Entwickelt haben die beiden Autobauer die Hybridtechnik gemeinsam, doch das Ergebnis ist im ActivHybrid 7 ein ganz anderes, als im S 400 Hybrid.
Äußerlich unterscheiden sich die beiden Hybrid-Limousinen nicht von ihren „normalen“ Brüdern. Welche Technik in ihnen steckt, offenbaren sie nur am Schriftzug: S 400 Hybrid prangt am Heckdeckel des Benz, ActiveHybrid 7 beim BMW. Die Münchner gehen sogar noch einen Schritt weiter, kleben die Modellbezeichnung auch noch an die breiten C-Säulen und schreiben sie auf die Einstiegsleisten.
Die überbordende Dekorierung des Wagens ändert allerdings nichts daran, dass im BMW die gleiche Technik steckt, wie in der S-Klasse. Denn den Hybrid-Bausatz, also Elektromotor, Steuerungselektronik und vor allem den in etwa toastergroßen Lithium-Ionen-Akku haben die beiden Autobauer gemeinsam entwickelt. In Ulm traf man sich, auf neutralem Boden und quasi in der Mitte zwischen Stuttgart und München, definierte Standards, beauftragte Zulieferer und tauschte Testergebnisse aus.
Grundverschieden
Das Produkt hingegen, was die beiden Hersteller aus dem gleichen Bausatz fertigen, könnte unterschiedlicher kaum sein. Denn mit dem S 400 Hybrid und dem ActiveHybrid 7 treffen zwei grundverschiedene Ansätze aufeinander: Mercedes stellt das Sparen über die Fahrleistung und hybridisiert einen Sechs-Zylinder, BMW dagegen legt großen Wert auf die Fahrdynamik und stellt den Elektromotor einem potenten V8-Turbo-Triebwerk zur Seite.
Der technische Aufbau wiederum ist hier wie da ähnlich, bei beiden sitzt der kreisrunde Elektromotor im Getriebegehäuse, wo er kurbelwellenfest zwischen Benziner und Wandlerautomatik montiert ist. Mercedes setzt auf die selbst Entwickelte, siebenstufige 7G-Tronic, bei BMW kommt die neue, bei ZF zugekaufte Acht-Gang-Automatik zum Einsatz, die auch im Flaggschiff 760i und dem neuen 5er GT ihren Dienst verrichtet.
Mal hier, mal dort
Unterschiede gibt es dagegen beim Einbau des Akkus. Der 27 Kilogramm schwere Stromspeicher sitzt bei der S-Klasse im Motorraum und nimmt weder den Passagieren noch dem Gepäck Platz weg. BMW verstaut die Batterie im Kofferraum, der dadurch 40 Liter Volumen einbüßt und aufgrund des Kastens auf der linken Seite etwas unpraktischer zu beladen ist.
Doch ist man in München überzeugt, dass dieser Ort ob der eher konstanten und vor allem moderaten Temperaturen im Kofferraum besser für die Lebensdauer des Akkus ist. Mercedes muss einen höheren Aufwand betreiben, um die Batterie im teilweise über 100 Grad heißen Motorraum auf optimalem Temperaturniveau (am besten zwischen 18 und 25 Grad) zu halten. Denn sowohl Hitze wie auch Kälte können den Speicher schädigen. Beide Hersteller gehen aber selbstbewusst davon aus, dass der Akku ein Autoleben lang hält.
Zwei Stromnetze
Neben dem Hochvolt-Netz des Hybrid-Systems, in das übrigens auch der neue, elektrische Klimakompressor eingebunden ist – der nun auch arbeiten kann – wenn der Motor nicht läuft, gibt es nach wie vor das herkömmliche Bordnetz, das von einem 12-Volt-Akku versorgt wird. Beide Stromkreise sind hier wie da über einen DC/DC-Wandler miteinander verbunden. So kann die klassische Autobatterie geladen werden, ohne dass dafür extra Strom mittels Generator erzeugt werden muss.
Generiert wird der Strom - wie bei allen Hybrid-Fahrzeugen - vor allem beim Bremsen und im Schiebebetrieb, wenn der Wagen mit konstanter Geschwindigkeit dahingleitet. Dann nämlich arbeitet der E-Motor als Generator und speist den Lithium-Ionen-Akku. Seiner Arbeit als Antrieb geht er dagegen beim Starten – er ersetzt den Anlasser und bringt den Benziner auf Leerlaufdrehzahl –, beim Anfahren und beim Beschleunigen nach, indem er seine Leistung und vor allem sein drehzahlunabhängiges Drehmoment beisteuert.
