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Test Toyota Prius Plug-in Hybrid: Eine komplizierte Beziehung

Beim neuen Prius hat Toyota sichtlich einen rausgehauen. Aus dem hässlichen Entlein, das gerne als Ökomobil verschmäht wurde, ist ein ansehnlicher Flitzer geworden. Auch an Leistung haben die Japaner nicht gespart. Es gibt jedoch einen Sache an diesem Auto, die uns zum Verzweifeln bringt.

Der neue Toyota Prius auf einen Blick*

  • Erstmalig nur noch als Plug-in Hybrid erhältlich
  • E-Motor hat mehr Power als der 2,0-Liter-Benziner
  • Flotter Sprint in 6,8 Sekunden auf Tempo 100
  • Schwache Ladeleistung mit nur 3,3 KW
  • Der Preis ist mit 45.990 Euro selbstbewusst

*(Energieverbrauch gewichtet kombiniert (WLTP): 0,7-0,5 l/100 km + 13,3-12,8 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 17-12 g/km; CO2-Klasse: B - Kraftstoffverbrauch kombiniert bei entladener Batterie: 4,6-4,1 l/100 km)

Toyota Prius Plug-in Hybrid - Front-Seite

Vom hässlichen Entlein zum Designhighlight

Wir wollen es offen aussprechen: Die ersten beiden Generationen des Prius waren schlichtweg hässlich. Wer das Gegenteil behauptet, sollte einen Optiker aufsuchen. Erst allmählich begann Toyota, seinem Ökomobil ansprechendere Formen zu verleihen. Mit der nun fünften Generation scheint der Knoten endgültig geplatzt zu sein. Wir erkennen einen Hauch Mirai II, doch insgesamt präsentiert sich der neue Prius eigenständig und auf eine positive Weise futuristisch. Kurz gesagt: Für dieses Auto muss sich niemand mehr schämen.

Für eine höhere Akzeptanz sorgt nicht nur die gefälligere Optik, sondern auch ein weiterentwickelter Antriebsstrang. Kreislaufwirtschaftende Vollhybride sind jetzt nur noch außerhalb Europas erhältlich, während die Systemleistung des Plug-in Hybrid auf – für einen Prius – durchaus beachtliche 164 kW (223 PS) verdoppelt wurde. Und in der Tat: Die Papierwerte versprechen nicht zu viel. Leichtfüßig und vorwiegend rein elektrisch setzt sich die 4,60 Meter lange Kombilimousine in Bewegung, um quasi als Wolf im Schafspelz die Straßen unsicher zu machen.

Toyota Prius Plug-in Hybrid - Heck-Seite

Beschleunigungswerte auf dem Niveau eines GT86

Beim kräftigen Tritt aufs Gaspedal sind wir schon einigermaßen erstaunt, wie unmittelbar und harmonisch der freisaugende 2,0-Liter-Vierzylinder und die E-Maschine zusammenarbeiten, um dem Prius eine sportliche Note zu verleihen. Mit 6,8 Sekunden von null auf 100 km/h (Vmax 177 km/h) liegt der Plug-in Hybrid sogar auf Augenhöhe mit einem GT86 (mit Automatikgetriebe), der sich gemeinhin als Sportwagen bezeichnen darf. Auch vor Kurven kapituliert der Japaner nicht. Neben einem ordentlichen Vortrieb bietet der Prius zudem eine steife Karosserie, ein ausgewogen abgestimmtes Stahlfahrwerk und eine ausreichend direkte Lenkung. Natürlich schmälert der Frontantrieb ab einem gewissen Punkt die Fahrfreude, aber wir schreiben hier immer noch über einen Toyota Prius.

Die deutlich vergrößerte Lithium-Ionen-Batterie mit 13,6 kWh, die unter der Rückbank platziert ist, soll derweil eine elektrische WLTP-Reichweite von bis zu 86 Kilometern ermöglichen. In der Praxis haben wir jedoch eher 65 Kilometer erreicht. Doch auch wenn der Akku leer ist, hat der Benziner oftmals Sendepause. Zum Anfahren, Rollenlassen und Mitschwimmen liefert das Hybridsystem stets genügend Energie. Optional gibt es sogar ein Solardach, das täglich bis zu 185 Watt beziehungsweise neun Kilometer elektrische Reichweite generieren kann. Dagegen schwach: An der Wallbox lässt sich das Hybridsystem maximal mit 3,3 kW AC aufladen.

Toyota Prius Plug-in Hybrid - Assistenten

Die Assistenzsysteme des Prius treiben einen zur Verzweiflung

Erst bei stärkerer Beanspruchung des Antriebsstrangs meldet sich der Saugmotor, der über ein stufenloses CVT-Getriebe gekoppelt ist, lautstark zu Wort – der gefürchtete „Gummibandeffekt“ bleibt jedoch weitestgehend aus. Wer ohne elektrische Unterstützung auf der Langstrecke unterwegs ist, kann mit einem Verbrauch von etwa fünf bis sechs Litern auf 100 Kilometer rechnen. Ansonsten gilt, wie bei allen Plug-in Hybriden: Der kombinierte Verbrauch variiert stark und hängt von der persönlichen Fahrweise und dem Fahrprofil ab.

