT44 ist gar nicht so einfach. Je nach Reifendruck hat der Offroader bis zu 48 Zentimeter Bodenfreiheit, die Überwunden werden müssen. Und da wir unsere Ausfahrt auf geteerten Straßen beginnen, sind die Pneus ordentlich aufgepumpt, damit der Land Cruiser nicht noch mehr schaukelt, als er ohnehin schon tut.

Onroad gut, Offroad perfekt

So fährt sich der AT44 onroad zwar ausreichend gut, aber trotzdem ungewohnt. Und das Lenken ist mit 44 Zoll großen Rädern auch kein Vergnügen. Die meisten Isländer, die ihren Arctric Truck nur kaufen, um damit in den hellen Sommernächten die Laugavegur, Reykjavíks Hauptstraße, entlang zu cruisen greifen deshalb zu den etwas kleineren 38-, 35- oder 33-Inch-Reifen. Und die schinden immer noch Eindruck.

Nach kurzer Fahrt verlassen wird den Asphalt und biegen ab in ein steinige Geröllwüste. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Luft aus den Rädern zu lassen – das sorgt, wie erwähnt, für besseres Fahrverhalten im Gelände, da die Auflagefläche größer wird und macht den Land Cruiser komfortabler, weil die Reifen mehr abfedern. Wer es zum ersten mal macht, sollte einen Druckmesser verwenden. Unser Guide Aron Reynisson von Arctic Trucks drückt aber nur einmal mit dem Knie gegen den Pneu und weiß, wann der Reifendruck bei etwa nur noch einem halben Bar ist und er das große Ventil wieder zu drehen muss.

Ohne Weg zum Ziel

Deutlich bequemer geht es nun ab ins Gelände. „Einfach da hoch fahren,“ lautet Arons Anweisung. „Aber da ist doch kein Weg,“ gebe ich zu bedenken, was dem erfahrenen Isländer ein schelmenhaftes Grinsen aufs Gesicht zaubert. „Weg? Wozu?“. Recht hat er, denn: Der AT44 braucht keinen vorgegebenen Weg, er sucht ihn sich einfach selbst. Und selbst mit reduziertem Luftdruck stehen mindestens 30 Zentimeter Bodenfreiheit parat, die den Land Cruiser über die meisten Steine und Felsen einfach hinweg rollen lassen.

Mit spielender Leichtigkeit klettert der Toyota im Kriechgang mit Standgas über Felsen. Ohne Probleme fährt der Land Cruiser bergauf im tiefen Matsch an und  erklimmt steile Hänge. Und dabei wirkt der Offroader auch noch vollkommen unangestrengt, ja fast unterfordert. Selbst Wasser kann den Arctic Truck nicht aufhalten. Wie ich selbst ausprobieren durfte, als wir am Ufer eines Sees standen und Aron meinte, ich solle einfach mit Vollgas durchfahren. Eine genaue Wattiefe gibt Arctic Truck übrigens nicht an. Doch Aron erzählt stolz, dass durchaus auch mal für kurze Zeit die ganze Motorhaube unter Wasser sein darf. Das entspricht in etwa einer Tiefe von eineinhalb Metern.

Lufttankstelle an Bord

Zurück auf der Straße wabert und schwankt der AT44 ob des niedrigen Luftdrucks gehörig. Da es im isländischen Hochland aber nur selten Tankstellen gibt, wo man auch Luft bekäme, hat der Land Cruiser einen zweiten zusätzlichen Kompressor an Bord und versorgt sich selbst. Vorne, hinter dem Kuhfänger wird der Schlauch angeschlossen und nacheinander wieder alle vier Räder aufgepumpt. Freilich wieder nach Gefühl.

Lust auf Abenteuer?

Wer das Offroad

Wer schließlich doch das Scheckheft zückt, sollte sich zuvor in seinem Heimatland über die genauen Zulassungsbestimmungen informieren, ob er zuhause mit seinem neuen Auto überhaupt fahren darf. In Deutschland erfordern die großen Räder in jedem Fall eine Abnahme durch den TÜV.

Auf der Fahrt zurück zur Werkstatt plaudert Aron noch ein wenig aus dem Nähkästchen. Vor der Wirtschaftskrise, die Island stark getroffen hat, hat Arctic Trucks jährlich rund 180 Fahrzeuge umgebaut. Jetzt sind es noch 90. Doch die Tendenz zeigt wieder nach oben und vor allem die Privatkunden, die rund 60 Prozent der Aufträge erteilen, kommen wieder zurück in den Showroom.

Ein Schnäppchen ist so ein Umbau allerdings nicht. Ungefähr 90.000 Euro kostet der Toyota Land Cruiser AT44 und damit rund 30.000 Euro mehr, als ein „normaler“. Sonderausstattung, wie ein Überrollkäfig oder eine Winde, kosten extra. Und so landet ein für eine Antarkis-Expedition hergerichtetes Fahrzeug bei etwa 120.000 Euro.

Nicht aufzuhalten

Doch nicht nur im ewigen Eis sind die Fähigkeiten der Arctic Trucks gefragt. So verkauft etwa die Filiale in Dubai zwar die meisten Fahrzeuge aus Image- und weniger aus Bedarfs-Gründen, doch sind zum Beispiel auch umgebaute Toyotas für militärische Zwecke in Afghanistan im Einsatz. Und die Isländer führen momentan mit dem norwegischen und schwedischen Militär Gespräche, die in den nächsten fünf Jahren bis zu 5.000 Fahrzeuge in Auftrag geben wollen. Einen Arctic Truck hält eben nichts auf – selbst eine Wirtschaftskrise nicht.

Fotos: Florian Trykowski (target=undefined)

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