Schwach gegen Stark
Apropos Leistung: BMW koppelt den Elektromotor, wie bereits erwähnt, an den aus dem 750i bekannten V8-Benziner, dem die Ingenieure allerdings noch einmal 43 PS mehr entlockt haben, und der nun allein schon 449 PS in die Waagschale wirft. Zusammen mit dem 15 KW (20 PS) und 210 Newtonmeter starken E-Motor ergibt sich eine kombinierte Systemleistung von 465 PS (342 KW) und ein bärenstarkes Drehmoment von 700 Newtonmetern.
Dagegen wirkt der S 400 Hybrid fast schwach auf der Brust: Der indirekt einspritzende, drei Liter großer Sechs-Zylinder aus dem S 350 liefert 272 PS und 350 Newtonmeter, arbeitet aber nach dem Atkinson-Zyklus (target=undefined), der zwar verbrauchsoptimiert agiert, untenrum aber an Kraft verliert. Zusammen mit dem Elektromotor summiert sich die Leistung auf rund 300 PS und eine Kraft von 385 Newtonmeter – das sind gerade mal 35 Newtonmeter mehr als ohne elektrische Unterstützung und in etwa nur die Hälfte des BMW. Dass sich das auf die Fahrleistungen der beiden Zwei-Tonner auswirkt, versteht sich von selbst.
Gefühlte zwölf Zylinder
Schenkt man den technischen Daten Glauben, sprintet die S-Klasse in 7,2 Sekunden auf Tempo 100 und ist damit gerade mal 0,1 Sekunden schneller als der S 350. Der hybridisierte Achtender im ActiveHybrid 7 schafft den Sprint in nur 4,9 Sekunden und unterbietet damit den konventionellen 750i um fast eine halbe Sekunde. Mehr noch: Er reicht sogar bis auf 0,3 Sekunden an das Flaggschiff der Siebener-Baureihe heran, den 760i mit voluminösem Sechs-Liter-Zwölf-Zylinder. Der ist dem V8 zwar in Sachen Prestige, doch braucht sich der Hybrid-7er in den Disziplinen Laufkultur, Antritt und Souveränität nicht wirklich hinter dem Top-Modell zu verstecken.
Da kann die Hybrid-S-Klasse nicht mithalten, sie wirkt insgesamt träger und schwerfälliger. Was nicht heißt, dass der S 400 Hybrid nicht vollkommen ausreichen würde. Und Mercedes gibt sich mit dieser Leistung - zu Recht - zufrieden und maximiert so das Sparpotential seiner Oberklasse-Limousine.
Statt zehn Liter (S 350) nimmt sich der S 400 Hybrid im EU-Zyklus nur noch 7,9 Liter Benzin je 100 Kilometer. Ein Wert, den sonst nur Dieselmotoren erreichen und von dem der BMW nur träumen kann. Der liegt zwar mit 9,4 Litern sogar einen halben Liter unter dem schwächeren 740i mit sechs Zylindern, exakt zwei Liter unter dem 750i und ganze dreieinhalb unter dem 760i, doch eben auch anderthalb Liter über der S-Klasse.
Größter Vorteil in der Stadt
Soweit die Theorie, denn in der Praxis werden beide nur selten die Vorgaben erfüllen. Zumal Hybrid-Systeme ihren Vorteil vor allem in der Stadt ausspielen, wo öfter gebremst und so die Batterie geladen wird und wo bei häufigen Ampelstopps die Stopp-Start-Funktion (die haben beide) sich positiv auswirkt. Doch sind sowohl der 7er wie auch die S-Klasse klassische Langstreckenlimousinen, die zwar beim Überholen und Beschleunigen vom Extraschub des E-Motors profitieren können, beim Dahingleiten aber keinen Vorteil haben.
So wies der Bordcomputer bei unserem ersten Test mit dem ActiveHybrid 7 einen Durchschnittsverbrauch von 10,5 Litern aus - bei gemütlicher Fahrt über die Landstraße. Wer dem Hybrid-7er auf der Autobahn einheizt, und dazu fordert die beeindruckende Längsdynamik auf, muss mit mindestens 14 Litern rechnen. Der S 400 Hybrid dagegen motiviert seinen Fahrer gar nicht dazu, ordentlich Gas zu geben, vielmehr animiert er zum Cruisen, was mit durchschnittlich zehn Litern darstellbar ist. Doch auch wer flott auf der Autobahn unterwegs ist – wir haben mit der S-Klasse zügig die Strecke München-Frankfurt und retour erledigt - wird den Verbrauch nicht weit über elf Liter bringen.