Ab jetzt wird unsere Beziehung zum neuen Toyota Prius allerdings in der Tat kompliziert. Zwar lässt er sich souverän fahren, aber bis man als mündiger Autofahrer endlich beruhigt losfahren kann, vergeht unter Umständen einiges an Zeit. Denn der Prius ist schlichtweg überladen mit Assistenzsystemen, die durch ihre übergriffige Art genau das verhindern, was sie eigentlich erreichen sollen: Mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu bieten.

Toyota Prius Plug-in Hybrid - Assistenten

Hauptsache die Stabilitätskontrolle lässt sich ohne Umwege abschalten

Es piepst und ermahnt ununterbrochen, sodass wir uns bereits bei der ersten Fahrt nach wenigen Minuten entnervt auf den Seitenstreifen gestellt haben, um herauszufinden, wie man all den neumodischen Kram deaktivieren kann. Glücklicherweise ist das noch möglich, aber der Weg dorthin ist erstmal umständlich – und man muss ihn nach jedem Fahrzeugneustart wieder gehen.

Über die Lenkradtasten deaktivieren wir den Spurhalteassistenten, das nervige EU-Tempolimit-Gebimmel und, ganz wichtig, den Aufmerksamkeitsassistenten. Dieser meckert nämlich schon bei geringsten Abweichungen des Blickfelds vom Straßengeschehen. Völlig konträr dazu, aber typisch für Toyota: Die Traktionskontrolle lässt sich ganz einfach per längerem Druck auf eine Taste in der Mittelkonsole deaktivieren. Das soll einer verstehen.

Toyota Prius Plug-in Hybrid - Rücksitze

Am Ende hilft nicht einmal Panzertape

Wir fanden die Systeme im Prius gar so lästig, dass wir der ganzen Technik mit einfachem Panzertape ein Schnippchen schlagen wollten. Unsere Überlegung war: Wenn mich die Sensorik oberhalb des Lenkrad nicht erkennt, kann sie den mahnenden Zeigefinger ja maximal einmal heben. Aber weit gefehlt – die japanischen Ingenieure haben offenbar mit dem deutschen Einfallsreichtum gerechnet. Der Aufmerksamkeitsassistent ist nämlich unter anderem an den Lenkwinkel gekoppelt. Nach dem Zurücklenken auf die Nullstellung gibt es also weiterhin jedes Mal eine entsprechende Warnmeldung im Display.

Ähnliches haben wir übrigens mit der Vorfeldkamera in der Windschutzscheibe versucht, die, so glaubten wir, für die Verkehrszeichenerkennung zuständig ist. Das mag auch so sein, aber Toyota sichert sich bei der Geschwindigkeit zusätzlich über das Navigationssystem ab. Tempolimits, wenn auch die falschen, werden also weiterhin vorgegeben und das Auto piepst im Zweifel fröhlich vor sich hin. Es fehlen uns eindeutig simple Shortcut-Tasten oder intuitive Bedienwege über das 12,3 Zoll große Infotainment-Display, um diesem Spuk unkompliziert ein Ende zu setzen. Hersteller wie Renault (mit dem Scenic E-Tech), aber mittlerweile auch wieder Volkswagen (mit dem ID.7), zeigen, wie es besser geht.

Toyota Prius Plug-in Hybrid - Kofferraum

Fazit

Der neue Toyota Prius Plug-in Hybrid sieht spacig aus, fährt sich gut und hat sogar richtig Power. Auch der Innenraum weiß zu überzeugen – im Advanced-Trimm sind die bequemen Sitze sogar mit gut gemachtem Synthetik-Leder bezogen. Da gibt es im Kern nur wenig zu bemängeln, abgesehen vom relativ kleinen Kofferraum, der nur 284 Liter fasst, einer verhaltenen Ladeleistung und der recht ambitionierten Bepreisung, die bei 45.990 Euro startet. Das sind jedoch Petitessen im Vergleich zu den zahlreichen bevormundenden Assistenzsystemen, die sich nur sehr umständlich über das digitale Kombiinstrument deaktivieren lassen. Benutzerfreundlichkeit sieht definitiv anders aus.

Thomas Vogelhuber

Text und Bild von: Thomas Vogelhuber Instagram

Thomas ist seit März 2019 leitender Redakteur des AutoScout24 Magazins. Als Petrolhead und faszinierter Youngtimer-Liebhaber ist er vorzugsweise auf alpinen Routen unterwegs, lässt aber mittlerweile auch die Ladekarte der Redaktion mächtig glühen.


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