Die Kontrahenten: Der stärkste und fahrdynamischste Land Rover in der Geschichte der britischen Marke, der Range Rover Sport Supercharged. Ein Name, so sperrig, dass er nur von einem Inselaristokraten stammen kann. In der Regel haben Sportler Spitznamen, nennen wir ihn also schlicht Super-Range.
Sein Gegner ist der Porsche Cayenne Turbo jüngst aufgrund des fehlenden „S“ nur noch Nummer 2 der hausinternen Gipfelstürmer. Aber für den Super-Range müsste es reichen, schließlich hat schon der normale Turbo unglaubliche 450 PS zu bieten, gegen die die 390 Pferde des Briten erst einmal bestehen müssen.
Kurz die wichtigsten Fakten: Beide haben Achtzylinder unter der Haube, der des Porsche kommt auf 4,5 Liter Hubraum, der des Range auf 4,2 Liter. Beide werden zwangsbeatmet, das Porsche-Aggregat von zwei Turboladern, das Land Rover-Triebwerk mittels Kompressor. Beide haben permanenten Allradantrieb. Und beide sind echt schwere Jungs: 2,4 Tonnen bringt der Cayenne Turbo auf die Waage, noch beängstigendere 2,6 Tonnen der Sport-Range.
Optische Täuschung
Der monumental gezeichnete Brite ist schwerer, aber nicht größer als der hochbeinige Porsche. Beide messen in der Länge 4,79 Meter und sind damit, auch wenn die Optik etwas anderes vorgaukelt, kaum länger als ein VW Passat.
Beim Raumangebot sind trotzdem Unterschiede auszumachen. Der Cayenne bietet viel Platz, auch für die Fondpassagiere. Alle Insassen sitzen auf sehr straff gepolsterten, gut konturierten Sesseln. Allerdings könnten Fahrer- und Beifahrersitz etwas mehr Seitenhalt vertragen. In dieser Hinsicht ist das Sport-Gestühl des Range nicht zu schlagen. Extrem bequem und dabei perfekt geschnitten, sind auch die Schultern stets optimal fixiert. Das Raumgefühl vorne ist überwältigend, alles erscheint einem riesig, luftig und mächtig. Ordentliche Bein- und Kopffreiheit bietet auch die zweite Reihe. Allerdings ist die Sitzhöhe vergleichsweise gering ausgefallen.
Das Kofferraumkapitel entscheidet der Range klar für sich: Bereits im Reisemodus packt er 958 Liter, der Porsche „nur“ 540 Liter. Ebenso deutlich deklassiert der Brite den Schwaben in Sachen maximales Ladevolumen: 2.013 Liter stehen 1.770 Liter gegenüber. Auch geht im Landy der Umbau der Rückbank hin zur ebenen Ladefläche leichter von der Hand. Beim Porsche zickt schon mal der schwergängige Druckknopf, der die Rückenlehne aus der Arretierung entlassen soll.
Doch sind die bis in den letzten Winkel mit edlen Materialen ausgekleideten Kontrahenten sowieso weniger Transporter, denn ausgewiesene Luxuskarossen mit Fahrerauto-Anspruch.
Der ultimative Fahrtest
Teil 1 der Teststrecke: Die Autobahn. Beide verwöhnen die Insassen mit sehr gutem Federungskomfort, spuren souverän und leise dahin. Nur dass der Porsche um Längen schneller ist. Egal ob Vollgas-Zwischensprint oder behutsames Beschleunigen aus dem Drehzahlkeller, der Doppelturbo aus Zuffenhausen ist dem Kompressor von der Insel klar überlegen. Seine 620 Newtonmeter Drehmoment stehen schon bei 2.250 U/min bereit, die 550 des Range erst bei 3.500 U/min.
Will man mit Letzterem einigermaßen dran bleiben am vorauseilenden Porsche, sind hohe Drehzahlen und der Dauereinsatz des nicht eben leise arbeitenden Kompressors nötig. Effekt: Bei gleicher Fahrweise - pardon - säuft der Range hemmungslos, während der Cayenne objektiv auch extreme, in der direkten Gegenüberstellung aber doch gepflegtere Trinksitten an den Tag legt: 16 bis 22 Liter je 100 Kilometer ermittelten wir beim Porsche, 16 bis deutlich über 30 Liter beim Land Rover. Wobei ihn die Elektronik bereits bei 225 km/h einbremst, der Cayenne Turbo es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 266 km/h bringt.