Preisfrage
Die Entscheidung, welches Konzept nun das bessere ist, trifft letztendlich der Käufer: Gemessen an ihrer Leistung sind beide vorbildlich sparsam, absolut gesehen nimmt die S-Klasse aber dem BMW in der Praxis sicher noch einmal zwei Liter ab. Dafür ist sie - wenngleich ausreichend motorisiert - weitaus weniger dynamisch als der ActiveHybrid 7.
Wer sich nicht zwischen höherem Fahrspaß und niedrigerem Verbrauch entscheiden kann, dem hilft vielleicht der Preis: Mercedes nimmt 9.100 Euro Hybrid-Aufschlag, bei BMW müssen 14.300 Euro mehr auf den Tisch gelegt als für den 750i. Und: Der Grundpreis für einen Sechs-Zylinder liegt natürlich deutlich unter dem eines V8. So ist der S 400 Hybrid bereits ab 85.300 Euro zu haben während der BMW erst bei 105.900 Euro anfängt.
Technische Daten
Marke und Modell | BMW ActiveHybrid 7 | Mercedes S 400 Hybrid | ||
---|---|---|---|---|
Ausstattungsvariante | ||||
Abmessung und Gewicht | ||||
Länge/Breite/Höhe (mm) | 5.072 / 1.902 / 1.485 | 5.096 / 1.871 / 1.479 | ||
Radstand (mm) | 3.070 | 3.035 | ||
Wendekreis (m) | 12,5 | 11,8 | ||
Leergewicht (kg) | 2.045 | 1.955 | ||
Kofferraum (Liter) | 460 | 560 | ||
Bereifung Testwagen | v: 245/45 R 19 h: 27540 R 19 | 235/55 R 17 | ||
Motor | ||||
Hubraum (ccm) / Zylinder (Zahl, Bauart) | 4.395 / 8, V | 3.498 / V, 6 | ||
Leistung (PS) | 449 | 299 | ||
Drehmoment (Nm) / Umdrehungen | 700 / 2.000 - 4.500 | 385 / 2.400 - 5.000 | ||
Antriebsart | Heckantrieb | Heckantrieb | ||
Getriebeart | automatisches 8-Gang-Getriebe | automatisches 7-Gang-Getriebe | ||
Verbrauch | ||||
Krafstoffart | Benzin | Benzin | ||
Kombiniert laut Werk (l/100km) | 9,4 | 7,9 | ||
CO2-Emissionen (g/km) / Abgasnorm | 219 / EU 5 | 186 / EU 5 | ||
AS24-Verbrauch (l/100km) | k. A. | 11,2 | ||
Fahrleistungen | ||||
Werksangabe 0-100km/h (s) | 4,9 | 7,2 | ||
AS24-Sprint 0-100km/h (s) | k. A. | k. A. | ||
AS24-Bremstest 100-0km/h (m) | k. A. | k. A. | ||
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 250 | 250 | ||
Preise | ||||
ab (Euro) | 105.900 | 85.300 | ||
Hybrid-Bauteile | 15-KW-Elektromotor, 90-Ah-Lithium-Ionen-Batterie | 15-KW-Elektromotor, 90-Ah-Lithium-Ionen-Batterie | ||
VergrößernVerkleinern |
Fazit
20.000 Euro und zwei Liter pro 100 Kilometer unterscheiden den S 400 Hybrid vom ActiveHybrid 7. Und eine große Portion Fahrdynamik und damit auch Fahrspaß, die der Siebener dem Benz voraus hat.
Beide Konzepte haben ihre Berechtigung: BMW sieht das größte Absatzpotential für den Hybrid-7er auf dem V8-lastigen US-Markt und bietet einen Acht-Zylinder mit den Fahrleistungen eines V12 und dem Verbrauch eines Sechs-Zylinders an. Mercedes bedient mit dem S 400 Hybrid dagegen eher die europäische Klientel, rollt das Feld quasi von unten auf und hat den Verbrauch des ohnehin sparsameren Sechs-Zylinders noch mehr gezügelt. Sicher ist, dass wir in naher Zukunft bei beiden Herstellern auch den jeweils anderen Ableger finden werden.
Im Übrigen steht beiden Herstellern noch eine Hürde bevor, nämlich die Voll-Hybrid-Limousine, die auch rein elektrisch fahren kann. Das schaffen nämlich beide nicht, doch macht es der Lexus LS 600h seit 2007 vor und liegt bezüglich Fahrleistungen, Verbrauch und Preis zwischen Mercedes und BMW. Einen ersten Schritt in diese Richtung gehen die deutschen Hersteller mit ihren SUV: Die Stuttgarter bringen demnächst in den USA eine Vollhybrid-Variante des ML 450 und BMW schickt den ActiveHybrid X6 ins Rennen, den wir in zwei Wochen für Sie testen werden und der im Frühjahr 2010 nach Deutschland kommt.