Wer hätte das gedacht? Toyota, der Patron der teilweisen Elektrifizierung, Erbauer des Prius und Befürworter der Brennstoffzelle dreht im totgeglaubten Segment der Kleinwagen noch einmal mächtig auf. Der neue Toyota GR Yaris (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 8,4 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 184 g/km²) ist die richtige Medizin gegen eine Winterdepression oder eine Midlife-Crisis. Verkaufe deinen Sportwagen, deinen Allrad-Kombi oder dein Stadtauto. Zukünftig brauchst du nur noch den GR Yaris!
Bereits bevor auch nur ein Journalist oder Kunde dieses Auto je gefahren hat, war der Hype um den japanischen Giftzwerg groß. Permanenter Allradantrieb, 192 kW/261 PS, 360 Newtonmeter Drehmoment und ein 6-Gang-Schaltgetriebe bei einem Leergewicht von 1.280 Kilogramm haben nicht nur die Fangemeinde kleiner Kompaktsportler aufhorchen lassen. Gestandene Porsche- oder Ferrarifahrer präsentieren mit stolz geschwellter Brust ihren eben erworbenen Gazoo Racing Yaris in den Social-Media-Kanälen, treiben ihn quer über zugeschneite Alpenpässe oder jagen im Eiltempo über die Rennstrecke.
Ja, liebe Leser, der Hype ist real! Unterm Strich ist der Toyota GR Yaris mit seinem nicht immer echt klingenden 1,6-Liter Dreizylinder-Turbo in vielen Belangen so gut wie erwartet. Es beginnt mit seiner optischen Erscheinung. Breit und gemein steht er vor mir. Ganz in Schwarz, mit gewichtsoptimierter Dachkonstruktion und auf 18 Zoll Rädern. Farblichen Kontrast erzeugen nur die vier roten Bremssättel des auf jeden Fall empfehlenswerten High-Performance-Paket für 4.490 Euro.
Doch viel wichtiger ist der im Ausstattungspaket aufgewertete GR Four Allrad. Er beinhaltet je ein Torsen-Sperrdifferenzial an der Vorder- und Hinterachse und ermöglicht die Drehmomentverteilung nicht nur zwischen den Achsen, sondern auch zwischen den einzelnen Rädern je Achse.
Das Ergebnis ist pure Begeisterung – unter allen Straßenbedingungen! Schneit oder regnet es wie aus Kübeln, kannst du den GR Yaris in allerbester Rallyemanier quertreiben, wobei sich der Allrad per Wählrädchen in der Mittelkonsole nochmals verfeinern lässt. In der „Comfort“-Stellung verteilt der GR Yaris seine Leistung sicherheitsbewusst im Verhältnis 60:40 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse. Im „Sport“-Modus radikalisiert sich der Vierradantrieb auf 30:70 Prozent, um in der „Track“-Einstellung die Leistung im gleichmäßigen 50:50 Verhältnis zu verteilen.
Auf trockener Fahrbahn überzeugt dagegen das extreme Grip-Niveau der aufgezogenen Pneus (im Sommer Michelin Pilot Sport 4) aufs Äußerste. Wie das straffe, aber zugleich nicht unkomfortable Stahlfahrwerk des GR Yaris Kurven nimmt ist mehr als bemerkenswert. Gleichzeitig musst du dich bemerkenswert blöd anstellen, damit der Allradsportler nicht das macht, was du willst. Soll heißen: Der Japaner ist nicht nur verdammt schnell, sondern auch sehr sicher. Das unterstreichen weiterhin die zahlreichen Assistenzsysteme, die sich aber allesamt deaktivieren lassen. Dann blinkt das etwas schmucklose analoge Kombiinstrument zwar wie ein Weihnachtsbaum, du kannst dir aber sicher sein, dass du in diesem Moment wirklich analog unterwegs bist.
Analog ist überhaupt ein gutes Stichwort. Es gibt einen echten Handbremshebel, mit dem du den GR Yaris im richtigen Moment den Impuls über die Hochachse geben kannst. Es gibt einen präzise arbeitenden 6-Gang-Handschalter und ein griffiges Sportlenkrad mit, für meinen Geschmack, aber zu vielen Knöpfen. Fließend ist damit der Übergang zur kurzen Innenraumbeschreibung: Das mehrfarbige Infodisplay im Kombiinstrument ist etwas kleinteilig geraten, die Soundanlage scheppert bei voller Lautstärke, das Plastik im Innenraum ist nicht über jeden Zweifel erhaben – Kleinigkeiten, die die Fahrfreude am GR Yaris nicht schmälern sollen.
Die Beschleunigung von null auf 100 km/h zieht dir nämlich alle Falten aus dem Gesicht und wenngleich 5,5 Sekunden jetzt kein 911 Turbo-Niveau sind – subjektiv fühlt es sich noch viel heftiger an. Wirklich nervig sind dagegen drei Dinge: Der Toyota GR Yaris rennt ab Werk nur 230 km/h (könnte aber weitaus schneller), die gewaltige Innenspiegelkonstruktion behindert die Sicht nach vorne und insgesamt ist die Rundumsicht für einen wendigen Stadtflitzer mehr als bescheiden. Da hilft leider auch die schmutzempfindliche Rückfahrkamera nur bedingt weiter.
Die beengten Platzverhältnisse bemängele ich dagegen nicht, in den Kofferraum gehen ja immerhin zwei bis drei Wasserkästen. Der Rest des Wocheneinkaufs muss auf der schlecht zu erreichenden Rücksitzbank Platz finden. Was zugleich bedeutet, dass du weder Hobbies noch Kinder haben solltest. Aber du hast ja den Toyota GR Yaris als Freizeitbeschäftigung. Er entführt dich in die Welt des Rallyesports und zeigt dir seine Herkunft auch anhand einer kleinen WRC-Plakette zwischen den vorderen Sitzen.
In gleicher Griffrichtung kannst du das automatisierte Zwischengas aktivieren oder die oben besagten Fahrhilfen deaktivieren. Ansonsten bietet der Japaner erstaunlich viele komfortable Annehmlichkeiten. Sitzheizung, Lenkradheizung, Apple CarPlay- und Android Auto-Anbindung sowie LED-Scheinwerfer gehören zum Serientrimm.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Verbrauch: Wer den Dreizylinder richtig fordert, erntet auf der Autobahn satte Verbräuche auf V8-Niveau von mehr als 13 Liter auf 100 Kilometer. Im normalen Drittelmix sollten acht bis neun Liter Superbenzin dennoch genügen.
Kaufen, kaufen, kaufen! Der Toyota GR Yaris ist bereits im Januar 2021 der Anwärter auf das beste Sportauto des Jahres (obwohl er noch 2020 debütierte). Ziemlich handlich, sehr stark und dank Allradantrieb auf jedem Untergrund eine Macht. Nach weltweit 25.000 Einheiten könnte bereits Schluss sein und ob Toyota noch einmal so ein Projekt wagt, ist unwahrscheinlich. Gebaut wird der GR Yaris übrigens in Japan zum großen Teil von Hand, was den doch recht hohen Einstandspreis von 33.200 Euro erklären mag. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)