Teil 2: Die Landstraße
Über Land zeigt sich am besten, dass der Namenszusatz „Sport“ beim Range Rover völlig zu Recht gewählt wurde. Egal wie eng die Kehre, egal wie hoch die Geschwindigkeit ist: Die Seitenneigung der Karosserie ist kaum spürbar, wird vom Fahrwerk automatisch ausgeglichen. Dazu erfreut der Brite mit einer supergenauen Lenkung, die einen hervorragenden Kontakt zur Fahrbahn herstellt und nie auch nur eine Spur von Nervosität ausstrahlt. Einmal eingelenkt, zieht der Super-Range rasiermesserscharf um die Ecke. Der strapazierte Begriff vom Fahren wie auf Schienen trifft es einfach am besten. Nur beim schnellen Richtungswechsel kann er sein hohes Gewicht nicht verleugnen.
Genau hier hakt der Porsche ein und scheint die Physik außer Kraft zu setzen. Links, rechts, links agil, wie man es sich von einem echten Sportwagen wünscht, führt er blitzschnell auch das irrwitzigste Manöver aus. Die ebenfalls sehr genaue, aber etwas zu leichtgängige Lenkung dürfte allerdings einen Tick straffer sein. Wankbewegungen kennt der Cayenne im härtesten der drei selbst anzuwählenden Fahrwerksmodi ebenfalls keine.
Handbetrieb
Die serienmäßigen Getriebeautomaten agieren hier wie dort supersanft und lassen sich hervorragend per Gasfuß zum Gangwechsel animieren. Wer gern selber schaltet, sieht sich zwei verschiedener Philosophien gegenüber: Der Porsche lässt den manuellen Eingriff auch über (etwas fummelig zu bedienende) Schalttasten am Lenkrad zu. Der Range-Fahrer dagegen muss stets die rechte Hand vom Volant nehmen und den Wählhebel bewegen. Belohnt wird er beim Herunterschalten vom präsenteren Zwischengas, was einfach sehr sportlich klingt.
Apropos Klang: Solange der Kompressor nicht mitwimmert, bullert der 4,2-Liter-V8 standesgemäß vor sich hin. Emotional kann der viel zu wohl erzogene Porsche-V8 da nicht ganz mithalten. Dafür lässt er den Land-Lord beim Sprint gnadenlos stehen: 5,6 Sekunden zu 7,6 Sekunden von 0 auf 100 - das sind Welten.
Teil 3: Schnee
Es gibt so Tage, da passt einfach alles. Die kalte Wintersonne taucht die bayerischen Alpen in gleißendes Licht, auch den autofreien, weil kniehoch mit Tiefschnee bedeckten Auffangparkplatz des Skigebiets Sudelfeld. Die Fotografen frohlocken, die Fahrer fiebern.
Rein in den Range und alle Fahrhilfen aus, driften ist angesagt. Überraschung: Der Koloss untersteuert stärker als erwartet. Was im Alltagsbetrieb wegen der besseren Berechenbarkeit durchaus Sinn macht, fordert im Fun-Einsatz entschiedenes Handeln. Um das Heck anzustellen, muss man entweder bereits beim Losfahren stark einlenken und Vollgas geben, oder auf den Lastwechsel setzen. Die Schrägfahrt zu halten kostet jedenfalls jede Menge Konzentration.
Viel entspannter geht das mit dem Porsche: Einfach den Kurvenradius wählen und ordentlich aufs Gas treten, schon schiebt der Hintern nach außen. Nun noch Gegenlenken und mit Gas das Heck halten - quergestellt dreht der Cayenne Runde um Runde. Beim Lastwechsel, also beispielsweise bei Links-Rechts-Kombinationen, sind allerdings flinke Hände am Steuer und ein sensibler rechter Fuß gefragt. Sonst verwandelt sich der Porsche in einen 100.000 Euro-Kreisel.
101.913 Euro kostet der Porsche Cayenne Turbo exakt. Die üppige serienmäßige Luxusausstattung (unter anderem Volllederinnenraum, Alcantara am Dachhimmel, beheizte Sitzplätze vorne wie hinten, Lenkradheizung, HiFi-Anlage, Navigationsgerät und Bi-Xenonlampen mit Kurvenlicht) darf man da durchaus erwarten. Der Range Rover Sport Supercharged ist mit einem Einstandspreis von 77.450 Euro so gesehen fast ein Schnäppchen. Zumal auch er Lederpolster, Soundanlage, Bi-Xenonlampen mit Kurvenlicht, Navi mit Touchscreen und 20-Zoll-Felgen (Porsche: 18-Zoll) mitbringt.
Traumautos
Das Fazit kann man sich im Grunde genommen sparen. Porsche Cayenne Turbo wie Range Rover Sport Supercharged sind im wahrsten Sinne des Wortes bewegende Massen. Der Porsche ist deutlich schneller und agiler, der Range dafür stattlicher, monumentaler. Wer Klotzen kann, steht vor der Qual der Wahl. Wer, wie unsereins, Kleckern muss, kann beide weiterhin unverkrampft als das betrachten, was sie sind: Traumautos jenseits jeglicher Vernunft.